1200Grad Exklusiv-Interview mit Tom Wolf

Der neue Eigner der Deutschen Steinzeug über Energiepreise, den Markt und die Zukunft der Fliesenindustrie

Was hat Sie gerade dazu veranlasst, in gleich mehrere deutsche Fliesenhersteller zu investieren? Sie hätten Ihr Geld ja auch in die KI stecken können, das wäre doch sicher weniger riskant gewesen, oder?

Der weltweite Trend geht in die Schaffung von dezentraler Produktion und Jobs. Dazu werden immer mehr Zollmauern zwischen den Märkten hochgezogen. Beim Kauf von indischen Fliesen zahlt der Kunde in den USA 400 % Einfuhrzoll und bei chinesischen Fliesen gibt es solche Zölle seit vielen Jahren. Der globale Warenaustausch ist unter Druck damit auch Deutschland als einer der größten Exportnationen. Deutschland ist der weitaus größte Absatzmarkt in der EU und besitzt hochwertige Rohstoffe, wie z.B. Tonvorkommen für die Produktion von bester Keramik. Wir verbrauchen im DACH-Markt 120 Millionen Quadratmeter Fliesen pro Jahr. Damit liegt die Nachfrage über eine Milliarde Euro p.a.

Der DACH-Markt könnte bis 2030 auf über 150 Millionen Quadratmeter p.a. wachsen und bis zu 30 % oder 45 Millionen Quadratmeter aus heimischer Produktion bedient werden. Derzeit liegt der Anteil unter 15 Millionen Quadratmeter.

Das große Marktpotential liegt in den Produkteigenschaften der Keramik, die in der heißen und kalten Jahreszeit für das beste Wohlbefinden sorgt. Hier benötigt es nur eine innovative Marketingstrategie, um den Schatz zu heben.

Der DACH-Markt könnte bis 2030 auf über 150 Millionen Quadratmeter p.a. wachsen und bis zu 30 % oder 45 Millionen Quadratmeter aus heimischer Produktion bedient werden.

Welche strategischen Überlegungen stehen hinter dem Kauf der Produktionsstätten und Marken in Deutschland? Wie lassen sich Synergien zwischen den Marken herstellen?

Die Strategie hierbei ist es als Vollsortimenter eine One Stop Shop Lösung für Architekten, Handwerk Bauherren und Handel anzubieten. Dabei geht es um alle Formate, Designs und Stärken hergestellt als Steingut oder Steinzeug für Gebäude, für Außenanlagen, Fassaden und Schwimmbäder. Der Schwerpunkt liegt auf Service, Qualität, Liefergenauigkeit und Marke. Der Kunde sucht ganzheitliche Design Lösungen.

Die Fliesenindustrie ist sehr energieintensiv. Wie beurteilen Sie die aktuellen Herausforderungen in Bezug auf die Energiepreise und -versorgung, speziell in Deutschland?

In Deutschland verfügen wir schon jetzt, wenn die Sonne scheint, über mehr Energie als wir benötigen und arbeiten jetzt an Gesetzen zur Abschaltung der Energieerzeugung aufgrund Überlastung der Netze. Dazu haben wir uns in Deutschland dem Pariser Abkommen angeschlossen, die Erderwärmung 2050, also in 26 Jahren, zu stoppen. Das wird nur gelingen, wenn wir neben den privaten Haushalten auch die energieintensive Industrie von Gas auf Elektro umrüsten und über Speicher die Sonnenenergie lagern und dann 24 Stunden an sieben Tagen in der Produktion einsetzen. Hier eignet sich die Keramikindustrie wie keine andere Industrie den Anfang zu machen und das Net Zero Ziel zu erreichen.

Ihre Pläne zur Einführung neuer Technologien, wie Solar oder Wasserstoff, werden von einigen Fachleuten kritisch beurteilt? Viele sehen kurzfristig keine technische Umsetzbarkeit, Fliesen mithilfe von Solar, Windenergie bzw. Wasserstoff zu produzieren. Sie sehen das aber als Kernpunkt, um die Unternehmen wieder wettbewerbsfähig zu machen.

Die Transformation in erneuerbare und hier vorwiegend Solarenergie im Süden und Windenergie im Norden ist ein Kernpunkt unserer Strategie. Hier arbeiten die Meta Wolf Solar Experten intensiv an einer Industrielösung. Unser Ziel ist es mit Solar und Wind die Energiekosten pro qm-Fliese auf unter ein Euro zu reduzieren. Hier benötigen wir den Schulterschluss mit der Politik bei den Durchleitgebühren von Strom, der Umrüstung der Öfen und der Installation von Speichersystemen.

Die Transformation in erneuerbare und hier vorwiegend Solarenergie im Süden und Windenergie im Norden ist ein Kernpunkt unserer Strategie.

Wie schätzen Sie die aktuelle Marktlage und die Wettbewerbslandschaft in der deutschen Fliesenindustrie ein?

