Italien aktuell: zwischen Hochwasser und Energiekrise
Infos zur Lage der italienischen Keramikindustrie auf dem Preview Cersaie 2023
Die Preview Cersaie 2023 liefert erste Zahlen: 15 Hallen mit 145.000 qm Ausstellungsfläche wurden von 624 Ausstellern bereits gebucht. Eine Messe, die nach den dramatischen Überschwemmungen in der gastgebenden Region Emilia Romagna Mitte Mai nur vier Monate später wieder einmal die Aufgabe eines Neustarts bereitstellen soll. 1200Grad war bei der Pressekonferenz dabei, unsere Italienkorrespondentin Alexandra Becker berichtet für Sie.
Mit der Preview Cersaie 2023 zeichnet sich der kommende Branchenevent für die Fliese des laufenden Jahres ab: Die Cersaie öffnet vom 25. bis 29. September 2023 zum 40. Mal ihre Tore und lädt die internationale Fachwelt nach Bologna ein. Die Messeorganisatoren der Messegesellschaft Fiera Bologna mit ihrem Vorsitzenden Gianpiero Calzolari stellte gemeinsam mit dem Unternehmerverband Confindustria Ceramica mit Präsident Giovanni Savorani und dem stellvertretenden Vorsitzenden Emilio Mussini, dem Bürgermeister von Bologna Matteo Lepore und Architekt Massimo Iosa Ghini unter der Moderation der Journalistin Giorgia Cardinaletti die 40. Internationale Ausstellung für keramische Fliesen und Badezimmerausstattung vor.
Cersaie 2023: 15 Hallen bereits gebucht
Markttrends, Oberflächengestaltung, Badezimmereinrichtungen, Design und Planung, keramische und verwandte Beläge im architektonischen Raum erwarten die Fachbesucher aus der ganzen Welt wie gewohnt auch 2023 im Messezentrum von Bologna. Die Fachschau wirbt mit einem Visual, das den Eingang zur Cersaie als Zugang in die Zukunft zeigt, an viele Orte und durch verschiedene Wissensebenen führt. Wenn der Besucher den Eingang zur Cersaie durchschreitet, findet er sich an einem multidisziplinären und multikulturellen Ort wieder, der die architektonischen Trends der kommenden Jahre in ihrem umfassendsten Sinn erzählt – so jedenfalls die Interpretation der Messe selber.
15 Hallen mit 145.000 qm Ausstellungsfläche wurden von 624 Ausstellern bereits gebucht, 40% davon kommen aus dem Ausland. 57% Ausstellungsfläche ist den keramischen Belägen gewidmet, 15% beziehen ich auf Badeinrichtung. Im vergangenen Jahr kamen 91.296 Besucher zur Cersaie nach Bologna und informierten sich auf rund 140.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche an den Ständen von 624 Ausstellern. (Weitere Informationen zur Cersaie 2022 finden Sie u.a. hier.)
Wie geht es den italienischen Fliesenherstellern?
Energiekrise, Rohstoffmangel, explosionsartig steigende Kosten: Giovanni Savorani, Vorsitzender des Unternehmerverbands Confindustria Ceramica hatte zum Jahresende 2022 von großen Schwierigkeiten trotz sehr guter Absatzlage gesprochen. (Erfahren Sie mehr hier auf 1200Grad.) Wie stellt sich die Situation der italienischen Hersteller heute dar, fragte 1200Grad? Bilden die Umsätze nach einem Rekordjahr bereits die rückläufige Auftragslage der Bauwirtschaft ab?
Giovanni Savorani blickt mit Besorgnis auf die aktuelle Lage und setzt für die Baukeramik „made in Italy“ auf die Cersaie. Denn die ersten Monaten des Jahres seien wie erwartet von einem Rückgang des Verkaufsvolumens von ca. 20-21% gekennzeichnet. Eine Abkühlung der Konjunktur sei weltweit spürbar, so Savorani. „In den deutschsprachigen Ländern ist die Angst vor Investitionen stark.“ Insbesondere in Amerika und in Deutschland zeigten sich bereits die Folgen der höheren Zinsen.
Überschwemmungen in der Region Emilia Romagna
Die Pressekonferenz war überschattet und bestimmt von der aktuellen Lage in der Gastgeberregion Emilia Romagna, die nach extremen Niederschlägen von schweren Überschwemmungen betroffen ist. Bei der Eröffnung der Pressekonferenz wurden unter anderem Bilder eines 4000 Quadratmeter großen Lagers gezeigt, das unter Wasser steht.
Eine Einschätzung der Ausmaße der Schäden bei den Herstellern sei nach Auskunft von Confindustria zur Zeit noch nicht möglich. Nur wenige Tage vor der Pressekonferenz hatte 1200Grad beim Verband nachgefragt, die Hersteller waren zu jenem Zeitpunkt nach eigenen Angaben nicht betroffen gewesen. Aktuell sei außer den Transportproblemen in der Region auch die eingeschränkte Mobilität der Arbeitnehmer schwierig, denn viele Mitarbeiter können ihren Arbeitsplatz nicht erreichen.
Der Bürgermeister von Bologna beschrieb die Schäden an der Infrastruktur als „Desaster, das man in diesem Ausmaß seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gesehen habe“. Nicht einmal das verheerende Erdbeben vor wenigen Jahren sei vergleichbar gewesen.
Besonders hart hat es Faenza getroffen, wo die Flutwelle aus Wasser und Schlamm nach Medienberichten eine Höhe von fast 6 m erreicht habe. Giovanni Savorani berichtete aus eigener Erfahrung aus Faenza, wo sich auch sein Unternehmen Gigacer befindet. Am 24.5. werde dort versucht, die Arbeit im Unternehmen wieder aufzunehmen, obwohl es zurzeit extrem schwierig sei. Manche Mitarbeiter könnten ihren Arbeitsplatz nicht einmal erreichen, da sie in ihren Wohnorten im Hügelland teilweise vollständig isoliert seien.
In einer Stadt mit 60.000 Einwohnern sind derzeit 12.000 Personen ohne Dach über dem Kopf verblieben und bei den „verschonten“ 48.000 Freunden und Verwandten untergebracht. Das Keramikmuseum in Faenza öffne seine Tore am 23.5.2023 bereits wieder für Besucher, das Gebäude sei verschont geblieben. Die Region berichtet auf der am 22.5.2023 zuletzt aktualisierten Internetseite von 14 Opfern, 23.000 Menschen, die ihre Häuser verlassen mussten, 1000 aktiven Erdrutschen und 622 teilweise oder vollständig gesperrten Straßen.
Weitere Informationen zur Messe gibt es hier: www.cersaie.it