argelith: Erfolgreich in der Nische
Hersteller aus Bad Essen hat sich mit Industriefliesen weltweit einen Namen gemacht
Argelith hat sich mit der Herstellung von überstarken Industriefliesen in den vergangenen Jahrzehnten einen Namen gemacht. Mit diesen keramischen Sonderprodukten hat das Familienunternehmen aus Bad Essen eine Nische gefunden, in der man auch die stürmischen Zeiten der letzten fünf Jahre vergleichsweise gut überstanden hat. Nun blickt argelith mit einem Team bewährter Leistungsträger und neu dazugekommenen Kräften mit frischen Ideen motiviert nach vorne.
Eva Bitter, die neue geschäftsführende Gesellschafterin des Unternehmens, hatte allerdings keinen leichten Start, als sie vor zweieinhalb Jahren in den elterlichen Betrieb kam. Die ehemalige Profi-Reiterin, die die Leitung des Unternehmens 2021 offiziell von ihrem Vater Heinrich übernommen hat, musste sich gleich mit den massiven Auswirkungen der Coronakrise auseinandersetzen.
Niemand wusste, ob und wie es in Bad Essen weitergehen würde. „Wir mussten die Produktion zeitweise einstellen und unsere alten Tunnelöfen abfeuern. Es gab keine Messen mehr, alle Investitionen wurden ausgesetzt.“ Auch für argelith war das eine schwere Zeit. Noch mehr wurde der kleine Betrieb mit 143 Mitarbeitern von der anschließenden Energiekrise durchgeschüttelt.
Aber: Während einige große Fliesenhersteller in Deutschland den Gang zum Insolvenzverwalter antreten mussten, konnte sich argelith auf „seine Nische“ verlassen. Eine Nische, in der Feinsteinzeugfliesen des vergleichsweise kleinen Unternehmens erste Wahl sind, wenn es um den Bodenbelag für Industriebetriebe aller Größenordnungen geht. Von der Mikrobraurei im Schwarzwald über internationale Supermarktketten, die Werkstattbereiche vieler namhafter Automobilhersteller bis zum milchverarbeitenden Giganten in Fernost: Die Produkte des Unternehmens sind extrem belastbar, resistent gegen Säuren und Laugen, abriebfest und machen in jeder anspruchsvollen Umgebung über Jahrzehnte eine gute Figur.
Fliesen für Aldi und Edeka
Ob Werkstattfliesen, Ausstellungsfliesen, Sechseckfliesen (Hexalith-) oder Wandfliesen – argelith Keramik war und ist für Planer, Objekteure und auch private Bauherren ein Synonym für langlebige Fliesenlösungen. So wurden zum Beispiel viele Jahre lang für die Aldi-Supermärkte Bodenfliesen gefertigt. Edeka, Norma und die Fressnapf-Gruppe gehören heute weltweit einziger zu den Kunden.
Argelith hat sich als weltweit einziger Hersteller ausschließlich auf diese Einsatzbereiche spezialisiert und stellt mit überstarken Fliesen in 12 bis 18 mm Stärke die richtige Grundlage für einen robusten Industriebodenbelag. Sonderfarben und Formteile wie Hohlkehlen, Treppenauftritte, Sockelplatten sowie Innen- und Außenecken gehören ebenso zum Programm – was heute für viele Fliesenproduzenten nicht mehr selbstverständlich ist.
Das Unternehmen kann dabei auf eine lange Tradition zurückblicken. Am Standort Bad Essen im Osnabrücker Land werden seit 1870 keramische Produkte gefertigt. Die Errichtung des Hoffmannschen Ringofens legte den Grundstein für die von Anfang an erfolgreiche Keramikproduktion. Im Laufe der Jahrzehnte wurde der Produktionsstandort kontinuierlich optimiert und erweitert. Das ist nicht zuletzt Heinrich Bitter zu verdanken. Der Vater von Eva Bitter hat als engagierter Inhaber das Sortiment seit den 1960er Jahren durch den Bau neuer Tunnelöfen und eines kompletten Feinsteinzeugwerkes 2001 inklusive eigener Aufbereitung und zwei Rollenöfen im Jahr 2000 stetig vergrößert.
Im Bereich der Industriefliesen zählt argelith schon seit Jahrzehnten zu den anerkannten Spezialisten. Diese Spezialisierung schließt eine breite Produktpalette jedoch keinesfalls aus. So war man immer bestrebt, die Anforderungen der Kunden mit neuen Produkten bestmöglich zu erfüllen. Ob Vollklinkerplatten ab 16 mm Stärke (1965), Spezialklinkerplatten für Industrieböden mit guten technischen Werten (1969), neue Farbgebungen durch neue Brennverfahren (1973 und 1988), robustes Feinsteinzeug (2001), das designorientierte dekortec (2009) oder nicht zuletzt die sechseckige Hexalith-Fliese – all dies sind nur einige Produkte, die argelith im Laufe der Jahre für höchste Ansprüche entwickelt hat. Aktuell ist man stolz darauf, für Liebhaber der Argelith-Vollklinkerplatte endlich die ursprüngliche, natürliche Farbe des rotbrennenden Wehrendorfer Tons beim technisch überlegenen Feinsteinzeug hinbekommen zu haben.
