AG Fliese: Chancen in der Krise

Herbsttagung im Schulungszentrum bei Schlüter-Systems in Iserlohn

Am 17.09.2024 fand die Herbsttagung der AG Fliese im Gesprächskreis Baustoffindustrie/BDB e.V. in der Schlüter Work-Box in Iserlohn statt.

Marc Schlüter als Hausherr ließ es sich nicht nehmen, die fast 60 Teilnehmer aus Handel und Industrie der Fliesen- und Zubehörbranche am Stammsitz von Schlüter in Iserlohn zu begrüßen.

Marc Schlüter  begrüßte die Teilnehmer in Iserlohn

Mit dem Zitat „Bauen ist immer Investition“ erläuterte er kurz die jüngsten Investitionen von Schlüter am Standort Iserlohn (1200 Grad berichtete hier). Zur Eröffnung der Sitzung durch Michael Hölker, Hauptgeschäftsführer des BDB, erfolgten die üblichen Formalien.

Der erste Impulsvortrag erfolgte durch Günther Broeks, Gesamtvertriebsleiter und Prokurist von Schlüter Systems zum Thema: „Zukunft des Bauens“. Er beschrieb die derzeitige Rezession und deren Auswirkung auf Handel, Handwerk und Industrie. Es bestehe wenig Hoffnung auf eine schnelle Wende. Die Attraktivität der Fliese insgesamt sinke im Marktumfeld, aber es gebe gute Ansätze, das umzudrehen.

Keine Preiserhöhungen bei Schlüter-System

Broeks gab einen Einblick in die Strategie von Schlüter: „Wir als Schlüter haben nicht vor, uns an dieser Krise zu beteiligen“. Unter dem Leitslogan „Wir machen das! Gemeinsam“ informierte Broeks über verschiedene hausinterne Aktivitäten. Gleichzeitig kündigte er an, dass Schlüter im Jahr 2025 in ganz Europa ohne eine Preiserhöhung in den Markt gehen wird, analog zum Coronajahr.

Inhaltlich beschäftigte er sich mit Designbädern für Generationen. Im ästhetischen und altersgerechten Wohnen sieht Brooks ein deutliches Potential und Wertschöpfung für Produkte, die zur Erstellung des Fliesenbelages dazugehören, in der Regel aber kaum sichtbar sind, z.B. vorkonfektionierte Waschtische, Shower Boards, Trennwände und mehr.

Unter Digital Sales Management erörterte Broeks den Einfluss auf Marketing, Social Media, Nachfragegenerierung im Käufermarkt, Kundenbindung und Knowledge Transfer. Abschließend erneuerte Broeks das klare Bekenntnis zum Messeauftritt auf der Cersaie sowie der Bau in München im Januar 2025.

Referent Bastian Foerster

Social Media Kampagne hakt weiter

Nächster Referent war Bastian Foerster vom Deutschen Institut für Marketing (DIM), der die Social Media Kampagne der AG Fliese seit knapp zwei Jahren begleitet. Er informierte über die bisherigen Aktivitäten mit monatlich ca. 20 Postings in zwei Hauptkanälen, die in monatlichen Redaktionsplänen abgestimmt sind.

Zum einen Pinterest, aktiv gemanagt vom Deutschen Institut für Marketing, sowie Instagram/Facebook, wo über das Engagement der Mitglieder der AG Fliese Reichweite und Aktivitäten geschaffen werden sollte.
Der Pinterest Kanal funktioniert zunehmend besser, aber bei niedrigem Beteiligungsgrad der User, allerdings auch aktiv gemanagt mit bezahlter Werbung.

Zielsetzung nicht erreicht

Für Instagram/Facebook wurde die strategische Zielsetzung nicht erreicht. Nicht mal jedes fünfte Mitglied beteiligt sich hier und das ursprüngliche Ziel von 60% Beteiligung konnte bislang nicht erreicht werden. Auch die nach der Tagung im Frühjahr (wir berichteten hier) initiierte Mitgliederbefragung der Nichtteilnehmer brachte kein eindeutiges Bild, warum das nicht funktioniert.

Reinhard Fenski, Leiter der AG Fliese, sprach an der Stelle „Klartext“, dass der Gegenwert nicht gehoben wird für das, was die Mitglieder bezahlen. Das Ziel ist es, Endkunden in einem frühen Stadium der Customer Journey zu informieren. Die geringe Beteiligung hierbei sorgt dafür, dass das Kampagnenziel nicht erreicht werden kann.

Der Punkt hinterließ zunächst allgemeine Ratlosigkeit. Jens Fellhauer, Geschäftsführer des Bundesverband Deutsche Fliese (BKF), bot in einer Wortmeldung an, gemeinsame Ressourcen hinsichtlich der Branchenkampagne des BKF und der #FaszinationFliese zu bündeln. Auf seine Wortmeldung hin erfolgte leider keine Diskussion oder Rückmeldung im Plenum. Eine vertane Chance…

Zusatzetat von 550 € je Mitglied

Als Beschlussvorlage wurden weitere Optimierungen für 2025 gegen einen Zusatzetat von 550 € je Mitglied der AG-Fliese vorgestellt: Vom Grundsatz geht es um verstärkte Werbekampagnen rund um die Postings, deutlich erhöhten Einsatz der Reels, aktives Community Management und Kooperationen.

Die Abstimmung im Plenum ergab, dass die Kampagne weitergeführt wird. Die zusätzlichen finanziellen Mittel wurden ohne Gegenstimme bewilligt. Für eine endgültige Entscheidung wird die Zustimmung der nicht anwesenden Mitglieder der AG Fliese im Nachgang erfragt.
Zusammenfassend wurde festgehalten, dass man innerhalb der ersten drei Jahre der Kampagne #FaszinationFliese Erfahrungen sammeln wolle und dann die Kampagne endgültig bewerten will.

Projekt „Regionale Marktzahlen“

Christian Tiller, Senior Consultant Market Research bei Heinze betreut das Projekt „Regionale Marktzahlen“. Er gab einen Marktüberblick, ohne bereits genaue Daten aus dem zeitgleich stattfindenden Heinze Baukonjunkturmeeting zu verraten. Die Prognose sieht nicht gut aus, die 250.000 genehmigte Wohnungen werden wohl auch im nächsten Jahr nicht zu Stande kommen. Die neuesten Daten von Heinze werden ab Oktober in der Plattform vorhanden sein.

Tiller gewährte dann auch online Einblick in den Premiumbereichs für die Arbeitsgruppe Fliese, wo Regionaldaten nach Kreisen oder Postleitzahlen eingesehen und für eigene Auswertungs- und Planungstools genutzt werden können. Die Datenstruktur unterscheidet Neubau und Modernisierung sowie Wohnbau und Nichtwohnbau und weitere wesentliche Parameter zur regionalen Planung und Vertriebssteuerung. Auch dort erfolgt ein Update ab Mitte Oktober.

Er verdeutlichte auch nochmals die Chancen, die im Modernisierungsmarkt liegen, der immerhin 66 % des Hochbau-Bauvolumens ausmacht. Hier entstehen gute Chancen, die steigende Nachfrage mit innovativen Sanierungslösungen abzugreifen.

Untersuchung zu Outdoorfliesen

Interessantester Punkt der Darstellungen war die beauftragte Untersuchung zu Outdoorfliesen. Vieles bestätigte die bereits im Markt vorhandenen Erkenntnisse. Die Hauptverarbeiter Galabauer und Fliesenleger sowie Neubauer wurden mittels einer telefonischen Befragung von 200 Panelteilnehmern zu wesentlichen Punkten bzgl. Formaten, Einsatzorten (ebenerdige/bodengleiche Terrassen, Loggien, Dachterrassen und Balkone) befragt.

Der Architekt spielt bei der Gestaltung mit Outdoorfliesen in der Regel keine Rolle. 3 cm Fliesen werden hauptsächlich über den Galabauer verlegt, während das 2 cm Material Domäne der Fliesenleger ist. Die Fliese spielt als Belagsmaterial beim Galabauer mit 22 % Einsatz aber nach wie vor eine untergeordnete Rolle.
Die detaillierte Studie ist den Mitgliedern der AG Fliese vorbehalten.

Referent Robin Weiher

„Nachhaltigkeit von keramischen Fliesen”

Ein äußerst interessanter Vortrag mit vielen Nachfragen aus dem Plenum war von Robin Weiher, Nachhaltigkeitsbeauftragter bei Ardex, zum Thema „Nachhaltigkeit von keramischen Fliesen“. Er stellte die rechtlichen und politischen Vorgaben an das CO2 reduzierte Bauen vor. Im Dialog mit dem Plenum konnte man feststellen, dass die Werte für viele doch sehr abstrakt sind.

Lebenszyklus, Rohstoffe, Anwendung und Verpackung eines Produktes sind die Ansatzpunkte, um seine Nachhaltigkeit zu beeinflussen. Nachhaltigkeit ist ein Vertrauensthema, Greenwashing wird zunehmend enttarnt.

„Fliese neu denken“

Aufgrund der Komplexität des Themas sieht Weiher auch hier die Zusammenarbeit zwischen Handel, Industrie und Handwerk und fundierte Beratung als notwendig an. Er stellte dar, dass die Fliesensysteme zunehmend nachhaltiger werden müssen, um den Marktanteil zu behaupten, wenn nicht gar auszubauen.

Umweltzeichen/-label, Selbstdeklaration und verifizierte Produktunterlagen geben Auskunft über die Nachhaltigkeit, so wie z.B. die EPD des BKF, die als Referenz für in Deutschland hergestellte Fliesen herangezogen werden kann. In den verifizierten EPDs sind sämtliche Umweltauswirkungen dargestellt.Weiher beendete seinen Vortrag mit der These, dass die Fliese dort steht, wo die Autoindustrie vor 20 Jahren stand. Sein Appell: „Fliese neu denken“.

Zum Abschluss referierte Michael Hölker zum Thema: „Regelstandard E: Erleichtertes Bauen“. Die wesentlichen Unterlagen dazu wurden in Zusammenarbeit mit Prof. Dipl. Ing. Dietmar Walberg der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen, Kiel, erstellt. Das Modell aus Schleswig-Holstein wird in Kürze in Bremen, Hamburg und Hessen übernommen werden. Das Konzept für die Definition des Regelstandards Erleichtertes Bauen geht davon aus, dass es nicht notwendig ist, geltende Normen und Mindestanforderungen für das Bauen von Wohnraum auszusetzen oder durch Objekt-scharf frei definierte Anforderungen zu ersetzen.

Für den sozialen Wohnungsbau bieten sich hier neue gesetzliche und vertragliche Möglichkeiten, Baukosten signifikant zu senken. Technische und ordnungsrechtliche Mindest-Standards und Ausstattungsmerkmale von Gebäuden können vertraglich abgestimmt werden. Die Fliese hat lediglich 5,6% an den Bauwerkskosten/qm Wohnfläche. Davon 65% Lohnanteil und 35% Materialanteil. Somit ist das Einsparpotential bei anderen Gewerken deutlich höher und so muss auch argumentiert werden.

Dank an Reinhard Fenski

Zum Abschluss der Sitzung galt der Dank Reinhard Fenski als „Motor“ der AG Fliese, dem Lenkungskreis sowie den Teilnehmenden und Referenten.
Eine insgesamt lebhafte Sitzung und intensiver Erfahrungsaustausch mit angeregten Pausengesprächen. Geprägt von der derzeitigen Marktsituation und den trüben Aussichten war viel Druck, aber auch Aufbruchstimmung zu verspüren.

Die Themen Nachhaltigkeit und Regelstandard E-Erleichtertes Bauen zeigten auf, dass permanente Innovation und ein Überdenken der Regelungswut Möglichkeiten bieten, den Fliesenmarkt positiv zu gestalten. Dazu ist intensive Zusammenarbeit von Industrie, Handel und Verlegern notwendig. Wie schwer das nach wie vor ist, zeigen die mühsamen Schritte bei der Kampagne #FaszinationFliese. Hier ist noch viel Offenheit für Zusammenarbeit und Durchhaltevermögen notwendig.

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