Der deutsche Markt für Fliesen wird derzeit zu über 90 % von ausländischen Herstellern bedient. Die Lieferung erfolgt über den Handel an das Handwerk zu den Bauherren. Direktlieferungen erfolgen in der Regel über Baumärkte an den Endverbraucher oder den Semiprofi. Von den Top 100 Anbietern gibt es weniger als 10 Markenanbieter, die neben den Kunden auch die Architekten und Entscheider im Vorverkauf bedienen. Hier benötigt man eine große deutsche, hoch qualifizierte Vertriebsmannschaft im Innen- und Außendienst, einen umfassenden Kundenservice, eine perfekte Bemusterung, tiefe Lagerhaltung und eine just in time Logistik.

In diesem Segment ist die deutsche Marke Agrob Buchtal Marktführer und verfügt über das stärkste Team in der DACH-Region. Der Aufbau einer solchen Mannschaft und Marke dauert Jahrzehnte.

Die deutschen Hersteller haben Marktanteile verloren bzw. mussten aufgeben, da die politische Unterstützung für Keramik „Made in Germany“ fehlte. Während man in den USA Anreize schafft, energieintensive Industrie in Land zu holen erleben wir in Deutschland eine Politik, die zur Abwanderung führt. Damit sieht unsere Klimabilanz besser aus, aber wir verlieren viele Traditionsunternehmen mit über 100 Jahre Geschichte und Tausende von Jobs.

Die deutschen Hersteller haben Marktanteile verloren bzw. mussten aufgeben, da die politische Unterstützung für Keramik „Made in Germany“ fehlte.

Wie sehen Sie die Zukunft der Fliesenindustrie in Deutschland und weltweit? Welche langfristigen Ziele und Visionen haben Sie für Ihre Investitionen in der deutschen Fliesenindustrie?

Persönlich bin ich sehr optimistisch für die Fliesenindustrie in Deutschland. Sofern der Klimafonds für die Umrüstung der Keramikindustrie Mittel zur Verfügung stellt wird die deutsche Fliesenindustrie wieder auf Wachstum umschalten und erfolgreich arbeiten. Dazu benötigt es dringend eine Digitalisierung der Prozesse über Industrie 4.0 oder das keramische Metaverse.

Meine Vision und mein Ziel ist es, dass die Keramik als Naturprodukt das Gebäude innen und außen bekleidet und andere Materialien im Gebäude, aber auch im Außenbereich, ablöst. Walter Gropius, der Bauhaus Gründer und größter deutscher Designer, hat gesagt: „Das ultimative Ziel der Kunst ist das Gebäude“. Keramik als große Bauhaus Kunst des 21. Jahrhundert wäre eine ideale Positionierung.

Persönlich bin ich sehr optimistisch für die Fliesenindustrie in Deutschland.

Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um sich von Wettbewerbern abzuheben? Ihr Fokus lag in den ersten Aussagen immer sehr stark auf der Produktion, aber muss man nicht in der Fliesenbranche auch im Marketing oder der Produktentwicklung neue Wege gehen, um sich gegen alternative Wand- und Bodenbelagsmaterialien in Zukunft besser zu positionieren?

Agrob Buchtal ist die Nummer eins Marke in der Architekturkeramik – nicht nur in Deutschland, sondern auch einer der Marktführer weltweit mit einer Exportquote von 40 %. Der Fokus steht jetzt auf dem Ausbau des Agrob Buchtal ganzheitlichen Beratungsansatzes bei 100.000 ausgewählten Architekten und unseren Top 100 Kunden und Partnern. Ein weiterer Fokus ist die digitale Unterstützung unserer Kunden und die stärkere digitale Integration in den Produktionsprozess. Wir wollen als verlässlicher Partner wahrgenommen werden, der auf Tradition setzt.

Wir wollen als verlässlicher Partner wahrgenommen werden, der auf Tradition setzt.

Gibt es Pläne für weitere Expansionen oder Akquisitionen in Deutschland oder anderen Märkten?

Wir sind auch in der Zukunft offen für strategische Partnerschaften und Investitionen.

Welche Pläne haben Sie bei der Integration und dem Management der neuen Unternehmen? Mit Alexander Stenzel, Jochen Willig und Dieter Schäfer haben Sie ja drei sehr bekannte und auch meinungsstarke Persönlichkeiten in den übernommenen Unternehmen am Ruder.

CEO der Meta Wolf Gruppe ist Sandy Möser, CFO ist Andre Schütz und COO ist Ralf Kretzschmar. Die Sparte Meta Wolf Solar Ceramics Sparte wird von unserem erfahrenen Vice President Jochen Willig geleitet.

Deutsche Steinzeug und Agrob Buchtal stehen unter der Leitung von Norbert Schäfer mit der bestehenden Geschäftsleitung.

Dieter Schäfer unterstützt in den nächsten Jahren als Gründer, Gesellschafter Agrob Buchtal und Beiratsvorsitzender die Transformation auf die nächste Generation

Wie bringen Sie Ihre asiatischen und deutschen Geschäftserfahrungen in Einklang, um einen erfolgreichen Betrieb zu gewährleisten?

