Ukraine-Krieg bedroht auch die Fliesenbranche

Steigende Strom- und Gaspreise könnten langfristig ein Problem werden

Im Rahmen des Ukraine-Krieges stellt sich schon im zweiten Atemzug auch die Frage nach der aktuellen und zukünftigen Energieversorgung in Europa. Kurz nachdem die Bundesregierung das Zertifizierungsverfahren für die Gaspipeline Nord Stream 2 auf Eis gelegt hatte, drohte Dmitri Medwedew, Vizechef des nationalen Sicherheitsrates in Russland, auf Twitter: „Willkommen in der schönen neuen Welt, in der die Europäer sehr bald auf 2.000 Euro für 1.000 Kubikmeter Erdgas bezahlen werden. Damit würde sich der Gaspreis gegenüber dem aktuellen bereits sehr hohen Niveau ungefähr um den Faktor 2,5 erhöhen.

Schon jetzt ächzt die europäische Fliesenindustrie unter den steigenden Gaspreisen. Italienische und spanische Fliesenmanager sind schon in Brüssel vorstellig geworden um auf ihre bedrohlich Lage aufmerksam zu machen (siehe unser Bericht hier). Angesichts der steigenden Gaspreise und allgemein erhöhten Rohstoffpreise (siehe unser Bericht hier) fürchten sie langfristig um ihre Wettbewerbsfähigkeit. Einige spanische Hersteller erwägten bereits, ihre Produktion kurzzeitig einzustellen, weil unter den gegebenen Umständen keine betriebswirtlich sinnvolle Produktion mehr nötig sei.

In den Jahren 2018 und 2019 hat der Gaspreis zwischen 15 und 25 Dollar (13-22 Euro) gelegen. Zuletzt erhöhte er sich auf mehr als 150 Dollar. Wird Deutschland langfristig vom russischen Gas abgeschnitten, dürfte der Preis in Deutschland weiter rasant steigen. Auch auf den anderen europäischen Ländern dürfte sich die Situation kaum anders darstellen.

Darüber hinaus wird sich nach Prognosen der Experten und Analysten auch der Strompreis weiter erhöhen, da Europa bei der Energie ebenfalls  von Russland abhängig ist. 45 Prozente der EU-Importe von Kohle stammen aus Russland, 20 Prozent des russischen Gases wird hier verstromt. Auch in Sachen Strom hat die Fliesenindustrie bereits signalisiert, dass die Preise ihre Produktion massiv beeinflussen.

Was darüber hinaus vielen weniger bekannt sein dürfte ist die Tatsache, dass die Ukraine auch als bedeutender Exporteur von Ton und 2 cm Outdoor-Platten gilt. Wenn durch den Krieg die Lieferungen eingestellt werden oder nach einer Besetzung der Ukraine durch Russland auch nicht wieder aufgenommen werden, droht hier ein weiterer für die Fliesenindustrie relevanter Engpass.

Fakt ist, dass die Veränderungen im Beschaffungsmarkt der internationalen Fliesenbranche in den vergangenen zwei Jahren für die Branche eine enorme Herausforderung geworden sind. Viele Branchenkenner halten die Situation sogar für Existenz bedrohend – und das über alle Vertriebskanäle betrachtet, also nicht nur für die Industrie, sondern auch für Handel und Handwerk. Wo keine Ware, da keine Aufträge! Deshalb manifestiert sich aktuell im deutschen Handel eine ganz neue Denkweise, bei der es nicht mehr um die Fragestellung geht woher man die beste Ware zum besten Preis bekommt, sondern wo man überhaupt noch Ware kaufen kann und wie sich langfristige Lieferengpässe vermeiden lassen.

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