Mit Villeroy & Boch und OBI haben sich bereits zwei prominente Unternehmen im Ukraine Kriege eindeutig positioniert und ihren Rückzug aus dem dem russischen Markt angekündigt (siehe unsere Berichte hier und hier). Das ist ebenso entschlossen wie mutig, denn dieser Schritt dürfte auch erhebliche finanzielle Einbußen mit sich bringen. Auch andere Unternehmen aus der Baubranche wollen ihre Engagements mit Russland überdenken.
Darüber hinaus bringt der Ukraine Krieg noch viele andere Probleme mit sich, über die wir auf 1200Grad bereits berichtet haben. Neben dem Zusammenbruch der ukrainischen Tonförderung (siehe Bericht hier), die vor allem die südeuropäischen Fliesenhersteller massiv betrifft, steht natürlich das Thema Gas bei der Keramikbranche im Fokus. Nachdem sich die Preise schon in den letzten Wochen drastisch erhöht hatten (siehe Bericht hier), droht Europa nun diesbezüglich von mehreren Seiten Ungemach. So hat Uniper, der Energiekonzern mit dem bisher engsten Beziehungen zu Russland, angekündigt, seine Beziehung zu Russland zu kappen. Uniper verkauft mehr als die Hälfte seines Gases an Industrie- und Gewerbekunden. Im Gegenzug zu den zahlreichen Boykottmaßnahmen des Westens droht das Putin-Regime seinerseits damit, den Gashahn komplett zuzudrehen.
Die Folgen wären fatal! „Erhebliche Unterbrechungen der Gasflüsse würden die Stabilität des deutschen Gassystems gefährden,“ warnt Uniper. Werden die Leitungen gekappt, werde das laut Uniper in der WAZ die „Ausrufung des Notstands durch Minister Habeck zur Folge haben.“ In diesem Fall würde die Bundesnetzagentur die Rolle des Bundeslastverteilers übernehmen, was für viele Abnehmer eine Drosselung oder Kappung ihrer Gasmengen zur Folge hätte.
Für die besonders vom Gas abhängige Fliesenindustrie wäre der Schaden immens. Nach den uns vorliegenden Informationen aus dem Markt haben bereits einige Fliesenhersteller damit begonnen, ihre Produktion aufgrund der Gas-, Transport- und Rohstoff-Probleme einzustellen. Nach Angaben unserer Italien-Korrespondentin Alexandra Becker beantragte z.B. Ceramica Imola vor kurzem Kurzarbeit für 1.000 Mitarbeiter und stellte Produktion teilweise ein. Vergangene Woche haben Panaria, Monocibec, ABK, Polis, Energieker und andere (insgesamt 7-8 Hersteller) ihre Öfen heruntergefahren. Zur Zeit sind bereits ca. 4.000 Mitarbeiter der italienischen Keramikindustrie in Kurzarbeit. Außerdem ist in Italien ein Streik der Transportunternehmen ausgerufen, die die hohen Dieselpreise nicht mehr verkraften können. Auch Boizenburg Fliesen informierte vor einigen Tagen darüber, dass die Öfen kurzzeitig abgestellt werden mussten (wir berichteten hier).
Verlässliche Preisangaben sind für die Hersteller angesichts dieser Rahmenbedingungen eigentlich nicht mehr möglich. Hier werden Handel und Industrie kreativ neue Lösungen suchen müssen. Vorstellbar wären Preise, die z.B. mit kurzfristigen Aufschlägen an die Energiekosten gekoppelt sind. Dafür muss man aufeinander zugehen und zu Kompromissen bereit sein.
Wir wollen hier keine Panik schüren, aber leider ist der Liste der möglichen Probleme, vor die die Branche im Zeichen des Ukraine Krieges gestellt wird, noch länger. Denn die Sicherheitsbehörden warnen aktuell auch vor den Folgen eines möglichen Cyberkrieges. Russische Hacker habe es wohl zunehmend auf die IT-System westlicher Unternehmen abgesehen. Wenn ein System betroffen ist, ist der Schaden immens, da die IT-Anlagen nur mit einem enormen zeitlichen und technischen Aufwand wieder ans Laufen gebracht werden können. Bei der Abhängigkeit aller Unternehmen von ihren Computer-Systemen würde das ebenfalls zu Stillständen mit großem wirtschaftlichen Schaden führen.
Wer also seine IT-Sicherheit bislang vernachlässigt hat, sollte hier dringend nachbessern, denn die Hacker-Angriffe machen weder vor Fliesenherstellern, noch vor großen Handelshäusern oder Handwerkern halt.