Der gefährliche Flirt der Fliesenbranche mit Holz und Vinyl

Anpassung oder Identitätsverlust?

Da staunten die Fachjournalisten nicht schlecht, als sie auf der spanischen Fliesenfachmesse Cevisama von einem Hersteller bei der Besichtigung der Neuheiten zu einer etwas versteckten Rückseite des Standes geführt wurden und vom Firmenvertreter Vinyl präsentiert bekamen. Vinyl! Von einem Fliesenhersteller!

Da stellt man sich die Frage WARUM in Gottes Namen machen die das? Die Antwort lautet dann lapidar „der Markt verlangt danach“.

Klar, mit der Antwort lässt sich so ziemlich alles erklären. Auch im Fliesenhandel finden sich immer mehr Ausstellungsflächen, in denen Holz- und Vinyl präsentiert werden. Ich weiß schon: „Der Markt verlangt halt danach.“

Gut, wir sind ja inzwischen in der Fliesenbranche einiges gewohnt. Dass Fliesenhersteller Natursteine imitieren oder Holz nachmachen ist nicht neu. Bei den keramischen Holzimitaten schlugen einige Gestalter und Planer auch entsetzt die Hände über den Köpfen zusammen, aber der Erfolg der Holzimitationen gab den Fliesenherstellern Recht.

Bei ihrem Flirt mit Vinyl und Holz selber befindet sich Branche aber in meinen Augen auf einem gefährlichen Holzweg. Gerade Vinyl kann mit keramischen Böden in keinerlei Hinsicht mithalten, ist weniger umweltfreundlich, nicht so strapazierfähig und im Design bei weitem nicht so vielfältig und überzeugend wie Keramik. Nur die Verlegekosten sind geringer, mit wenig Geschick lässt sich der „Plastikboden“ sogar selber verlegen.

Mit dem einfachen Trick, ihre Vinylböden mal kurzerhand in „Designboden“ umzubenennen, gelang der Vinylbranche aber ein Husarenstück in Sachen Marketing. Seitdem erlebt Vinyl geradezu einen Boom. Das unterstreicht ein Blick auf die Marktdaten: Seit 2018 ist ein Rückgang im Gesamtmarkt für Bodenbeläge zu verzeichnen. Der Umsatz sank um 1,1 % auf 7,97 Milliarden Euro. Besonders betroffen war Laminat mit einem Minus von 7,3 % und Fliesenbeläge, deren Umsätze sich fast halbierten, während elastische Bodenbeläge, insbesondere Vinyl, um 7,5 % zulegten.

Diese Verschiebung zugunsten von Vinyl stellt die Fliesenbranche vor Herausforderungen. Dass einige Fliesenhersteller nun selbst Vinylprodukte anbieten ist beunruhigend und ein klarer Identitätsverlust für die Fliese. Wie kann man Wein predigen und Wasser trinken, sprich Keramik anpreisen und dann die Konkurrenz verkaufen?

Es ist essenziell, dass die Fliesenbranche ihre Stärken besser betont und sich nicht dem Druck des Marktes beugt, indem sie auf Konkurrenzprodukte setzt. Vor allem muss sie die Vorteile der Keramik besser vermarkten, mehr Emotionen beim Bauherren und Renovierer erzeugen. Stattdessen wird in der Fliesenbranche nach wie vor vorrangig über Preise, Margen, Produktionstechniken und Lieferzeiten diskutiert.

Ein weiteres Beispiel für den Trend der Fliesenbranche Richtung Holz und Vinyl ist der Prospekt eines Fliesenfachhändlers, der uns vor kurzen in die Hände fiel. Dort ist das preiswerteste Keramikangebot eine V&B Fliese für sage und schreibe 6,95 Euro! Es folgt eine türkische Fliesenserie für 14,95 Euro. Das teuerste Produkt bei dieser Werbung ist aber Haro-Parkett für 35,65 Euro!

Noch Fragen?

 

 

 

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