Fliesen-Zentrum: Richtig investiert zur falschen Zeit

Exklusiv-Interview mit Lucas Friedrich, Mitglied der Geschäftsleitung beim Fliesen-Zentrum

Anfang November 2024 stellte das Fliesen-Zentrum überraschend ein Insolvenzantragsverfahren. Mit Lucas Friedrich, Mitglied der Geschäftsleitung beim Fliesen-Zentrum, haben wir uns in Föhren zur Ausrichtung des Handelsunternehmens für die kommenden Jahre unterhalten.

Für viele in der Fliesenbranche kam die Meldung von Ihrem Insolvenzantragsverfahren überraschend, aber die Probleme hatten sich ja schon vor einiger Zeit angedeutet, oder?

Wir mussten diesen Weg beschreiten um in der Lage zu sein, die Firma nachhaltig zu sanieren. Die kommenden Jahre werden nicht einfacher, daher werden wir die Firma für diesen schwierigen Markt ausrichten. Nach der abgeschlossenen Sanierung werden wir als Familie die langfristige Finanzierung sicherstellen und als Unternehmen auch in Zukunft ein verlässlicher Arbeitgeber, sowie Partner für unsere Kunden und Lieferanten zu sein.

Die kommenden Jahre werden nicht einfacher, daher werden wir die Firma für diesen schwierigen Markt ausrichten.

Wie haben Ihre Kunden und Lieferanten auf die Meldung zum Insolvenzantragsverfahren reagiert?

Konkrete Erwartungen auf die Reaktionen hatte ich keine. Jedoch hätte ich nicht damit gerechnet so viel positiven Zuspruch zu erfahren. Dafür sind wir sehr dankbar, dass uns so viele langjährige Kunden und Lieferanten unterstützen. Auch hat mich die Reaktion unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beeindruckt, die zum Unternehmen halten und dieses aus der Krise führen wollen.

Blick in das moderne Hochregal-Lager.
Blick in das moderne Hochregal-Lager.

Sie haben mit einem neuen SAP-System und der neuen Niederlassung in Föhren massiv investiert. Könnte man sagen „richtig investiert zur falschen Zeit“?

Diese beiden Projekte waren unumgänglich, um das Fliesen-Zentrum zukunftsfähig zu machen. Bei lang angesetzten Projekten wie diesen kann man nicht vorausahnen, ob die Zeit immer noch richtig ist, wenn man damit an den Start geht. Die Entscheidung der Familie war es, die guten Jahre zu nutzen, um die operative Effizienz zu steigern, sowie die Qualität unseres Services zu verbessern.

Die Entscheidung der Familie war es, die guten Jahre zu nutzen, um die operative Effizienz zu steigern, sowie die Qualität unseres Services zu verbessern.

SAP 4 Hana ist die neuste Software im Großhandel und gibt uns als Firma ganz andere Möglichkeiten. Zudem lässt sie uns viel besser die technischen Neuerungen, die in Zeiten von KI (Künstlicher Intelligenz) in immer schnellerem Tempo kommen, problemlos zu adaptieren. Den Herausforderungen des größer gewordenen Unternehmens, war in dem 50 Jahre alten Standort Kenn nicht mehr Rechnung zu tragen.

Strom für die Gabelstapler produziert man selber.
Strom für die Gabelstapler produziert man selber.

Können Sie noch mal skizzieren, welche Vorteile die neue Niederlassung in Föhren bietet und was Sie dort auf die Beine gestellt haben?

Der eigentliche Mehrwert besteht in der verbesserten Logistik und Lagerung: Wir kommissionieren das meiste nun zentral und können somit die Liefergeschwindigkeit signifikant erhöhen, die Lagerbestände optimieren, sowie die Bruch- und Fehlerquote minimieren. Darüber hinaus haben wir unsere Logistik umgestellt, mit der wir nun jede Niederlassung mehrmals die Woche direkt beliefern.

Blick auf die neue Zentrale des Unternehmens in Föhren nahe Trier.
Blick auf die neue Zentrale des Unternehmens in Föhren nahe Trier.
Im Büroeingang hängt ein großer Bildschirm, der tagesaktuell die Energieeinsparungen des modernen Gebäude grafisch dokumentiert.
Im Büroeingang hängt ein großer Bildschirm, der tagesaktuell die Energieeinsparungen des modernen Gebäude grafisch dokumentiert.