Seit 22 Jahren investiere ich in deutsche Unternehmen aus Asien. Die Märkte China und Indien sind die weltweiten Taktgeber im Bauwesen. Singapur ist die Kreuzung zwischen den Ost und West und eine Verbindung zu den Megamärkten Indien und China. Das 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert Asiens. Hier kann man jeden Tag viel dazu lernen.

Das 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert Asiens. Hier kann man jeden Tag viel dazu lernen.

Bleibt die Deutsche Steinzeug und Nordceram im deutschen Herstellerverband BKF?

Diese Frage entscheidet die Geschäftsführung. Meines Erachtens sollte die keramische Industrie mit einer stärkeren Stimme in Berlin vertreten sein.

Angeblich steht das Werk Nordceram seit zwei Monaten still. Können Sie dazu etwas sagen?

Wir haben Anfang des Jahres in eines der modernsten Fliesenwerke nördlich der Alpen investiert mit dem Ziel, im ersten Jahr eine Million Quadratmeter Fliesen in 2024 zu produzieren. Derzeit arbeiten wir im Drei-Schichtbetrieb sieben Tage pro Woche. Pro Ofen können wir zwei Millionen Quadratmeter pro Jahr herstellen. Daher haben wir geplant, im ersten Jahr sechs Monate zu produzieren. Im zweiten Jahr werden wir versuchen mindestens neun Monate und im dritten Jahr zwölf Monate zu produzieren. Die volle Kapazität planen wir 2028 zu erreichen, d.h. auch 2025 werden wir voraussichtlich bis zu drei Monate nicht produzieren.

Der komplette Auftragsbestand, die Vertriebsorganisation und die Marke Nordceram wurde von Werken in Südeuropa übernommen. Dazu haben wir uns entschieden die bemusterten Serien aus Bremerhaven nicht weiterzuproduzieren, d.h. den Vertrieb der Steuler Gruppe nicht zu stören, sondern neue Serien zu entwickeln.

Der komplette Auftragsbestand, die Vertriebsorganisation und die Marke Nordceram wurde von Werken in Südeuropa übernommen.

Damit musste Jochen Willig in Bremerhaven bei Null Kunden und Null Aufträgen in 2024 neu starten. Mittlerweile sind wir gelistet bei den Marktführern, haben eigene Serien und Eigenmarken für namhafte Händler produziert. Seit 1.10 operiert das Werk Bremerhaven als 5. Werk der Deutschen Steinzeug Solarceramics Gruppe und der Vertrieb und Service erfolgt ab 1.10. national und international über die Agrob Buchtal Solarceramics. Die volle Kapazitätsauslastung wird voraussichtlich 2028 erreicht.

Für viele Leute in der Fliesenbranche sind Sie, dadurch dass Sie in Asien leben, eine Art „Phantom“, wenn ich das so sagen darf. Können Sie unseren Leser ein wenig über die Person Tom Wolf erzählen? Was sind Ihre größten persönlichen und beruflichen Erfolge in Ihrer bisherigen Karriere als Investor?

An erster Stelle bin ich Vater von drei großartigen Kindern und seit 31 Jahren verheiratet mit meiner Frau Yvonne. Mein unternehmerischer Erfolg wäre nicht möglich gewesen ohne die Unterstützung meiner Familie, meiner Freunde und meiner Mitarbeiter. Dazu durfte ich in Berlin 1978-82 Betriebswirtschaft und Jura (Vordiplom) an der Freien Universität in Berlin studieren und erhielt das notwendige akademische Wissen im Marketing für Investitionsgüter.

Heute bin ich, vor allem anderen, der erste deutsche und der 90. President des Rotary Club of Singapore. Die Rückgabe an Menschen, die weniger Glück im Leben hatten, Service für unterprivilegierte Kinder und Hilfe für die, die vom Weg abgekommen sind, prägen nun mein tägliches Leben. Dankbar bin ich, dass ich bei der Rettung der deutschen Fliesenindustrie und der Dekarbonisierung der Keramikproduktion helfen darf.

Dankbar bin ich, dass ich bei der Rettung der deutschen Fliesenindustrie und der Dekarbonisierung der Keramikproduktion helfen darf.

Die Rettung von Traditionsunternehmen in Deutschland, die Entwicklung von Jobs sowie das Arbeiten an innovativen Lösungen zur Erreichung von Klimaneutralität und in der Digitalisierung stehen jetzt mein privates und berufliches Leben im dritten Lebensabschnitt.

Meinen beruflich größten Erfolg hatte ich mit der Entwicklung der RIB Software AG von 2002 bis 2022. Dabei haben wir unter meiner Führung das schwäbische Unternehmen zu einem Weltmarktführer im Bauwesen mit einem Unternehmenswert von sechs Mio. Euro auf über zwei Milliarden Euro entwickelt. 2010 wurde die Aktie für einen Euro an der Hamburger Börse notiert und später für 41,70 Euro alle Aktien durch den Schneider Electric Konzern übernommen. Hier bin ich stolz, dass die meisten meiner Mitarbeiter dadurch sehr vermögend geworden sind.

Imagefilm Metawolf Solar Ceramics Deutsche Steinzeug:

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