Echte Innovationen sind keine Selbstläufer
Mit Drytile bietet die Deutsche Steinzeug ein kreislauffähiges System als Bodenbelag an
1200 Grad sprach mit Daniel Schreiner, Leiter Produktmanagement Deutsche Steinzeug und Geschäftsführer der Vertriebsgesellschaft Drytile Ceramics, welche Hürden und Herausforderungen zu meistern waren, auf dem Weg zu Drytile, dem derzeit einzigen bauaufsichtlich zugelassenen Produkt dieser Art.
Der Ursprung liegt in einer Entwicklung von Karl-Heinz Scholz: Fliese auf Kork (siehe unser Bericht hier). Nach vielen Investitionen, Weiterentwicklungen und Prüfverfahren hat die Deutsche Steinzeug darauf aufbauend ein innovatives System mit entwickelt. Nach unserem Interview mit Karl-Heinz Scholz sprachen wir jetzt bei Daniel Schreiner über Drytile.
Herr Schreiner, können Sie uns Drytile kurz noch einmal vorstellen?
Gerne. Drytile ist ein System zur trockenen Verlegung von keramischen Bodenfliesen. Wir wollten ein Innovationsprodukt auf den Markt bringen, das die Anforderungen nachhaltiger Prüfsiegel erfüllt. Deshalb haben wir ein Drytile-System entwickelt, bei dem wir die Fixierung eines hochwertigen Korkgranulat-Komposits an der Rückseite der Fliese optimiert haben. Für Stabilität, hohe Belastungsfähigkeit und eine geschlossene Oberfläche sorgt eine speziell für das Drytile-System entwickelte Fugenmasse, welche für das dauerhafte Funktionieren des Belags nach unserer Auffassung besonders wichtig ist und eine wesentliche Komponente des ganzen Systems darstellt. Mit unseren Weiterentwicklungen bieten wir ein kreislauffähiges keramisches Belagssystem für den Boden an, auf das wir Gewährleistung geben. Drytile ist nicht nur mit dem Green Award ausgezeichnet worden, sondern auch Cradle-to-Cradle-zertifiziert.
Wir wollten ein Innovationsprodukt auf den Markt bringen…
Wird Drytile komplett in einem Ihrer Werke produziert?
Ja. Die Entwicklung war nicht einfach. Das ist ein Know-how Prozess, der durch Forschung, Modellierung, Prüfung gekennzeichnet ist. Die Komponenten unseres Systems werden regelmäßig von verschiedenen unabhängigen Materialprüfanstalten auf Herz und Nieren getestet. Da ist es nur schlüssig, in eine eigene Produktionsstraße zu investieren, um damit die Qualität für Kunden sicherzustellen, die wir gewährleisten. Heute können nur wir in größerem Maßstab produzieren.
Wie machen das andere Anbieter?
Ehrlich gesagt sind uns Wettbewerbsprodukte auf dem Markt bisher nur vereinzelt begegnet. Wir haben 2018 mit der Vermarktung und Gründung einer international geschützten Wort-Bild-Marke begonnen, die wir für unser Produkt entwickelt haben. 2019 folgte dann die Gründung einer eigenen Vertriebsgesellschaft, die Drytile Ceramics GmbH. Tatsächlich hätten wir es großartig gefunden, in weiten Strecken nicht alleine die Pionierarbeit auf dem Markt leisten zu müssen.
Tatsächlich hätten wir es großartig gefunden, in weiten Strecken nicht alleine die Pionierarbeit auf dem Markt leisten zu müssen.
Und wie wird die Innovation angenommen?
Bei Drytile geht es darum, die Qualität, Langlebigkeit und Schönheit der Keramikfliese mit Innovationskraft auszurüsten. Architekten, Planer, öffentliche und private Bauherren haben das erkannt. Drytile ist für sie ein keramisches Bodensystem, das auf klimapositive Gebäude einzahlt und dem Thema Wandel oder zweites Leben in der Architektur eine wirtschaftliche Möglichkeit eröffnet.
Haben Sie Beispiele?
In Autohäusern, Lebensmittelmärkten, Hotels und Restaurants, Büro- und Wohnimmobilien oder Schulen ist unser System besonders nachgefragt und stärkt unser Objektgeschäft. Wenn Sie z.B. bei Edeka einkaufen kann es passieren, dass Sie auf unserem Produkt laufen. Oft wird ja im laufenden Betrieb saniert oder aber Verkaufsflächen müssen wirtschaftlich schnell genutzt werden können. Da punktet Drytile dann mit der einfachen und schnellen Verlegung. Zudem bringt das System durch die Korkschicht verstärkten Trittschallschutz mit. Das ist überall von Vorteil, besonders aber, wo viele Menschen die Bodenfläche strapazieren. Die meisten Innovationen – das haben auch wir erfahren – scheitern aber nicht am Bedarf.
Die meisten Innovationen – das haben auch wir erfahren – scheitern aber nicht am Bedarf.
Das ist interessant. Können Sie das näher erläutern?
Die größte Herausforderung liegt – und das sehen wir bis zum heutigen Tag – tatsächlich in der Akzeptanz unserer eigenen etablierten Zielgruppen. Wir haben über tausend Fliesenleger und Händler auf das Drytile-System geschult, ein eigenes technisches Merkblatt entwickelt und bieten ein marktreifes Produkt mit Gewährleistung. Trotzdem zeigt die Praxis, dass selbst wenn der Bauherr Drytile haben will, Fliesenleger sich schwertun, eine neue Verlegetechnik anzuwenden, bei der der Fokus mehr auf der Bodenvorbereitung liegt.
Wir haben über tausend Fliesenleger und Händler auf das Drytile-System geschult…
Geschieht das eventuell aus Angst, Drytile würde die konventionelle Fliese ersetzen?
Das ist eine Lesart, wäre aber bedauerlich und auch unsinnig. Genau das Gegenteil ist das Ziel. Unserer Meinung nach verpassen Fliesenleger gerade in der aktuellen schwierigen baukonjunkturellen Situation die Chance, mit Drytile verlorene Quadratmeter, an z.B. Vinyl, also Marktanteile zurückzugewinnen.
Wie steht es um die Akzeptanz bei Bodenlegern und Raumausstattern?
Wir haben in der Drytile Ceramics eine eigene Vertriebsmannschaft aus und für diese Zielgruppe akquiriert, denn wir treffen hier auf andere Denk- und Arbeitsweisen als im Fliesenmarkt. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Boden- und Parkettleger sowie die Händler offener für Drytile sind und weiterdenken, allerdings müssen wir dort erstmal das Produkt Fliese und die Verarbeitung näherbringen.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Boden- und Parkettleger sowie die Händler offener für Drytile sind und weiterdenken…
Ist der Durchbruch geschafft?
Wir machen Fortschritte und realisieren Jahr für Jahr Zuwächse. Gute Sachen setzen sich immer durch. Gerade wurde Drytile ausgesucht für ein Appartement-Hotel im Schwarzwald, das in Sachen Nachhaltigkeit und Zirkularität neue Standards setzen wird. Das Sentinel Haus Institut begleitet die sogenannten „Inara Suites“ der Familie Wiesler am Titisee von Anfang bis Ende und sucht gemeinsam mit den Bauherren und Ganter Architekten innovative Hersteller und Produkte, um die Vision eines kreislauffähigen Gebäudes zu verwirklichen.
Gute Sachen setzen sich immer durch.
Auf der Messe BAU in München erzählten Sie 1200 Grad von dem Vorhaben, Teile des ja wirklich stark beanspruchten Messebodens, den Sie mit Drytile ausgeführt hatten, wieder zu verwenden. Hat das geklappt?
Das Ergebnis kann man sich bei unserem Partner Broeinest in Amsterdam anschauen. Wir haben in kürzester Zeit des Standabbaus die Drytile-Platten dem Messeboden unseres Messestandes entnommen und in Amsterdam wieder verlegt. Das System zur Trockenverlegung von Fliesen ist ja noch vergleichsweise jung. Wir wollten den Beweis der Wiederverwendbarkeit nicht so lange schuldig bleiben, bis das erste unserer Projekte mit Drytile in 10-20 Jahren eventuell zur Renovierung oder Transformation ansteht. Da haben wir es einfach selbst gemacht und gleichzeitig den Startschuss für den Roll-out unseres Systems in den Niederlanden gegeben.