Mit unserem Standort Föhren haben wir eine Zentrale der Zukunft erbaut. Wir sind Energieautark über eine Solaranlage auf dem Zentrallager, welches eine Batterie speist, die den täglichen Energiebedarf liefert. Über die eigene Energie werden auch alle Wärmepumpen bedient, sowie die Ladesäulen für Stapler, Mitarbeiter Fahrzeuge, sowie E-Auto Ladesäulen für Kunden.

Mit unserem Standort Föhren haben wir eine Zentrale der Zukunft erbaut.

Würden Sie sagen, dass sich die Krise der deutschen Fliesenbranche, die ja schon in der Industrie hohe Wellen geschlagen hat, nun auch im Handel angekommen ist?

Wir befinden uns als Branche in einer turbulenten Zeit – und dies seit mehreren Jahren. Als Händler musste man sehr agil arbeiten, um auf Änderungen der wirtschaftlichen Großwetterlage zu reagieren. Dieses Jahr sind unsere Sonderfaktoren eine besondere Belastung. Da ich Betriebswirt – und kein Volkswirt – bin, kann ich nicht abschätzen, wie sich der Markt weiter entwickeln wird. Deswegen ist unser Fokus, das Fliesen-Zentrum für alle eventuellen Marktentwicklungen aufzustellen. Das Unternehmen hat mit seinen Standorten und seinem motivierten Team, ein sehr solides Fundament. Wir können uns auch auf unsere langjährigen Partnerschaften mit unseren Kunden und Lieferanten verlassen.

Wir befinden uns als Branche in einer turbulenten Zeit – und dies seit mehreren Jahren.

Wie beurteilen Sie Ihre Chancen und Aussichten, aus dem Insolvenzantragsverfahren gestärkt in eine neue Zukunft blicken zu können?

Wir werden dieses Verfahren nutzen, um das Fliesen-Zentrum agiler aufzustellen und für einen, wie wir es annehmen, in den nächsten 1-3 Jahren sehr schwierigen Markt ausrichten. Wir sind sehr zuversichtlich, aus diesem Verfahren stärker hervorzukommen, sodass wir auf alle Markteventualitäten vorbereitet sind. Die Familie steht nach wie vor hinter dem Unternehmen und ist von den Möglichkeiten überzeugt.

Die Aussichten in der Branche sind weiterhin nicht rosig. Was muss ein moderner Fliesenhändler in Zukunft besonders gut machen um überleben zu können?

Wir bereiten uns weiterhin auf schwierige Zeiten vor, haben allerdings die Möglichkeit durch unsere Infrastruktur in einem zukünftig wachsenden Markt wieder problemlos zu skalieren. Unser Alleinstellungsmerkmal ist es, eine Breite an Produkten anbieten zu können, denn wir sehen uns als Gesamtlösungsanbieter. Mit unseren starken Marken; Princess Ceramic Project, Princess Ceramic Living, Trevi (Bauchemie), CWX (Werkzeug), Wallstories (Tapeten, Akustik- und Wandpaneele), sowie Boscon (alternative Bodenkonzepte) sind wir in der Lage mit selbst ausgesuchten und hochwertigen Produkten, deutschlandweit jeden Bedarf zu decken.

Wir sehen uns als Gesamtlösungsanbieter

Sie haben mit CeraConcept ein neues Konzept auf die Beine gestellt, mit dem Sie sich nicht nur verbal ein Stück von der Fliesenbranche absetzen wollen, sondern Ihr Angebot auch auf andere Produktbereiche, wie Laminat, Holz und sogar Tapeten und Möbel, ausgeweitet haben. Können Sie uns die Ideen dahinter noch etwas ausführlicher erläutern bitte?

Mit CeraConcept bieten wir in unseren eigenen Ausstellungen den Kunden mehr als unsere bisherige Kernkompetenz Fliesen. Wir präsentieren unseren Kunden zusätzliche Interior Design Beläge für Wand und Boden. Dieses Konzept sieht die Fliese als einen von mehreren Interior Belägen und veranschaulicht welche Möglichkeiten es mit und in Kombination mit Keramik gibt. Wir bieten unseren Kunden die Möglichkeit ihre kompletten Bedarfe für Wand und Bodenbelägen in den CeraConcept Ausstellungen auszuwählen.

