“Unabhängig von der Fliese ist die BAU das internationale Maß aller Dinge”

Interview mit Dieter Schäfer, Vorsitzender des Ausstellerbeirates der BAU, zum Thema Fliesen auf der BAU

In den letzten Jahren ist es um das Thema Fliesen und Keramik auf der größten europäischen Baufachmesse BAU schlecht bestellt. Die internationalen Fliesenhersteller glänzten an der Isar in der Regel durch Abwesenheit und bevorzugen ihre Fliesenfachmessen in Bologna und Valencia. In 2018 kochte das Thema wieder auf, da es wohl Interesse von Seiten einiger Keramikhersteller gab, aber keinen Platz auf der BAU. Wir unterhielten uns darüber mit Dieter Schäfer, der als Vorsitzender des Ausstellerbeirates der BAU und gleichzeitg als Vorstand der Deutsche Steinzeug Cremer & Breuer AG, einer der wenigen Fliesenhersteller auf der BAU, beide Seiten gut im Blick hat.

Herr Schäfer: Können Sie nachvollziehen, dass so wenig Fliesenhersteller als Aussteller auf der BAU vertreten sind?

Ich glaube einer der Hauptgründe ist, dass sich die ausländischen Hersteller sehr stark auf die Cersaie in Italien und zum Teil auch auf die Cevisama in Spanien konzentrieren. Ein weiterer Aspekt ist aber sicherlich auch, dass ein Großteil unserer Wettbewerber im In- und Ausland nicht diese architekturkeramische Ausrichtung hat, die aus meiner Sicht die BAU in München dann zu einer Pflichtvorstellung macht. Für einen Fliesenhersteller, der sich nicht um Fachzielgruppen, Key Account und Projektservice kümmert, sondern sich rein der Zielgruppe Endverbraucher widmet, ist die BAU deutlich weniger relevant.

Gerade bei der Zielgruppe Architekten hat die Fliese einen erheblichen Nachholbedarf. Da wäre die BAU doch eigentlich die optimale Plattform, zumal immer mehr Hersteller mit ihren Feinsteinzeug-Produkten ins Objektgeschäft drängen.

Ich würde die Aussage nicht grundsätzlich bestätigen, dass die Fliese bei der Zielgruppe Architekten erheblichen Nachholbedarf hat, sondern relevant ist folgendes: Wenn Sie Architekten und Planer qualifiziert ansprechen wollen sind mehr als schöne Oberflächen und Feinsteinzeug notwendig. Für kompetente Architektenbetreuung benötigen Sie umfassende Serviceleistungen, und zwar nicht anhand von allgemeinen anwendungstechnischen Unterlagen, sondern in Form von projektspezifischer und individueller Beratung. Darüber hinaus ist natürlich eine entsprechende Produktpalette essentiell, z.B. mit modular abgestimmten Farben und Formaten, kombinierbaren trittsicheren Oberflächen, Schwimmbadkeramik oder Fassadensystemen, die dem Architekten kreativen Freiraum bieten. Der Umstand, dass Feinsteinzeug auch im Objektbereich verwendet wird, reicht als Argument nicht aus.

Wenn Sie Architekten und Planer qualifiziert ansprechen wollen sind mehr als schöne Oberflächen und Feinsteinzeug notwendig.

Die BAU ist laut Aussage Mirko Arend von der Messe München GmbH „sehr daran interessiert, Herstellern von Fliesen auch einen passenden Platz auf der BAU anzubieten“. Dennoch haben uns Fliesenhersteller darüber informiert, dass sie auf der BAU 2019 trotz Nachfrage keinen adäquaten Platz mehr angeboten bekommen haben. Wie sehen Sie die aktuelle Situation?

Es ist zutreffend, dass die BAU über viele Jahre kontinuierlich versucht, den Bereich Fliese zu forcieren.

Es ist zutreffend, dass die BAU über viele Jahre kontinuierlich versucht, den Bereich Fliese zu forcieren. Da aber ein Großteil der Hersteller die architektonische Bedeutung der BAU bis heute nicht wirklich honoriert, hat sich die Messeplanung anders orientiert. Die Anfragen, die zur BAU 2019 im Bereich Fliese an die Messe herangetragen werden, sind zudem Unternehmen / Hersteller, die allerdings nicht das Endprodukt Fliese präsentieren möchten, sondern vielmehr Bearbeitungsverfahren, Werkzeuge oder Maschinen. Das passt nicht für die Zielgruppe der Architekten und für diese Anwendungen gibt es bei der BAU einen eigenständigen Ausstellungsbereich, der aktuell jedoch eine Warteliste hat. Unabhängig von der Fliese ist die BAU messeseitig das internationale Maß aller Dinge im Bauwesen und 2019 wird die bisher größte BAU bedingt durch die Komplettierung der C-Spange um zwei weitere Hallen. Trotz dieser signifikanten Erweiterung ist die Messe nach wie vor überbucht mit Warteliste. Die Belegung der einzelnen Hallen folgt einem bestimmten besucher-orientierten System, das im Laufe der Jahre immer weiterentwickelt wurde und sich bestens bewährt. Daher und wegen der erwähnten Tatsache, dass die Nachfrage nach Standplätzen das Angebot immer noch deutlich übersteigt, liegt es in der Natur der Sache, dass nicht immer jedem Unternehmen ein adäquater Platz geboten werden kann, wobei man natürlich trefflich streiten kann, wie man adäquat definiert.

