„Wir waren der Zeit oft voraus.“

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Eine Ära ist zu Ende. 36 Jahre prägte Paul Wieser die Marke Steuler wie kaum ein anderer. Jetzt hat sich der Entwicklungsleiter in den Ruhestand verabschiedet. Aber nicht ohne 1200Grad zuvor auf eine unterhaltsame Zeitreise zu nehmen – und Einblicke in seine erfolgreiche Arbeit zu geben.

Paul Wieser über … … seinen ersten Tag
„Ich war an diesem Tag viel unterwegs, habe einen Rundgang durch das ganze Werk gemacht. Die Fliesen wurden damals noch mit einer Art Seilbahn durch die Hallen befördert. Ich habe mir gedacht: So drei bis vier Jahre wirst du schon hier bleiben.“ (Schmunzelt.)

… die harte Anfangszeit
„Es ging der Firma damals nicht gut – aber rückblickend war das ein Segen. Denn wir hatten nichts zu verlieren, konnten neue Dinge ausprobieren. Wir haben dann das „Junge Bad“ entwickelt. Solche bunten Grafiken gab es zu der Zeit selbst in Italien nicht. Doch die Hürden waren groß, weil uns überall Skepsis begleitete. Die Kundenreaktion war jedoch restlos positiv. Der Neuanfang war gemacht.“

… den Wandel in der Herstellung
„Zu meinen Anfangszeiten haben wir die Fliesen 36 Stunden gebrannt – heute sind es 36 Minuten. Der größte Wandel geschieht aber jetzt gerade. Denn der Digitaldruck verändert die Entwicklung und Herstellung von Fliesen sehr stark. Er eröffnet durch das einfache Kopieren von Materialien neue Möglichkeiten, keine Frage. Aber er erhöht auch die Gefahr, dass die Technik einen dazu verführt, weniger kreativ zu sein.“

… die Änderungen in der Arbeitsweise
„Heute geht es sicherlich hektischer zu. Der Druck ist größer. Der Zeitdruck und der Erfolgsdruck. Ich hatte damals Zeit, in meine Position reinzuwachsen, konnte mir viele Dinge autodidaktisch in Ruhe aneignen. Heute wird alles vorausgesetzt. Was allerdings über die Jahre unverändert geblieben ist: die Arbeitsweise beim Entwickeln einer Fliese.“

… seine Lieblingsfliese
„Die Glazes in Black. Ganz klar. Eine wunderbare Fliese. Und die ehrlichste und keramischste Antwort auf den Trend, einfach etwas zu kopieren, weil es der Digitaldruck eben möglich macht. Die Glazes war ein hartes Stück Arbeit. Schwer zu entwickeln, schwer umzusetzen. Aber wir haben es geschafft. Diese Fliese steht für vieles, was in meinen Augen echte Kreativität und echte Keramik ausmacht.“

… die ausgefallenste Fliese
„Das war wohl die Freestyle. Die Dekorfliese hatte in den Ecken Löcher, an denen man Haltegummis befestigen konnte. Das eröffnete die Möglichkeit, die Fliese selbst zu „bespannen“ – mit Blättern, Fotos, Ästen und anderen Accessoires… Jeder Kunde konnte sein Zuhause kreativ und individuell gestalten und, so oft er wollte, für Abwechslung sorgen.“

… die schlimmsten Fliesen
„Das waren die Landschaftsbilder, die über Sets zusammengestellt wurden. Quasi das Pendant zur Fototapete. Und das mit so schrecklichen Motiven wie Schilf, Mooren, Enten …“

… die erfolgreichste Fliese
„Oh. Da gab es einige. Eine davon war sicherlich die Organic Sense. Sie war von der Außenwirkung aber auch vom Verkauf her ein Renner. Offenbar hat die organische Form die Menschen irgendwie angesprochen. Und dabei waren die Kunden auf der Cersaie zunächst sehr skeptisch.“

… über die Mär, dass weiße Fliesen zeitlos seien
„Viele Menschen schrecken davor zurück, sich eine extravagante Fliese zu kaufen, aus Angst, dass sie nicht zeitlos genug ist. Doch seien wir ehrlich: An einer weißen Fliese sieht man sich genauso satt. Aber man hat von Anfang an keinen Spaß mit ihr.“

… sein Credo
„Design muss polarisieren. Es ist wichtig, immer innovativ und kreativ zu bleiben. Wer das aufgibt, geht im Mainstream unter. Profilieren kann sich nur, wer sich eine Nische sucht. Wir waren der Zeit oft voraus. Und das hat uns meist gutgetan.“

… seinen Abschied
„Das war schon ein mulmiges Gefühl, und ich habe mich mit einer Träne im Knopfloch verabschiedet. Aber es passt jetzt einfach. Durch die Digitalisierung ändert sich vieles, damit haben wir den perfekten Zeitpunkt, um hier in der Entwicklung die Führung zu wechseln.“

… seinen Nachfolger
„Ich bin mit der Wahl zufrieden. Tomas Deinböck ist schließlich einer aus meinem Stall. Es ist sicher kein leichtes Erbe, und ich hoffe, dass er auch Dinge anders macht als ich. Aber ich bin zuversichtlich. Er ist geradlinig und er kennt die Firma, die Marke, die Storys. Er wird das alles sehr gut weiterführen.“

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