Explodierende Kosten sorgen für drastische Preisanstiege
Fliesenbranche denkt über Preiserhöhungen bis zu 25 % nach
Aktuell plagen die internationale Fliesenindustrie große Sorgen durch die drastisch gestiegenen Gas-Preise. Bereits im Nachklang zur Cersaie hatten wir darüber berichtet, dass verschiedene Hersteller damit begonnen haben, ihre steigenden Produktionskosten auch an ihre Kunden weiter zu geben. Damals war in Italien von moderaten Preissteigerungen zwischen 3-5 % die Rede, einige deutschen Hersteller wollten die Preise um ca. 6-8 Prozent hochsetzen. In Spanien gibt es Unternehmen, die auch Preisanstiege von bis zu 25 % nicht mehr ausschließen können.
Italien: Auch Produktionsstopp nicht auszuschließen
In Italien spricht man bereits von einer „enorm kritischen Situation“. Die Confindustria Ceramica, der italienische Verband der Fliesenhersteller, zeigt sich wegen der rasant steigenden Gaspreise extrem besorgt. Die Repräsentanten des Verbandes reisten bereits nach Rom und drängten bei der Regierung auf Gegenmaßnahmen. Gefordert wurde eine Deckelung der Gaspreise ebenso eine Anerkennung der befürchteten Versorgungskrise als „unausweichliches Ereignis“. Damit würde die Betriebe Kurzarbeit beantragen können.
In Italien haben Unternehmen wie die Romani-Gruppe (8 Mio. qm/Jahr Produktion) erlebt, wie der Strompreis von 45-50 €/MWh im Januar auf 210 €/MWh im Oktober und der Gaspreis von 0,2 €/mc auf über 1 €/mc gestiegen ist, was einer jährlichen Rechnung von 8 bis 25 Mio. Euro entspricht, wie der Präsident Giorgio Romani selbst auf seiner Linkedin-Seite erklärte.
Der italienische Verband erwartet nach den aktuellen Gaspreisen im kommenden Jahr eine Gasrechnung der italienischen Fliesenhersteller in Höhe von ca. 1,25 Milliarden Euro. Das würde bedeuten, dass die Gaspreise dann ca. ein Viertel der Produktionskosten ausmachen würden. Eine Steigerung, die die Hersteller nicht mehr absorbieren könnten und die Preisanstiege somit an die Kunden weitergegeben würden.
“Bei diesen Kosten kann die italienische Keramikindustrie nur bis spätestens zum ersten Quartal 2022 durchhalten”, sagte der Vorsitzende der Confindustria Ceramica, Giovanni Savorani, der die Unternehmerdelegation leitete, die am Mitte Oktober vom stellvertretenden Minister für wirtschaftliche Entwicklung im Senat empfangen wurde.
Einige Hersteller aus Italien ziehen sogar in Erwägung, die Produktion im Winter eventuell kurzfristig ganz einzustellen, da eine Kosten deckende Produktion nicht mehr zu realisieren sei. Dies wiederum lässt beim Großhandel die Alarmglocken läuten, denn die Versorgungssicherheit steht für den Handel an erster Stelle. Vor allem im Objektgeschäft drohen sonst hohe Konventionalstrafen.
Spanien: Anhebung der Listenpreise um 15 bis 20 %
Nach Schätzungen des spanischen Herstellerverbandes ASCER sind die Rechnungen für die spanischen Hersteller zwischen Januar und September 2021 um rund 150 % gestiegen. Gas, das auf dem iberischen Markt im Januar durchschnittlich 27,08 €/MWh kostete, erreichte im September 65,2 €/MWh (+140 %); Strom stieg im gleichen Zeitraum von 60,17 €/MWh auf 156,14 €/MWh (+160 %). Für den gesamten Sektor bedeuten diese Zahlen zusätzliche Kosten von mehr als 700 Mio. EUR pro Jahr.
ASCER zufolge wird die Weitergabe des Kostenanstiegs an den Markt in jedem Fall zu einem Verlust von Marktanteilen auf den internationalen Märkten führen, auf denen spanische Fliesen 75 % ihres Absatzes erzielen. Nach Ansicht des Verbandes besteht ohne dringende staatliche Maßnahmen (z. B. Teilkompensation der CO2-Kosten und vorübergehende Subventionen zur Abmilderung der Auswirkungen der steigenden Energiekosten) die größte unmittelbare Gefahr in der Verringerung oder Unterbrechung der Produktion, was sich auch auf die Beschäftigung in diesem Sektor auswirken würde.