Als einer der wenigen Fliesenhersteller ist die Deutsche Steinzeug mit ihren Marken Agrob Buchtal und Jasba in München mit einem eigenen Stand vertreten. Foto: Messe München

Was kann die Messe München nach ihrer Ansicht unternehmen, um wieder mehr Fliesenhersteller auf die BAU zu locken?

Die Messe München und auch ich persönlich würden es natürlich begrüßen, wenn mehr Fliesenhersteller bei der BAU vertreten sind, weil Konkurrenz bekanntlich das Geschäft belebt und die Fliese im materialübergreifenden Wettbewerb dadurch gestärkt würde. Die Bemühungen der Messe München Fliesenhersteller zu gewinnen, sind einerseits inhaltlich kaum steigerbar und nüchtern betrachtet weder sinnvoll noch erforderlich auf Grund der beschriebenen Gesamtauslastung – oder salopp mit einer Metapher formuliert: „Es macht keinen Sinn einen Hund zur Jagd zu tragen…“

Die Bemühungen der Messe München Fliesenhersteller zu gewinnen sind inhaltlich kaum steigerbar

Hat die BAU zwischen den Fliesenfachmessen Cevisama in Valencia und Cersaie in Bologna in Ihren Augen überhaupt eine Chance bei der internationalen Fliesenindustrie?

Diese Frage stellt sich so nicht, weil die CEVISAMA und die CERSAIE Branchen-Fachmessen sind, die BAU dagegen hat sich zur Weltleitmesse des Bauens entwickelt, die (Innen-)Architekten, Planer, Ingenieure, Designer, Händler und Handwerker in überragender Qualität und Quantität anzieht. Der Grund dafür ist so einfach wie einleuchtend: Nirgendwo anders bekommt man einen besseren Gesamtüberblick über die Welt des Bauens und viele Aussteller richten aus guten Gründen die Entwicklung von Innovationen auf die BAU aus. Die erwähnten Fachzielgruppen sind heute nicht mehr bereit, nur für ein oder zwei Gewerke Ausstellungen zu besuchen. Diese Erfahrungen werden mit Sicherheit auch unsere italienischen und spanischen Kollegen bei den reinen Fliesen- und Sanitärmessen machen. Die BAU mit einer Branchen-Fachmesse zu vergleichen, wird der Sache nicht gerecht, weil es sich wie erwähnt um Veranstaltungen mit unterschiedlicher Ausrichtung handelt. Dies schmälert aber keineswegs die Bedeutung der Cersaie und der Cevisama als Spezial-Fliesenmessen.

Sind die klassischen Messen bei der weiter wachsenden Zahl und Bedeutung von Hausmessen im Handel überhaupt noch das richtige Marketinginstrument für die Fliesenindustrie?

Die Frage kann ich Ihnen nur für die AGROB BUCHTAL GmbH beantworten. Für uns als sehr stark architekturorientierter Fliesenhersteller ist die BAU ein absolutes Muss. Inwieweit reine Fliesenmessen wie die Cersaie jedes Jahr im kurzatmigen 12-Monats-Rhythmus ablaufen müssen, wage ich schwer zu bezweifeln. Anderseits, wenn man die Auslastung sowie den wirtschaftlichen Nutzen für den italienischen Industrieverband beziehungsweise das Hotel- und Gaststättengewerbe betrachtet, besteht gemäß dem Gesetz von Angebot und Nachfrage aus Sicht des Veranstalters keine Notwendigkeit, diese sich jährlich wiederholende Hektik zu verändern.

Für uns als sehr stark architekturorientierter Fliesenhersteller ist die BAU ein absolutes Muss.

Was Hausmessen angeht, reden wir wiederum von einer weiteren unterschiedlichen Zielrichtung. Hier kümmert sich der Handel um sein regionales Klientel und bindet ausgewählte Hersteller dabei mit ein. Hier glaube ich, dass die Entwicklung tendenziell eher kontraproduktiv verläuft, weil Aufwand und Ertrag mittlerweile schwer in vernünftiger Relation zu halten sind. Während einheimische Hersteller intensive Marktbearbeitung betreiben, die zweite vertikale Vertriebsebene sehr gut kennen, betreuen und z.B. mit Mustern versorgen und dem Großhandel zuführen, nutzen ausländische Mitbewerber Hausmessen überwiegend als ideale Plattformen zum „schnellen“ Kennenlernen von Handelskunden, da man im Tagesgeschäft keine entsprechenden Kontakte pflegt. Über kurz oder lang regelt das aber der Markt durch das freie Spiel der Kräfte, bei dem sich dann die Spreu vom Weizen trennt…

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