Gradmesser: Zum Thema „Nachverdichtung“…

Zum Beispiel „Nachverdichtung“: Ein skurriles Wort, bei dem einem zunächst nicht einfallen will, was gemeint ist. Über welche Disziplin reden wir? Möglicherweise geht es ums Bauen – eine neue Rütteltechnik für die Betonsteinpflaster-Verlegung vielleicht…

Aber es geht um Wohnraum. Bekanntlich brauchen wir derzeit viel davon und das in relativ kurzer Zeit. Da definitiv ausreichend neue Baugrundstücke insbesondere in den Ballungsregionen fehlen, wird also „nachverdichtet“ oder „aufgestockt“. Nach einem verträglichen Konzept für das bereits vorhandene Wohnumfeld hört sich das nicht an. Eher nach Hineinquetschen und das Aufbrechen gewachsener Wohnstrukturen.

Im Münchner Süden ist deshalb wohl derzeit mächtig Dampf auf dem Kessel. „Immerzu werden neue Bauten genehmigt, wir haben Zuwachs ohne Ende und woanders stehen Tausende Wohnungen leer. Warum koordiniert das keiner?“ berichtet die Süddeutsche Zeitung von einer Anwohner-Diskussion. Sogar von „Wildwest bei der Nachverdichtung“ ist die Rede. Die Stimmung kippt und äußert sich in der Schlussfolgerung, die Bauwirtschaft könne „machen, was sie will“.

Die Stimmungslage ist natürlich fatal in einer Situation, in der neuer bezahlbarer Wohnraum und neue Infrastrukturen gebraucht werden. Aber es gilt auch, ein lebenswertes Wohnumfeld zu erhalten – auch aus Respekt langjähriger Anwohner. Es dämmert allmählich immer mehr Menschen, dass es hier eigentlich um eine nachhaltige Strukturpolitik geht. Es geht um eine regionale Baupolitik mit Augenmaß, die nicht parteipolitisch motoviert, sondern von Vernunft bestimmt ist.

Wenn urbanes Wachstum dazu führt, dass der Charakter ganzer Stadtviertel verschwindet, dann ist Baupolitik auf einem Irrweg. Eine Baupolitik, die nur von „Nachverdichtung“ spricht, hat den Respekt vor den Menschen verloren.

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