Das Badezimmer wird grün, smart und multifunktional

Interview mit Jens J. Wischmann, Geschäftsführer der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft e.V. (VDS) und Mitinitiator der Trendplattform „Pop up my Bathroom“

Was bewegt die Sanitärbranche in dieser von Widersprüchen geprägten aktuellen Lage? Wirtschaftseinbruch auf der einen, Renovationswelle auf der anderen Seite, soziale Verarmung versus wachsende Social Media-Kultur, herausgeputzte Wohnungen, in denen außer Video-Besuchern keine Gäste erwartet werden: was macht das mit dem Badezimmer? Jens J. Wischmann, Geschäftsführer der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft e.V. (VDS) und Mitinitiator der Trendplattform „Pop up my Bathroom“, beschreibt die drei wichtigsten Trends in der Badgestaltung, äußert sich zur Sanierungswelle bei privaten Bädern vor dem Hintergrund der digital durchgeführte Branchemesse ISH 2021.

Herr Wischmann, wie sehen Sie die aktuelle wirtschaftliche Situation für die Sanitärbranche?

Die Wohnung ist aus naheliegenden Gründen derzeit der Dreh- und Angelpunkt unseres Lebens. Auch wenn das Thema Wohnen schon vor der Pandemie wichtig war, hat es nun noch einmal an Bedeutung gewonnen: Die Menschen investieren in ihre Wohnung, renovieren, heimwerken, richten sich schön ein. Die Popularität des Themas sorgt auch für eine wachsende Attraktivität des Badezimmers. Es wird zunehmend als vollwertiger Aufenthaltsraum wahrgenommen mit den entsprechenden Ansprüchen an ästhetische Gestaltung und Ausstattungskomfort. Die hohe Bedeutung des Wohnumfelds für die Lebensqualität ist im privaten Bereich sicherlich ein Treiber für die gute bis sehr gute wirtschaftliche Lage der Sanitärbranche in Deutschland. Das Badezimmer wird zum Rückzugsort innerhalb der eigenen vier Wände und erfährt durch eine hochwertigere Ausstattung eine enorme Aufwertung. Wenn Homeoffice und Homeschooling nerven: In vielen modernen Wohnungen ist das Badezimmer oft der einzige Raum, hinter dem man die Tür zumachen kann.

In vielen modernen Wohnungen ist das Badezimmer oft der einzige Raum, hinter dem man die Tür zumachen kann.

Auf der anderen Seite muss die Branche doch auch Einschränkungen kompensieren, oder?

Angesichts der sehr guten Marktvoraussetzungen bestehen die Herausforderungen für das Handwerk vor allem in der dünnen Personaldecke, die wenig Reserven erlaubt, und zwar schon deshalb, weil wir seit Jahren ein Nachwuchsproblem haben. Natürlich sind diejenigen Unternehmen, die stark exportorientiert sind, auch ganz unmittelbar durch die globalen Folgen der Pandemie für die Wirtschaft betroffen, bislang aber erst mit einem überschaubaren Umsatzrückgang. Die ISH 2021 wäre vom Timing also genau richtig gewesen und hätte in dieser Phase der Pandemie neue Impulse gegeben.

Mit „Pop up my Bathroom“ benennen Sie die relevanten Badezimmertrends. Wieviel ist denn überhaupt in Sachen Trend in den letzten zwei Jahren passiert?

Natürlich wollen wir auch aktuelle stilistische Trends abbilden und Neuheiten promoten, aber unser vorrangiges Ziel ist es immer gewesen, längerfristige Entwicklungen frühzeitig zu identifizieren und herauszustellen. Und ja, in den letzten zwei Jahren ist viel passiert. Wir leben in spannenden Zeiten, und die Sanitärunternehmen sind gefordert, auf gesellschaftliche Veränderungen und Rahmenbedingungen Antworten zu geben, zum Beispiel in Form von neuen Produkten und Konzepten. Hier wollen wir Impulse setzen und den Fokus auf wichtige Entwicklungen im Badezimmer zu lenken. Dabei greifen viele Trends auch ineinander. Ein Ergebnis daraus ist zum Beispiel das „Private Spa“, ein wichtiger Trend, den wir bereits vor zwölf Jahren zur ISH 2009 analysiert, benannt und kommuniziert haben.

Aktuell sehen wir drei Badtrends und zwei Trendtreiber. Green Bathroom, Smart Bathroom und Living Bathroom…

Wie schätzen Sie bei denn die aktuelle Trendentwicklung ein, und welche Botschaften haben Sie für die Branche und die Öffentlichkeit?

Foto: Behrendt und Rausch

Aktuell sehen wir drei Badtrends und zwei Trendtreiber. Green Bathroom, Smart Bathroom und Living Bathroom beschreiben die Entwicklungen, die das Design und die künftige Badgestaltung bestimmen, weil Konsumenten erstens umweltbewusst und wertorientiert investieren wollen. Zweitens setzt smarte Technologie neue Standards bei Hygiene, Komfort und Erlebnischarakter, und drittens stellen Menschen höhere Ansprüche an die Aufenthaltsqualität und Nutzungsmöglichkeiten des Bades als entspannendes Private Spa und Ort der Gesundheitspflege. Während der Trend zum Living Bathroom durch die allgemeine Pandemie-Erfahrung und die dadurch bedingte allgemeine Aufwertung des Wohnens nochmals an Bedeutung gewinnt, sind mit dem wachsenden Hygienebewusstsein und dem Sanierungsstau bei Privatbädern und (halb-)öffentlichen Sanitäranlagen zwei Treiber zu nennen, die branchenspezifisch sind und die Marktanteile zugunsten der jeweiligen Produktsegmente beeinflussen dürften. Da warten viele alte Bäder auf eine Wiederbelebung. Und natürlich spielt auch die Pandemie in das Thema Badezimmer hinein und sensibilisiert die Menschen in Sachen Hygiene.

Zur letzten ISH 2019 hat das Trendforum „Pop up my Bathroom“ die Branche für das aufkommende Thema einer mutigeren Farbgebung zu gewinnen versucht. Welches Motto haben Sie sich dieses Jahr auf die Fahnen geschrieben?

Wir greifen eine Entwicklung auf, die sowohl für das Handwerk als auch für die Konsumenten interessant ist und hier speziell für die sanierungswilligen Bauherren. Diese Entwicklung ist eigentlich nicht neu, sondern hat sich in den letzten Jahren eher unauffällig in den Vordergrund gearbeitet und nimmt inzwischen großen Einfluss auf das Layout von Bädern und das Produktdesign: Zunehmend gehen Produkte „vor der Wand“ mit Produkten „hinter der Wand“ eine Symbiose ein. Wir nennen es „Inside / Outside“. Unter diesem Motto werden wir auch die drei Bad-Trends inszenieren. Denn das Thema zeigt, wie eng hier Design und Handwerk, Wohnkultur und Technik Hand in Hand gehen.

Zunehmend gehen Produkte „vor der Wand“ mit Produkten „hinter der Wand“ eine Symbiose ein. Wir nennen es „Inside / Outside“

Das Thema Sanierung scheint für den deutschsprachigen Raum ein wichtiges Thema zu sein, Sie sprechen sogar von einer Sanierungswelle?

Auf den Immobilienmarkt kommt in den nächsten Jahren eine lange Welle von Sanierungen zu. Dabei steht in Deutschland die Erneuerung des Bades an erster Stelle der geplanten Sanierungsmaßnahmen. Unsere eigene Befragung hat ergeben, dass 16,7 Millionen Bundesbürger zeitnah in ihr Bad zu investieren wollen. 6,2 Millionen planen sogar eine Generalüberholung. Zudem wirkt die Pandemie wie ein Katalysator: Das Zuhause wird immer wichtiger. Vor diesem Hintergrund sind auch etliche Neuheiten zu sehen, die zur Vereinfachung der Badsanierung beitragen.

Welche Motivation haben Besitzer von Eigentumswohnungen oder Häusern bei der Sanierung von Badezimmern?

Bauherren, die fast 20 Jahre lang kaum Kapital ins eigene Bad investiert haben, profitieren nun von der enormen technologischen Entwicklung der Sanitärprodukte in den letzten Jahren. Mit einer Sanierung schließen diese Objekte daher nicht nur an den modernen Standard einer vom Lifestyle geprägten Bad-Architektur an, sondern kommen auch in den Genuss innovativer Badprodukte, wie etwa eines Dusch-WCs oder einer großzügigen bodenebenen Dusche. Der damit erzielte konkrete Mehrwert kann durchaus zu einer Wertsteigerung der Immobilie beitragen.

Bei vermieteten Immobilien wird im Badezimmer häufig nur das Notwendigste saniert.

Die VDS fordert einen neuen Umgang mit stark veralteten Badezimmern seitens der Entscheidungsträger, Wohnungsbaugesellschaften und Eigentümer. Wie meinen Sie das?

Bei vermieteten Immobilien wird im Badezimmer häufig nur das Notwendigste saniert. Oft scheuen die Eigentümer die Investitionskosten oder mögliche Mietausfälle. Dabei zahlt eine Bad-Sanierung wie keine andere Modernisierungsmaßnahme in den Werterhalt einer Immobilie ein.

Aber nicht nur in privaten Bädern müsste mal saniert werden. Eltern von Schülern wird es freuen, dass sich VDS auch für die Modernisierung von Toiletten in Bildungseinrichtungen einsetzt.

Der Gang auf die Toilette und das anschließende Händewaschen gehört zum Grundbedürfnis des Menschen, dem wir in unserem hoch entwickelten Industrieland mehr Rechnung tragen sollten. Die Verhältnisse in deutschen Schulen, Kindergärten und Universitäten sind zum Teil katastrophal. Hier ist ein Richtungswechsel durch die Verantwortlichen unbedingt notwendig.

Foto: SKS

Ein Beitrag unseres Redaktions-Partners https://steinkeramiksanitaer.de

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