
Architektur und Stadtentwicklung – zwischen Konvention und Vision
25. Brillux Architektenforum in Berlin mit 550 Teilnehmern
Unsere Video-News zu diesem Thema:
Zum 25. Architektenforum hatte Brillux Ende Mai erneut nach Berlin eingeladen, um in der Stadt mit lebhafter Gegenwart und bewegter Vergangenheit Zukunftsfragen zum Thema Planen und Bauen von Morgen zu diskutieren. Der denkmalgeschützte Gasometer auf dem EUREF-Campus war Location und zugleich Gegenstand der Jubiläumsveranstaltung, die mit rund 550 Teilnehmern eine überwältigende Resonanz bei Planern und Architekten gefunden hatte. Neun fachkundig geführte Architekturexkursionen boten Einblicke in architektonisch eindrucksvolle Gebäude und Stadtentwicklungsprojekte rund um Berlin.
Die Architektenforen von Brillux haben sich über die Zeit als anerkannte Dialogplattformen bei Planern und Architekten etabliert. Ein- bis zweimal im Jahr bieten sie in wechselnden Städten anregende Architekturdebatten zu aktuellen wie brisanten Themen und Herausforderungen. Ergänzt werden die Foren von Thementouren, die den Teilnehmerinnen und Teilnehmern exklusive Einblicke in architektonisch eindrucksvolle Gebäude- und Stadtentwicklungsprojekte ermöglichen.
So auch bei der Jubiläumsveranstaltung, bei der sich – unter der Moderation von Burkhard Fröhlich, ehemaliger Chefredakteur der Deutschen Bauzeitschrift – die Referenten einer neuen Architektengeneration mit den architektonischen Herausforderungen im Kontext von Klimawandel und Umwelt, gesellschaftlicher Strukturveränderung sowie sozialer Wohnqualität und Mobilität auseinandersetzten.
Raum für Zukunftsvisionen
In der transparenten Kuppel des denkmalgeschützten Gasometers hatte die Jubiläumsveranstaltung nicht nur eine Location, sondern zugleich eine Zukunftsplattform gefunden: „Der Berliner Gasometer ist nicht nur seit der Talkshow von Günther Jauch ein stadtbekanntes Wahrzeichen. Er ist auch ein Symbol und Impulsgeber, dass Energiewende mach- und finanzierbar ist“, erzählt Reinhard Müller, Vorstandsvorsitzender der EUREF AG sowie selbst Architekt und Stadtentwickler, der in Düsseldorf einen weiteren grünen Campus mit dem Forschungsschwerpunkt „Mobilität der Zukunft“ und der originalen Gasometer-Kuppel aus Berlin plant.
Als international gefragter Keynote-Speaker führte der Münchner Soziologe Prof. Dr. Armin Nassehi, wie schon beim Architektenforum 2012 in Berlin, unterhaltsam und fundiert in die Zukunftsthematik ein. Er richtete den Blick auf das Phänomen Zukunft, für die wir – so Nassehi – planen und bauen, ohne sie zu kennen: „Zukunft ist stets eine Funktion der Gegenwart. Insofern kann Zukunft nie beginnen, obwohl sie stets begonnen werden muss. Gerade deshalb muss sie gestaltet werden.“ Amüsant beschrieb er die Paradoxie der Architektur, die darin besteht, dass das Entworfene und Geplante prinzipiell tatsächlich gebaut wird und Architektur damit Spuren hinterlässt. „Der Architekt bleibt so, ob er will oder nicht, ein Garant von Stabilität und Fortschritt“, so Nassehi.
Effizienz und Schönheit
Wie Gebäude und Bauen der Zukunft effizienter und dennoch schön gestaltet werden können, war das Thema von Jan Musikowski (RICHTER MUSIKOWSKI, Berlin). Ein spannendes und extrem ergiebiges Projekt dazu ist das von dem jungen Berliner Architekturatelier geplante und realisierte „Futurium – Haus der Zukunft“ in Berlin. Eindrucksvoll beschrieb Musikowski die Prozesse, mit denen sie sich bei der digitalen Gebäude-, Raum-, Tragwerks- und Lichtplanung auseinandersetzen mussten: Mit seiner Frage „Wie sieht digitale Denkmalpflege aus?“, verdeutlichte er aber auch, dass solche Gebäude ganz neue Zukunftsaufgaben und Herausforderungen mit sich bringen: „Wir brauchen Hausmeister der Zukunft.“
Das Regionale, Unaufgeregte ist es, was den jungen Münchner Architekten Max Otto Zitzelsberger interessiert – eine Architektur, die Bestandteil unserer Alltagskultur ist, sich gleichzeitig aber auch abhebt. Auch wenn er mittlerweile den Gedanken, „Alltagsarchitektur“ zu realisieren, wieder verworfen habe, mache er doch mit seinen kleinen, aber auch feinen Projekten, wie einer Bushaltestelle, einem kleinen Turm aus der Biedermeierzeit oder einem alten Heustadel deutlich, dass in seinen Entwürfen eine gewisse Unentschiedenheit zwischen „Konvention und Vision“ steckt: „Zu schonen und bewahren, um daraus Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen, kann durchaus fortschrittlich sein. Technischer Fortschritt ist nicht die Lösung all unserer Probleme“, so Zitzelsberger, der etwa mit seiner Bushaltestelle einen Gegenentwurf zur „großen gestalterischen Leere unserer Städte“, setzen will, wie er es bezeichnet.
Architektur muss Geschichten erzählen
Wolfram Putz, GRAFT-Gründungspartner, behandelte unter dem Titel „Die Jugend hat Heimweh nach der Zukunft“ (Jean Paul Satre) die neuen Anforderungen an unsere Städte und wie diese unsere Wahrnehmung urbaner Phänomene beeinflussen werden. Souverän erzählte er die „GRAFT-Home-Story“ und machte deutlich, wie in dem mittlerweile international tätigen Büro mit Niederlassungen in Los Angeles, Berlin und Peking gedacht wird. „Den Blick zu weiten und unterschiedliche Kulturen in den Blick zu nehmen ist für alle wichtig – für uns als Architekten besonders“, so Wolfram Putz, der dazu entsprechend kulturell differenzierte Projekte des Büros parat hatte. „Wir versuchen in unseren Entwürfen persönliche Geschichten umzusetzen, denen oft lange Gespräche mit Bauherren bzw. Nutzern vorausgehen.“ Zukunft ohne Herkunft gibt es für Wolfram Putz in der Architektur nicht: „In einer Stadt wie Berlin sind wir in der Lage, nicht auf der einen oder anderen Seite stehen zu müssen.“ Neugierde, Verwirrung und Mut sind für das Büro GRAFT die drei Schritte, an neue innovative Projekte heranzugehen.