Verlegung im Rüttelverfahren
Die Rohstoffe stammen zum Teil aus eigenen Vorkommen sowie aus dem Westerwald, Norwegen und der Türkei. Die technischen Eigenschaften der Produkte ermöglichen die Verlegung im traditionellen Rüttelverfahren. Eine wirksame Verlegemethode, um breite Fugen zu vermeiden. Bei herkömmlichen Verlegearten sind Fugen von 6-10 mm Realität, die relativ große Oberfläche der Fuge ist anfälliger für säure- oder laugenhaltige Reinigungsmittel und wird schnell ausgewaschen. Die Verlegung im Rüttelverfahren verringert die Fugenbreite auf ca. 2-2,5 mm. Dies sorgt zum einen für einen resistenteren Boden, zum anderen aber auch für eine bessere Ästhetik des Fliesenbodens, da der prozentuale Anteil der Fliese auf einem Quadratmeter bei 96 % liegt und es zu einem besseren Gesamtbild des Bodens kommt.
Begeisterung für Keramik
Bei unserem Besuch führt uns Eva Bitter durch die Produktion. Man merkt ihr gleich an, dass ihr die Begeisterung für die Keramik quasi vom Elternhaus mit in die Wiege gelegt wurde. Dafür hat die ehemalige Springreiterin, die zwischen 2003 und 2014 sechs deutsche Meistertitel bei den Amazonen gewann, sogar ihre Liebe zum Reitsport zurückgestellt. Als wir an dem 2020 abgefeuerten Tunnelofen vorbeikommen, wird sie fast ein wenig wehmütig: „Es wäre so toll, wenn wir den noch mal in Betrieb nehmen könnten.“ Doch schon seit Anfang der 2000er Jahre erledigt moderne Produktionstechnik aus Italien die Jobs von Mischen, Pressen, Brennen bei erheblich verringertem spezifischem CO2 Ausstoß. Dafür wurden damals rund 20 Mio. Euro eingesetzt und in den vergangenen 25 Jahren konsequent in die Erhaltung, Optimierung und Erweiterung der Produktionsanlagen investiert. Heute und im kommenden Jahr liegt der Fokus auf der Erweiterung der Sechseck-Produktion Hexalith und natürlich ständig auf sämtlichen Technologien in Richtung Energieeinsparung.
So wie sich argelith in der Produktion modern aufgestellt hat, wollen Eva Bitter und ihr Team auch im Bereich Marketing und Vertrieb neue Akzente setzen. „Wir haben versucht, genau zu analysieren, wo unsere Stärken und Schwächen liegen“, so Eva Bitter weiter. Bei Vertrieb und Handel sowie Marktansprache ist argelith dabei schon immer eigene Wege gegangen. Das klassische Handelsgeschäft spielt für das Unternehmen eine eher untergeordnete Rolle. Der Großteil der Ware läuft im Direktvertrieb über Investoren und Verleger. In den DACH-Ländern und Polen wird aber auch vermehrt über Handelskunden verkauft.
Keine klassischen Bau-Messen
Das klassische Messegeschäft steht bei argelith nicht im Vordergrund. Wir sehen uns nicht als Vorreiter in Sachen Design und aktueller Trends, deshalb sind die klassischen Baumessen für uns nicht der richtige Weg“, so Eva Bitter weiter. Dafür ist das Unternehmen auf den wichtigsten Zielmessen seiner Hauptkundengruppen zu sehen, wie z.B. auf der Brau oder Anuga.
Vielmehr legt man in Bad Essen großen Wert auf Qualität, Langlebigkeit – und auch Flexibilität. Sonderdesigns oder Farben sind mit Hilfe des Digitaldrucks auch in kleinen Auflagengrößen ab 3.000 qm möglich.
Zudem will man in Zukunft bei der Ansprache der Zielgruppen einen noch aktiveren Part einnehmen, um den langjährigen Verlegepartnern den bestmöglichen Service zu bieten. Dafür wurde das argelith-Team auch personell erweitert. So kam z.B. mit Dr. Annette Seidenberg, die früher der Firma wedi angehörte, eine Marketingleiterin aus der Branche nach Bad Essen.
Während einige Grobkeramiker in den vergangenen Jahren das Handtuch werfen mussten, fühlt sich Argelith mit seiner modernen Produktionstechnik und seinen Spezialprodukten für die Automobil- und Lebensmittelbranche weiterhin recht wohl in dieser Nische. „Die Nische ist auch ein Stück weit unser Glück“, resümiert Eva Bitter. „Meine Eltern haben sich etwas gedacht bei der Spezialisierung auf dieses nicht leicht herzustellende Produkt. Und weil das argelith-Team seit vielen Jahren im wahrsten Sinne des Wortes für Präzision brennt, schauen wir mutig und motiviert in die Zukunft.“ Gute Voraussetzungen für weiterhin erfolgreiche Geschäfte.
Video-Interview mit Eva Bitter, Geschäftsführerin argelith: