Wohnungsbau: Das „Wahl-Programm“ der Baubranche

Wohnungsbau wird als politische Kernaufgabe gerade wiederentdeckt. Denn die alten Bau-Prognosen stimmen längst nicht mehr und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich gravierend verändert. Dies lässt nur einen Schluss zu: es gibt einen langfristigen Mehrbedarf an Wohnungen. „Deutschland ist gebaut“ – das ist eine längst überholte Bau-Doktrin. Deshalb steht eine Grundgesetzänderung am Beginn alles Maßnahmen: Wohnungsbau muss künftig als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern verstanden und definiert werden.

Dies wird auch der Tenor des 9. Wohnungsbau-Tages sein, den das Verbändebündnis Wohnungsbau am 22. Juni in Berlin unter der Überschrift „Wahlkampf-Arena Wohnungsbau: Wie sich die Parteien zum Bauen und Wohnen positionieren“ veranstaltet. Wir haben vorab die wichtigsten Positionen der Baubranche zusammengefasst:

·       Eine Grunderwerbsteuer mit bis zu 6,5 %  in einigen Bundesländern gilt als überzogen und sollte bundesweit vereinheitlicht werden.

·       Zusätzliche Auflagen bei der Immobilienfinanzierung  wie die Wohnimmobilien-Kreditrichtlinie schaffen Hürden bei der Immobilienfinanzierung. Stattdessen sollten beim Erwerb einer selbst genutzten Wohnung Freibeträge eingeführt werden, um die Finanzierung zu erleichtern.

·       In den Kommunen sollte eine Bauland-Offensive für Wohneigentum gestartet und Grundstücksreserven mobilisiert werden.

·       Bürokratische Auflagen – z.B. bei der Entsorgung von alten Styroporabfällen im Rahmen der CO2-Gebäudesanierung (getrennte Entsorger als Sonderabfall) –  führen zu Verunsicherung im Bauhandwerk. Verarbeiter bekommen dabei einen Übernahmeschein und müssen diesen dann drei Jahre aufbewahren.  Dies hat stellenweise zu einem Entsorgungschaos und einem  Absatzeinbruch bei Dämmstoffen geführt.

·       Mit der Studie „Urbane Sturzfluten“ des Münchner Instituts für Wasserwesen ist ein drängendes Infrastrukturproblem in Deutschland aufgezeigt worden. Das in weiten Teilen marode Kanalsystem kann insbesondere im Hochsommer die Regenmassen in den Städten nicht mehr aufnehmen. Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sind besonders vom Starkregen gefährdet. Deshalb ist ein Überflutungsschutz mit einem optimierten Entwässerungssystem mit Regenwassermanagement notwendig in Verbindung mit einer ausreichende Anzahl von Niederschlagsmessstationen.

Der Wohnungsbedarf wird allgemein bei 400.000 beziffert. Wie und wo schaffen wir  bezahlbaren Wohnraum? Durch den Rückzug von Bund, Ländern und Unternehmen vom Wohnungsmarkt gehen jährlich rund 60.000 Sozialwohnungen verloren, ohne dass entsprechender Ausgleich geschaffen wird.

·       16 verschiedenen Landes-Bauordnungen reglementieren das Bauen und Modernisieren zu stark. Es fehlen Freiräume für Innovationen und neue Ansätze beim seriellen Bauen und mit standardisierten Bautypen aber auch intelligente Grundrisse mit Wohnungsgrößen von 30-35m²/Person, die Wohnungen unter Einsatz von BIM bezahlbar machen.

·       Es fehlt eine einheitliche Systematik für Energieeffizienz. Seit dem 1. Mai 2014 gilt für Gebäude die Energieeinsparverordnung (EnEV 2014). Seit 2016 ist der energetische Standard für Neubauten (Wohn- und Nichtwohngebäude) nochmals gestiegen. Das Dämmen nach der „Immer dicker-Methode“ gilt vielerorts nicht mehr als wirklich innovativer Ansatz.

