Italienische Fliesenindustrie verliert 14 Prozent Umsatz

Im Jahr 2023 insgesamt 373 Millionen Quadratmeter Fliesen produziert

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Die italienische Fliesenindustrie legte mit der Pressekonferenz des Unternehmerverbands Confindustria Ceramica am 11. Juni 2024 die definitiven Zahlen und Fakten zum vorigen Geschäftsjahr auf den Tisch. Bislang lagen diese nur als Schätzungen zum Jahresende vor und hatten sich bereits als stark negativ abgezeichnet. Nach Jahren mit starker Nachfrage nach den keramischen Belägen Made in Italy verzeichnete der italienische Fliesenverband zuletzt mit großer Beunruhigung einen Einbruch der Nachfrage auf allen Märkten. 1200Grad berichtete bereits hier zum Jahresende 2023.

Pressekonferenz italienische Fliesenindustrie
Von links:Armando Cafiero, Generaldirektor der Confindustria Ceramica, Giovanni Savorani und Augusto Ciarocchi, der neue Präsident des Verbandes. Foto: Confindustria Ceramica

Damit ist Anlass genug für einen Blick auf die Lage der italienischen Keramikindustrie gegeben, sowohl in Bezug auf die Produktionsdynamik als auch auf die Absatzmärkte. Mit Spannung blickt nicht nur die italienische Welt der Fliesen auf die Strategien, mit denen der Verband die Geschicke der italienischen Keramikunternehmen durch komplexe Zeiten und ein schwieriges geopolitisches Umfeld zu lenken gedenkt.

Drei Hersteller stellten Produktion ein

Zum 44. Mal wurde die italienische Statistik zu den keramischen Fliesen vorgestellt. 125 Unternehmen produzieren in Italien mit einer Belegschaft von 18.432 Mitarbeitern Fliesen in allen Farben und Formen. Damit blieben im Vergleich zum Vorjahr drei Hersteller und 207 Mitarbeiter auf der Strecke.

Wie erwartet sind alle Parameter stark negativ im Vergleich zum Vorjahr. Zum Jahresende 2022 hatte sich bereits eine Trendwende abgezeichnet. Mit Minus 14,1 % mussten die italienischen Fliesenhersteller bei einem Umsatz von 6,2 Milliarden Euro einen Verlust im zweistelligen Bereich im Vergleich zu 2022 verschmerzen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass sich hier noch die Preiserhöhungen durch Energiekrise und Rohstoffmangel abbilden.  Nach Menge ging der Verkauf mit 369,2 Millionen Quadratmetern insgesamt sogar um 17,8% zurück.

Auch im Export Abwärtstrend

82% ihres Umsatzes erzielt die italienische Fliesenindustrie mit Exporten in die ganze Welt. Da war die Situation nicht besser: Nach Menge gingen bei 284,8 Millionen ins Ausland verkauften keramischen Belägen 20,1% verloren. Dies entspricht einem Verlust nach Wert von 15,4% bei einem Auslandsumsatz von 5 Milliarden Euro. Im eigenen Land verloren die Hersteller -8,9 % verkaufte Quadratmeter und setzten hier 1,1 Milliarden Euro um.

Beachtlich bleibt die Investitionsneigung der italienischen Hersteller, die im Vergleich zum Vorjahr sogar um 7,4% angestiegen sind. 2023 wurden 474 Millionen Euro investiert, was einem Umsatzanteil von 7,7% entspricht.

Italienische Fliesenindustrie – welche Strategie?

Der Verband arbeitet aktuell daran, dass die Keramikbranche in das Investitionsprogramm „Transizione 5.0“ für die Unterstützung des digitalen und energetischen Transformationsprozesses eingeschlossen wird. Das Programm wurde im März 2024 von der italienischen Regierung auf den Weg gebracht. Allerdings wird die Keramikindustrie aktuell als Produktionsbereich ausgeschlossen, der in den Anwendungsbereich des europäischen Emission Trading Systems (ETS) fallen.

“Der Ausschluss gerade unserer Unternehmen von den Transition 5.0-Anreizen”, so der ausscheidende Präsident Giovanni Savorani, “entbehrt jeder logischen Begründung; er verwehrt gerade denjenigen Unternehmen den Zugang zur Energiewende und zum digitalen Wandel, die mehr für die Dekarbonisierung ihrer Prozesse tun müssen und die bereits die zusätzlichen Kosten des ETS-Mechanismus zu tragen haben.“

Energie gefährdet Wettbewerbsfähigkeit

Giovanni Savorani erklärte dazu: „Energie ist ein besonders kritischer Faktor für unsere Wettbewerbsfähigkeit. Die aktuellen Preise für Wärmeenergie bestätigen die Notwendigkeit der Gasfreigabe. Dazu fehlen nach wie vor  Durchführungsbestimmungen als strukturelle Maßnahme für die nationale Energiesicherheit.”

Dramatisch ist der ETS-Mechanismus. Für die italienische Keramikindustrie – deren Standorte 10 % der Gesamtzahl mit 1 % der Emissionen ausmachen – ist das System völlig unfähig, einen echten Weg der Dekarbonisierung zu fördern. Die CO2-Notierungen beruhen auf Finanzspekulationen, bei denen eine technologische Alternative zu Erdgas “eingepreist” wird. Diese existiert heute nicht, weil es keine alternativen grünen Brennstoffe gibt oder die Kosten 3-4 Mal höher sind. Der ETS-Mechanismus sieht für die europäischen Unternehmen mit dem größten Risiko einer Standortverlagerung die Möglichkeit vor, die durch das System verursachten höheren Stromkosten teilweise auszugleichen. Von dieser Maßnahme war die keramische Industrie von der derzeitigen Europäischen Kommission ausgeschlossen.

Neuer Präsident gewählt

Im Anschluss an die Pressekonferenz wurde in der Vollversammlung von Confindustria Ceramica der neue Präsident gewählt. 1200Grad hatte hier bereits im Vorfeld über den Führungswechsel berichtet. Augusto Ciarocchi folgt nach zweifacher und damit maximaler Amtszeit auf Giovanni Savorani. Damit steht jetzt für den Zeitraum 2024-2026 zum ersten Mal ein Mann aus dem Bereich Sanitärkeramik an der Spitze der italienischen Keramikindustrie.

Zahlen zur Sanitärkeramik

29 Hersteller haben sich auf Sanitärkeramik spezialisiert, von denen 26 im Industriecluster im mittelitalienischen Civita Castellana (Viterbo) sitzen.  2.560 Beschäftigte in der Branche produzieren jährlich 3 Millionen Sanitärobjekte, mit denen ein Umsatz von 350 Millionen Euro erzielt wird. Mit 140 Millionen Euro liegt der Exportanteil bei ca. 40 %.

Der Verband Confindustria Ceramica vertritt Unternehmen, die in der Herstellung von Fliesen und Platten, Sanitärkeramik, Porzellan und Tafelgeschirr, feuerfesten Materialien, technischer Keramik und Ziegeln tätig sind. Die  insgesamt  252 Unternehmen der Branche in Italien erwirtschaften mit 26.211 Beschäftigten einen Umsatz von mehr als 7,5 Milliarden Euro. Dazu kommt die Produktion in Europa und Nordamerika durch Unternehmen, die von der italienischen Keramikindustrie kontrolliert werden und einen Umsatz von fast einer Milliarde Euro erreicht.

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