Neue CeraConcept Ausstellung direkt neben dem Bürokomplex.

Sie setzen sowohl bei Fliesen, als auch im Zubehörbereich massiv auf Eigenmarken. Können Sie uns Ihr Eigenmarkenkonzept noch etwas näher erläutern?

Unsere Princess Ceramic ist mittlerweile mehr als nur eine Eigenmarke. In den vergangenen Jahren haben wir diese auf die Ebene einer Handelsmarke ausgebaut. Wir nutzen die Kompetenz unserer Europäischen Partner, um ein Portfolio aus Designs zur bestmöglichen Qualität zusammenzustellen. Dadurch können wir den optimalen Preis, bei gleichzeitiger effektiver Lagerung, anbieten.

Eigenmarke aus dem Zubehörbereich.
Eigenmarke aus dem Zubehörbereich.

Sie lassen bei den Fliesenherstellern auch Serien nach eigenen Designideen entwerfen?

Richtig, allerdings wissen wir auch, dass wir Händler sind. Somit überlassen wir das eigentliche Entwerfen der Designs den Profis und stimmen mit diesen Produktionen ab.

Sie haben bei Ihrer neuen Niederlassung auch moderne Logistikkonzepte eingeführt und eine autarke Energieversorgung. Welche Vorteile bringt das Ihnen – und Ihren Kunden?

Blick in die eigene Musterabteilung.
Blick in die eigene Musterabteilung.

Mit dem Zentrallager können wir unsere Lieferzeit drastisch reduzieren und dabei die Qualität hochhalten. Zudem können wir auch Streckenaufträge direkt auf die Baustellen deutschlandweit anliefern. Die Energieversorgung war uns wichtig, da wir so unabhängig sind und alles nachhaltig produzieren. Somit sind wir auch zukünftigen Anforderungen gerecht und leisten unseren Beitrag als Firma die Emissionen zu reduzieren.

Mit dem Zentrallager können wir unsere Lieferzeit drastisch reduzieren und dabei die Qualität hochhalten.

In Ihrer Ausstellung in Föhren verfolgen Sie auch eine eigene Philosophie, wie Sie die Produkte modern und animativ präsentieren wollen. Ist das die Fliesen-Ausstellung der Zukunft?

Mit der neuen großzügigen Ausstellung ist unsere Vision, einen neuen Weg zu gehen, um der Keramik als Zukunftsbelag gerecht zu werden. Ziel ist es, unseren Kunden die Möglichkeit zu geben innerhalb unseres Ökosystems die ganze Bandbreite an Innenausbaumaterialien zu präsentieren. Die Keramik ist ein so beeindruckendes Material und wir wollen mit dieser Ausstellung zeigen, in wie vielfältigen Anwendungsarten man ein einzigartiges Konzept in seinem Heim, in jeder Preisklasse, kreieren. Wir wollen neben dem  Standard auch zeigen, wie man die verschiedenen Materialien, welche aufeinander abgestimmt sind, perfekt einsetzen kann.

Background Familie Friedrich

Als gewachsenes Familienunternehmen in der fünften Generation gilt das Fliesen-Zentrum als einer der größten Handelsplayer im deutschen Fliesenhandel. Die Familie Friedrich ist seit über 125 Jahren erfolgreich im Handelsgeschäft tätig, seit 1974 mit der Fliesen-Zentrum Deutschland GmbH. In fünfter Generation wird das Unternehmen aktuell von Johannes und Lucas Friedrich geführt.

Lucas Friedrich

– 28 Jahre alt , aus Trier
– im Unternehmen aufgewachsen und ab 2015 in der Ausstellung an Samstagen gelernt zu beraten
– Schulabschluss in Luxembourg, danach vier Jahre in London studiert mit Master an dem University College London in Entrepreneurship
– im Unternehmen seit 2020
– die 5. Generation

Johannes Friedrich

– 1963 aus Trier
– Jurist
– hat die Expansion des Unternehmens in den Osten vorangetrieben und zum deutschlandweiten Großhändler ausgebaut
– führt das Unternehmen seit 1987

Die lichte und moderne Ausstellung.
Die lichte und moderne Ausstellung.
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