So hat Fernando Roig, Chef der Pamesa-Gruppe – Europas größter Hersteller mit einer Produktionskapazität von fast 120 Mio.qm/Jahr – in einem Interview mit erklärt, dass seine Gruppe im Vergleich zu den 7-8 Millionen Euro, die im Januar gezahlt werden, 25-30 Millionen im November und Dezember zahlen wird, und dass zumindest für die nächsten sechs Monate keine Preissenkungen zu erwarten sind. Zu den Maßnahmen, die die Gruppe bereits ergriffen hat, gehört neben der Absage der Präsenz auf der Cevisama 2022 die sofortige Anhebung der Listenpreise um15 bis 20 % je nach Produkt.
Preisanstiege auch bei Verpackungen, Glasuren, Containern und Paletten
Umgerechnet auf die Quadratmeter-Preise könnte allein die Gas-Problematik für eine Preiserhöhung von 1 Euro pro Quadratmeter führen. Aber die steigenden Gaspreise sind es leider nicht allein, die zu einen Preisanstieg führen. Auch Verpackungen, Glasuren, Containerkosten oder Palettenpreise sind von extremen Preisanstiegen betroffen.
So liegen die Kosten für eine Palette durch enorme Anstiege bei den Holzpreisen inzwischen bei ca. 25 Euro. Die Containerkosten haben sich laut Angaben diverser Hersteller zum Teil verzehnfacht, von ehemals 600-800 Euro auf 6000-8000 Euro. Davon sind vor allem die Hersteller aus Übersee oder der Türkei betroffen. Allein die steigenden Containerkosten führen zu einem weiteren Anstieg bei den Quadratmeterpreise von ca. 0,50 Euro, so die Rechnung von Branchenexperten.
Logistik: Keine LKW-Fahrer, steigende Spritkosten
Bei der Logistik ist weiterhin zu berücksichtigen, dass es auch in Deutschland immer schwieriger wird, LKW-Fahrer zu finden. Viele Stellen sind unbesetzt, dadurch fallen ganze Transporte inzwischen komplett aus und verteuern sich rapide. Durch die aktuell erhöhten Spritpreise steigen die Transportkosten zusätzlich an. Viele Speditionen haben schon jetzt angekündigt, dass es in 2022 deutlich teurer wird.
Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) erwartet, dass die Lieferkettenprobleme bis 2022 anhalten. „Wir sehen steigende Containerpreise, steigende Frachtraten, Mangel an Vorprodukten und immer massivere Engpässe bei Lkw-Fahrern. Wir haben es mit einer Vielzahl von Problemen zu tun“, sagte der neue Präsident des BGA, Dirk Jandura, vor kurzem gegenüber der Presse. Viele Unternehmen beanspruchten mit Vorratskäufen zudem die verfügbaren Kapazitäten zusätzlich.
„Materialknappheit und weiter steigende Rohstoffpreise belasten weiterhin die Bauwirtschaft. Nach den Daten des Statistischen Bundesamtes gibt es gerade bei wichtigen Bauprodukten keine Entwarnung. Vorhandene Lieferschwierigkeiten bei anhaltend hoher Nachfrage quer durch die Branchen treiben weiter die Preise,“ so Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe in Berlin.
Fast die Hälfte der Unternehmen des Baugewerbes sehen sich mit Lieferschwierigkeiten bei Holz und Kunststoffen konfrontiert, bei Stahl sind es über 70 % der Unternehmen. Über 90 % der Unternehmen berichten über gestiegene Einkaufspreise bei Material. Über 70 % der Unternehmen des Baugewerbes planen die Weitergabe von Preiserhöhungen an die Kunden. Dieses ist das Fazit einer im Handelsblatt zitierten Umfrage des DIHK.
Auch die großen Hersteller von Werkzeug stellen die Kunden aktuell auf monatelange Verzögerungen ein. Wie der Einkaufschef der Würth-Gruppe berichtete, verspäten sich derzeitige Lieferungen durch die Engpässe bei Containern um bis zu 10 Wochen. Das betrifft vor allem genormte Kleinteile, die aus Asien verschifft werden. Es sei nicht absehbar, wann sich die Lage wieder bessere. Auch Bosch spricht von erheblichen Verzögerungen bei vielen Produkten.
Einziger Lichtblick in diesem Schreckens-Szenario: In der Zwischenzeit kamen die ersten positiven Nachrichten von der Gasindustrie, die für Ende 2021 eine Verlangsamung des Anstiegs der Gaspreise ankündigten.
Lesen Sie zu den Preiserhöhungen in der Fliesen- und Zubehörbranche auch unseren Kommentar hier.