„Früher kannte man seine Konkurrenz…“
Die Redaktion 1200Grad hat sich exklusiv mit Ulrich Nagel, Vertriebsleiter Westeuropa beim Fliesenhersteller Rako (einer Tochtergesellschaft der österreichischen Lasselsberger Gruppe), über die derzeitige Situation des Fliesenmarktes in Europa und die Entwicklung der Firma Rako unterahlten.
Herr Nagel, Sie sind seit zwölf Jahren als Vertriebsleiter Westeuropa für Rako zuständig. Wie bewerten Sie die aktuelle Entwicklung Ihres Unternehmens?
Unsere neue Anlage in Rakovnik für kalibrierte Wandfliesen in den Formaten 30×60 cm und 30×90 cm läuft seit einem Jahr, aktuell wurde vor wenigen Monaten unser neues Logistik-Zentrum in Betrieb genommen und damit wird 2018 auch ausreichend Lagerfläche für die Produktion einer neuen Anlage für Bodenfliesen bis 1,20 Meter Kantenlänge in unserem Werk Chlumčany vorhanden sein. Wir investieren alleine mit diesen Projekten in Tschechien über 50 Millionen Euro. Man kann also durchaus von einer sehr positiven Entwicklung sprechen.
Der Bauboom in Deutschland sorgt zurzeit für Aufwind. Wieviel davon spüren Sie bei Rako?
Der Bauboom richtet sich vor allem gezielt auf Objekt- und verdichteten Wohnungsbau. Davon profitieren wir mit den Produkten unserer Marke Rako, insbesondere in dem Bereich Rako-Objekt.
Rako ist einer der größten Fliesenproduzenten Europas. Die Branche hat auf dem Kontinent stürmische Zeiten hinter sich. Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Situation?
Der Branche geht es momentan besser, da in Europa mehr gebaut wird. Gleichzeitig haben wir aber mit Überproduktionen zu kämpfen und mit globalem Handel. Früher kannte man seine Konkurrenz, heute weiß man oft nicht mehr, woher eine Fliese kommt.
Sie betonen gerne, dass Rako „im Objekt zuhause ist“. Da ist nicht nur der Wettbewerb groß, sondern auch der Zeitdruck. Ein schwieriges Terrain?
Ich würde sagen, eher ein hartes Terrain. Im reinen Objektbau ist der Preis- und Zeitdruck außerordentlich hoch.
Die Zielgruppe der Architekten ist dabei von großer Bedeutung. Wie lässt sie sich erreichen und überzeugen?
Das angebotene Produktportfolio muss stimmig sein. Weiterhin durch gute Beratung und entsprechendes Informationsmaterial. Die persönlichen Gespräche mit unseren Architektenberatern sind ganz wichtig, ebenso wie ansprechende Kataloge und Architekten-Ordner. Ausschreibungsunterlagen stehen im Internet für jeden bereit.
Wie wird sich Rako künftig positionieren?
Wir bleiben bei unserer grundsätzlichen Positionierung. In Zukunft werden weitere Großformate unser Programm abrunden. Schwerpunkt-Märkte bleiben, neben dem Heimmarkt in Tschechien, auch weiterhin Deutschland und Österreich. Ausbauen werden wir unsere Aktivitäten in den Niederlanden, in Skandinavien und Frankreich.
Wie kann man der wachsenden Konkurrenz durch alternative Bodenbeläge entgegentreten?
Indem man die Vorteile von Fliesen, also zum Beispiel Robustheit, Langlebigkeit und gute Vereinbarkeit mit Fußbodenheizungen, immer wieder unterstreicht. Derzeit imitiert jeder jeden. Ganz gleich, ob Holz, Naturstein oder Beton, jede Optik ist für jede Belagsart möglich. Aktuelle Prognosen gehen allerdings davon aus, dass der Fliesenabsatz stabil bleibt, während Vinyl-Böden zulegen und Laminat zurückgehen soll.
Moderne Produktionstechniken sorgen für immer mehr Freiheit beim Fliesendesign, trotzdem hat man seit Jahren den Eindruck von immer mehr Gleichheit! Gibt es Ansätze von Veränderungen?
Sagen wir es mal so: Es gibt Verfeinerungen. Die Oberflächen werden, haptisch wie optisch, immer perfekter. Das ist der modernen Inkjet-Technik zu verdanken. Auf der anderen Seite ist es schade, dass die früher typische Handschrift der einzelnen Fliesenhersteller immer mehr verwischt. Bei den Farbstellungen für Bodenfliesen gibt es seit Jahren fast ausschließlich schwarz, grau und beige. Beim Design kommt man um die großen Trends wie Holz, Beton und Naturstein nicht herum. Das wird momentan vom Markt gefordert und dementsprechend von den Herstellern angeboten. Einen grundsätzlich neuen Trend sehe ich momentan nicht.