·       Wir brauchen Konzepte für die 1,5 Mio. leerstehenden Wohnungen und für den Leerstand auf dem Land flankiert von einer kommunalen Wohnungsbau-Förderung + Ausweitung der stattlichen Wohnungsbau-Förderung. Im Maßnahmen-Katalog: Kostenbegrenzungen bei Grunderwerbssteuer, energetische Sanierung von Altbauten, Sonderabschreibungen und Erhöhung der Baulandausweisungen in den Kommunen.

·       Wir brauchen Konzepte für die Metropol-Regionen wie in NRW – das Land der starken Städte. Von den 18 Mio. Einwohnern leben 80% in Städten. Deshalb braucht es gerade hier besondere Konzepte für die  Stadt-Entwicklung mit Quartiersentwicklung, Wohnumfeld- und Infrastruktur-Konzepten.

·       „Mit welchen Produkten bauen wir unsere Zukunft?“ diese Kernfrage wurde Mitte 2016 auf einer Fachtagung von Natureplus und Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin gestellt. Auch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) stellte entsprechende Überlegungen in der geplanten neuen Musterbauordnung vor. Fazit: Noch größere Anstrengungen sind notwendig für geprüfte Produkte aus nachwachsenden oder recycelten Rohstoffen.  Denn: Was wird aus der Energiewende angesichts des Klimawandels?

·       Insbesondere das Berliner Verbändebündnis Wohnungsbau fordert immer wieder eine deutlich bessere Förderpolitik vor allem durch den Bund.  Ein „Akut-Paket Wohnungsbau 2017“wurde geschnürt mit „deutlich besseren Steueranreizen“. Vor allem die Erhöhung der Abschreibung von 2 auf 3 Prozent bei der AfA sei „längst überfällig.“ Für Ballungsräume müsse es zusätzlich eine Sonderabschreibung geben. Zudem sei ein „effektiver Neustart des sozialen Wohnungsbaus“ dringend notwendig. Künftig müssten jährlich mindestens 80.000 Sozialmietwohnungen zusätzlich gebaut werden.

 Der 12-Punkte-Katalog zum Wohnungsbau

Die 30 Organisationen und Verbände der Architekten und Planer, der Bau- und Immobilienwirtschaft sowie der Deutsche Mieterbund (DMB) und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), die in der Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“ zusammengeschlossen sind, hatten bereits im vergangenen April  eine Wohnungsbau-Agenda mit 12 Punkten vorgelegt. Ziel ist es, die Parteien dazu zu bringen, die Wohnungsbaupolitik zu einem Schwerpunkt ihrer Wahlprogramme für den bevorstehenden Bundestagswahlkampf zu machen. Dabei soll das bezahlbare Wohnen zu den Top 5 der Wahlkampfthemen gehören. Die Leidensgrenze der Menschen in den Ballungsräumen, Groß- und Unistädten sei erreicht, heißt es.

Allein im vergangenen Jahr seien über 100.000 Wohnungen zu wenig gebaut worden. Neu entstanden sind nicht einmal 300.000 statt der erforderlichen 400.000 Wohneinheiten. Dazu seien die Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser in der zweiten Jahreshälfte 2016 sogar zurückgegangen. Die Bundestagswahl am 24. September werde deshalb stark vom Thema „Wohnungen“ bestimmt, so die Erwartung. Die Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“ gibt deshalb den Parteien mit ihrem 12-Punkte-Katalog eine klare To-Do-Liste mit auf den Weg. Dabei müssten Wohnungsbau, Raumordnung und Städtebau wieder in einem eigenen Bundesministerium wieder mehr bundespolitisches Gewicht bekommen.

·       Link-Tipp:  Bundesvereinigung Bauwirtschaft: Politische Forderungen der deutschen Bauwirtschaft zur Bundestagswahl 2017.

 

Anzeige


GDPR Cookie Consent mit Real Cookie Banner