Cersaie 2019: Treffpunkt statt Neuheiten-Show
Weniger Innovationen und Trends in Bologna
Die Cersaie 2019 ist vorbei. Was bleibt ist die Erkenntnis, dass die Cersaie bei weitem keine Trend-Messe mehr ist. Im Gegensatz zu früheren Veranstaltungen beschränken sich die Aussteller vorrangig auf Programm-Ergänzungen und Abrundungen des Sortiments.
Messefazit Cersaie 2019 als Video:
https://youtu.be/BhcE0esA1R4
Das ist sicherlich auf der einen Seite der Kostenstruktur geschuldet – neue Produkte kosten viel Geld in der Entwicklung und vor allem in der Markteinführung – aber auch der Tatsache, dass der Handel eigentlich ebenfalls ganz froh ist, wenn er nicht schon wieder die neuen Produkte des Vorjahres aus den Schränken reißen muss. Angesichts der Tatsache, dass der durchschnittliche Bauherr ohnehin nur statistisch alle 22 Jahre sein Bad renoviert und neu fliest, erscheinen dem Ausstellungsbesucher ohnehin alle Fliesenserien beim Handel als Neuheit.
Insofern ist es durchaus verständlich, wenn auch Branchengrößen wie die Deutsche Steinzeug sich dieses Jahr bei Innovationen bewusst zurückgehalten haben. Stattdessen propagierte man eine Tile Box, in der diverse Formate und Fliesenserien in Farbfamilien geordnet für das Beratungsgespräch angeboten werden und die Kombinationsfreude von Planern und Bauherren beflügeln sollen.
Auch bei Villeroy Boch beschränkte man sich auf eine halbes Dutzend neue Serien. Die Mettlacher bewiesen dabei eindrucksvoll, dass weniger manchmal mehr ist. Sie finden einen gelungenen Mix aus massentauglichen Serien und Keramikkreationen, die auch gestalterisch ein Statement setzen. Das ist mutig, denn knallige und bunte Floralmotive machen am Messestand natürlich eine gute Figur und beweisen sich als Eyecatcher, sind aber in den den Kojen beim Handel beratungsintensiv. Dennoch sollte man sich als Hersteller aus unserer Sicht auch mal etwas trauen, um nicht nur Mitläufer im Markt zu sein.
Diesen Gedanken hat man bei Boizenburg mit einer Fliese, die mit richtigem Moos beklebt wird, sicherlich auf die Spitze getrieben. Was zunächst als Messestand-Dekoration aussah, entpuppte sich beim Gespräch mit den Boizenburg-Verantwortlichen in der Tat als reale Neuheit, um eine Keramikfliesenwand aufzupeppen. Man darf gespannt sein, ob diese ausgefallene Ideen ein Erfolg wird. Die Resonanz des Handels war nach Angaben von Boizenburg auf der Messe durchaus positiv.
Da gab sich Messe-Wiederkehrer Ströher deutlich dezenter mit seinen Neuheiten. Dennoch fühlten sich die Dillenburger am neuen Standort in Halle 25 spürbar wohl. Die gut besuchte Halle platzte vor allem am zweiten Messetag fast aus allen Nähten und bescherte auch dem Ströher Stand zahlreiche Besucher.
Dem langjährigen Cersaie Fachbesucher erscheint die reduzierte Neuheitenflut fast ein bisschen fremd. Aber angesichts der Tatsache, dass Begriffe wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz in der aktuellen Diskussion von Politik und Gesellschaft zunehmend an Bedeutung gewinnen, sollte sich auch die Fliesenbranche ernsthaft mit der Frage beschäftigen, ob man wirklich jedes Jahr neue Ressourcen und auch Geld in Neuheiten stecken muss, die im Folgejahr schon wieder in der Versenkung verschwinden.
Umso erstaunter blickte man als Besucher auf die großen, nein riesigen Platten an den Außenwände der Stände vornehmlich italienischer Hersteller. Sicher: Die keramischen Giganten in ausgefallenen Natursteinimitationen sind auf den ersten Blick beeindruckend und dokumentieren technisches Know How und auch die Machbarkeit im Produktionsprozess. Aber es stellt sich die Frage, wer solche Großformate wirklich verarbeiten kann und will. In Deutschland sind dies nur eine Handvoll Händler und Verarbeiter, die solche Keramik-Riesen lagern, liefern und verarbeiten können.
Beim Gang über die Stände der Zubehör-Industrie registriert man schon etwas mehr Innovationsfreude als bei manchen Keramikern. Vor allem das Thema LED-Technik hat es Dural, Schlüter Systems und alferpro angetan.
Auch wenn die Messe ihren Status als Neuheiten-Show ein wenig eingebüßt hat, bleibt sie für die Branche in unseren Augen ein Pflichttermin, vor allem für das internationale Export-Geschäft. Auf Nachfrage bescheinigten uns mehrere Hersteller, dass der deutsche Handel nach wie vor seinen Weg nach Bologna findet. Und so ist die Cersaie auch ein Treffpunkt für Kollegen, Kunden und Marktpartner, auf den man nicht verzichten möchte. Egal wieviele oder wie wenige Neuheiten auf der Cersaie locken.
Unser ausführliche Messeberichterstattung zu den einzelnen Herstellern folgt in den nächsten Tagen. Auf unserer facebook-Seite finden Sie zudem zahlreiche Videos von unseren Standbesuchen in Bologna.
Messe-Impressionen im Video: