Künstliche Intelligenz in der Keramikbranche

Zwischen Designinnovation, Produktionsoptimierung und Kundenbindung

Die Keramikindustrie steht am Beginn eines tiefgreifenden Wandels. Künstliche Intelligenz (KI) hat sich von einem abstrakten Zukunftsversprechen zu einem konkret einsetzbaren Werkzeug entwickelt – mit greifbaren Vorteilen für Design, Produktion und Vertrieb. Das ITC – Instituto de Tecnología Cerámica hat gemeinsam mit Unternehmen wie Kerajet und Porcelanosa untersucht, welche Potenziale Künstliche Intelligenz in der Keramikindustrie bietet. Der kürzlich vom Projekt Think-Tank vorgestellte Bericht gibt einen praxisnahen Überblick über aktuelle KI-Anwendungen und zeigt, wie Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette profitieren können.

Design neu gedacht: Unikate im Großformat dank KI

Die Nachfrage nach keramischen Großformaten (z. B. 3,2 × 1,6 m) wächst stetig – insbesondere bei naturgetreuen Nachbildungen von Stein, Holz oder Beton. Doch bisher war es extrem aufwendig, Designdaten in solch hoher Auflösung und Variabilität bereitzustellen. Die KI-gestützten Tools wie AI Texture Generator von Polycam ermöglichen heute die automatische Generierung hochaufgelöster, variantenreicher Texturen – in Serie und auf Wunsch als Unikate. Damit eröffnen sich für Designer und Hersteller völlig neue Spielräume, auch im Customizing.

Realistische Raumvisualisierung – direkt beim Kunden

Eines der größten Hemmnisse bei der Kaufentscheidung im Showroom oder Onlinehandel ist die mangelnde Vorstellungskraft des Kunden. Visualisierungstools wie Roomvo und Tilesview nutzen KI, um reale Kundenfotos zu analysieren und keramische Beläge nahtlos in Wände, Böden und Arbeitsplatten einzufügen. Mittels neuronaler Netze erkennen die Tools automatisch Raumgeometrie, Lichtverhältnisse und Perspektive – und erzeugen binnen Sekunden ein fotorealistisches Ergebnis.

Für Händler und Handwerker eröffnen sich dadurch neue Wege zur Kundenbindung, Beratung und Differenzierung – sei es am POS, mobil oder online.

Produktionsplanung in Echtzeit: Effizient trotz Vielfalt

Die Keramikproduktion kennt heute eine nie dagewesene Variantenvielfalt. Gleichzeitig wächst der Druck, kleine Losgrößen schnell und flexibel zu fertigen. Klassische Planungstools stoßen hier an ihre Grenzen. KI-basierte Systeme – wie Foreplanner oder Lösungen von Blueyonder – analysieren Verkaufsprognosen, Maschinenverfügbarkeit und logistische Vorgaben in Echtzeit. Das Ergebnis: optimierte Produktionsreihenfolgen, weniger Rüstzeiten, geringerer Ausschuss und termingerechte Lieferungen.

Gerade für mittelständische Hersteller ergibt sich hier enormes Potenzial zur Effizienzsteigerung bei gleichzeitiger Reduktion von Ressourcenverbrauch und Kosten.

Bild von Csaba Nagy/ Pixabay

Qualitätskontrolle mit Augenmaß – und Algorithmus

Defekte und Unregelmäßigkeiten in keramischen Produkten sind oft visuell erkennbar – aber nicht immer eindeutig. KI-gestützte Inspektionssysteme (z. B. von Biyectiva) analysieren hochauflösende Kameradaten in Echtzeit und erkennen kleinste Abweichungen – bei gleichzeitiger Lernfähigkeit. Die Systeme passen sich laufend an neue Dekore, Lichtverhältnisse und Fehlerbilder an.

Branchenexperten wie Rafael Vicent (Kerjet) oder Jorge Fabregat (Porcelanosa) sind sich einig: Die KI ergänzt den Menschen, ersetzt ihn aber nicht – sie verschafft ihm nur bessere Entscheidungsgrundlagen.

Predictive Maintenance: Ausfallzeiten vermeiden, bevor sie entstehen

Ein weiteres spannendes Anwendungsfeld ist die zustandsbasierte Wartung. Systeme wie IMAnalytics von GMM überwachen kontinuierlich den Zustand von Anlagen (z. B. Ventilatoren in Öfen) anhand von Vibrationsdaten, Temperatur oder Stromverbrauch. Die KI erkennt Muster und warnt frühzeitig vor mechanischen oder elektrischen Problemen – lange bevor ein Ausfall droht. Dank Edge Computing geschieht dies direkt am Gerät, was schnelle Reaktionen ermöglicht.

Fazit: Chancen für alle Marktakteure

Ob Designer, Fliesenleger, Handelsunternehmen oder Produzenten – KI bietet jedem Glied der Wertschöpfungskette neue Chancen:

  • Hersteller profitieren von effizienter Produktion und vorausschauender Wartung.
  • Händler können Kunden durch immersive Visualisierungstools emotional erreichen.
  • Handwerker erhalten Werkzeuge zur besseren Kundenberatung und Fehlervermeidung.

Der Einstieg in KI muss nicht revolutionär sein – aber er sollte zeitnah erfolgen. Denn wer jetzt investiert, sichert sich einen Vorsprung in einem zunehmend wettbewerbsintensiven Markt.

Foto: Gerd Altmann/
Pixabay
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