Die Cevisama stirbt nicht allein

Ein persönlicher Abschied von einer Messe, die mehr als nur Geschäft war

Vicent Arrandis, CEO der Kanzlei für Arbeitsrecht Laborea Abogados in Castellón, reflektiert über die plötzliche Änderung des Formats der wichtigsten Keramikmesse Spaniens. Arrandis ist Rechtsanwalt, Sozialwissenschaftler, Rechtsprofessor, Autor zahlreicher Publikationen, regelmäßiger Referent und Berater mehrerer Unternehmen. Der Beitrag ist vor kurzem in der Zeitung „El Periódico del Azulejo“ erschienen.

Als Kind begleitete ich meinen Vater und meine Onkel jedes Jahr zur Cevisama. Es war das große Fest unserer Keramikfamilie. An Ständen, die wie aus einer anderen Welt wirkten, machte meine Familie Geschäfte mit Unternehmen wie Saloni, Euroazul oder Diago – Namen, die heute verschwunden oder in Vergessenheit geraten sind. Und mit Start-ups wie Pamesa, die einst mehr Fehler als Erfolge vorzuweisen hatten.

Ich hingegen sammelte Kugelschreiber und Taschen von den Ständen, naschte überall Sandwiches. Am Sonntag zogen wir uns schick an – denn zur Messe zu gehen war mehr als eine Pflicht. Es war ein Ritual. Es war Teil unseres Lebens. Es war Identität.

Vicent Arrandis
Vicent Arrandis

Ich bin ein Kind der Babyboomer-Generation. Heute sehe ich mit einem Herzen voller Erinnerungen, wie das, was uns geprägt hat, leise verschwindet. Doch es ist nicht nur meine Geschichte. In vielen Familien in Castellón war Cevisama Teil des kollektiven Gedächtnisses. Ein Moment der Zusammengehörigkeit. Ein Symbol des Stolzes.

Wochenlang drehte sich bei uns zu Hause alles um die Messe. Sie war ein emotionaler Treffpunkt, der weit über das Geschäft hinausging. Es wird keine Cevisama-Besuche mehr geben. Keine Spaziergänge an der Hand meines Vaters. Kein Kaffeetrinken mehr mit ausländischem Akzent in den Hotellobbys von Castellón.

Heute lesen wir, dass die Messe an Bedeutung verliert, dass sie verschwindet, dass sie sich neu erfinden will. Doch lassen wir uns nicht täuschen: Es stirbt nicht nur die Cevisama. Es stirbt eine Art, eine Branche zu leben. Es stirbt eine Vorstellung von Gemeinschaft. Es stirbt ein Castellón, das daran glaubte, dass Handwerk auch Würde bedeutet.

Meine Generation, aufgewachsen zwischen Öfen, Messeständen und dem Geruch von Steinzeug, wusste, was Cevisama war: keine Ausgabe, sondern eine emotionale Investition. Es ging nicht nur ums Verkaufen. Es ging darum, der Welt zu zeigen, wer wir sind. Es ging um Stolz. Um Seele.

Heute sagt man uns, dass private Showrooms effizienter seien. Dass man segmentieren, optimieren und rentabel wirtschaften müsse. Sicher. Aber wie erklären wir den Kindern von heute, was uns einst verband? Wie entsteht Gemeinschaft ohne Rituale, Zugehörigkeit ohne Erinnerung?

Cevisama ist nicht wegen der Pandemie verschwunden. Auch nicht wegen der Kosten. Sie ist verschwunden, weil wir aufgehört haben, an uns zu glauben. Wir haben Rentabilität mit Wert verwechselt. Wir haben vergessen, dass sich die Bedeutung einer Branche nicht nur im EBITDA zeigt – sondern auch in ihrer lebendigen Kultur.

Was hinterlassen wir den nächsten Generationen? Was haben wir wirklich gelernt? Und wie verhindern wir, dass Castellón zu einem seelenlosen Industriegebiet wird?

Wenn mir mein Vater eines beigebracht hat, dann, dass Keramik mehr ist als ein Produkt. Sie war Leben. Sie war Stolz. Sie war ein Grund, gemeinsam zur Messe zu gehen – mit offenem Herzen.

Heute müssen wir uns neu erfinden. Ja. Aber wir dürfen nicht vergessen, wer wir waren. Und was uns Cevisama gelehrt hat: Dass das Fundament einer Branche oft das ist, was man nicht sieht – Emotion, Gemeinschaft und Stolz.

Lassen wir das nicht auch verschwinden. Denn eine Branche ohne Symbole hat keine Geschichte. Und ohne Geschichte gibt es keine Zukunft.

„Quod periit, periit.“ – Was vergangen ist, ist vergangen. Aber nicht vergessen.

 

 

 

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