
Kütahya: Vom Porzellan zur Fliese
Big-Player aus der Türkei will nun auch die DACH-Ländern erobern
Wer entlang der Durchgangsstraße in der türkischen Stadt Kütahya entlang fährt, dem fallen sofort die zahlreichen Porzellan- und Geschirr-Shops von Kütahya ins Auge. Doch das türkische Familienunternehmen ist nicht nur mit einer Kapazität von 170 Mio. Geschirrteilen der größten Porzellan-Hersteller der Welt, sondern seit einigen Jahren auch sehr erfolgreich im Fliesensektor vertreten. Nun hat man verstärkt den deutschen Markt ins Auge gefasst.
Eigentlich ist Kütahya so etwas wie das „Villeroy & Boch der Türkei“. Ebenso wie das saarländische Unternehmen verdankt Kütahya die Popularität seiner Marke zum Teil der Verknüpfung der Sparten Geschirr und Fliesen (wenn auch die Fliesensparte von Villeroy & Boch seit vielen Jahren nicht mehr in eigener Hand ist, sondern von der Türkei gelenkt wird). Sprich: Kütahya kennt in der Türke jedes Kind. Das Unternehmen wirbt großflächig mit der türkischen Nationalmannschaft und der Fußball Süper Lig (vergleichbar mit der 1. Bundesliga) und die Geschirrshops findet man nicht nur in Kütahya selbst, sondern in der gesamten Türkei.
Top moderne Produktion in acht Werken
Doch von der Popularität in der Türkei kann man sich auf dem deutschen Fliesenmarkt nichts kaufen. Hier sind vielmehr interessante Produkte, attraktive Preise und eine moderne Produktion gefragt. Das meiste davon besitzt Kütahya bereits: In der top modernen Produktion in acht Werken gibt es sogar einige der wenigen Continua Plus Anlagen der neuesten Generation in Europa und die Preise aus derTürkei auf dem deutschen Markt sind ohnehin wettbewerbsfähig.
Allerdings will man nicht als Billiganbieter abgestempelt werden „Denn Qualität hat seinen Preis. Unsere Stärken sind durch die 16 Produktionslinien sind vor allem eine hohe Flexibilität der Produktion und dadurch eine sehr gute Lieferfähigkeit,“ so Gökmen Kösele, Exportleiter Europa und UK, im Gespräch mit 1200Grad in der Türkei.
Bei den Produkten ist man aktuell technisch in der Lage, eigentlich alles zu fertigen. Das fängt an bei gängiger Marktware in 60×60, 60×120, 120×120 cm etc. mit Antislip Veredelung und geht bis hin zum 2 cm Outdoor Material und riesigen Slabs in 120×280 cm. Mit insgesamt vier neuen Continua Plus Linien sind auch durchgefärbte Scherben Adern (vena passante) möglich und die vorhandene Digital- und Poliertechnik erlaubt fast alle Oberflächen und Designs. Selbst 3 mm dünne Großplatten bis 320 cm für die Möbelindustrie laufen in Kütahya in Zukunft vom Band. Da verwundert es nicht, dass Kütahya weltweit der größte Kunde des italienischen Maschinenherstellers Sacmi ist!
Zahlreiche Quality- und Design Awards zeugen davon, dass die Kütahya Produkte international inzwischen einen hervorragenden Ruf genießen. Die vielen repräsentativen Großobjekte, wie der neue Istanbul Airport, auf dem insgesamt 1 Mio. qm Kütahya Fliesen verlegt wurden, oder die Google Zentrale in den USA und unzählige Hotels in der Türkei unterstreichen dies.
Hoher Auslastung, geringer Export
Rund 85 % der Kütahya Produktionskapazität von insgesamt 60 Mio. qm sind aktuell ausgelastet (Türkei Durchschnitt bei ca. knapp 30 %). Verwunderlich ist dagegen der relativ geringe Exportanteil von bislang 12 %, den Gökmen Kösele gerne im nächsten Jahr auf 35 % ausbauen will. Dazu soll vor allem Dingen der deutsche Markt beitragen, denn bislang stehen Länder wie die USA, Frankreich Benelux, Israel, Marokko und Großbritannien in der Exportstatistik weit vorne. Zwar kooperiert Kütahya bereits mit einigen namhaften deutschen Handelsunternehmen, wie z.B. Fliesen-Max, aber in Deutschland sehen Gökmen Kösele und Tomas Matlari noch riesiges Potential.
Matlari hat erst im Sommer die Vertriebsleitung von Kütahya in den DACH Ländern übernommen (wir berichteten bereits hier). Matlari berät die Türken u.a. auch bei der Produktentwicklung für den deutschen Markt mit seinem langjährigen Vertriebs Know how. Zur Strategie für den deutschen Markt gehört u.a. ein eigenes Lager in Deutschland mit angegliedertem Show-Room. Das ist für die Marktbearbeitung deshalb so wichtig, weil aus der Türkei fast ausschließlich Container-Geschäfte getätigt werden. Mit einem eigenen Lager könnte Kütahya dann zeitnah auch per Paletten die deutschen Handelskunden bedienen. Ein Vorteil, den nur wenige türkische Hersteller anbieten können. Als Lieferzeit nennt Matlari für die Waren aus der Türkei ca. drei Wochen. „Das ist deutlich schneller als die Asiaten“ so Matlari.
Von Slabs bis 2 cm Outdoor Keramik
Verbesserungsfähig sind noch einige Designs von Kütahya. Wie bei vielen türkischen Fliesenanbieter dominieren sehr stark opulente Marmor-Dekorationen. Aber Kütahya führt ebenso attraktive Beton- und Natursteinoptiken im Programm mit diversen Oberflächen, wie Lapato, matt oder poliert. „Wir haben schon gute Produkte für den deutschen Markt im Programm, müssen uns aber deutlich weiter entwickeln“, so Gökmen Kösele. Von der neuen 6 mm Ware und den 2 cm Outdoor-Produkte erhofft sich Matlari für den deutschen Markt interessante Perspektiven. Die riesigen Slab-Formate sieht man hingegen eher beim Natursteinhandel oder in der Möbelindustrie.
Wenn es Richtung Klein-Formate gehen soll, arbeitet Kütahya außerdem noch mit dem Schwesterunternehmen Karometro Seramik zusammen. Das Unternehmen ist vor allem auf Brick-Formate in 7,5 x 15 und 7,5×30 cm spezialisiert und beliefert als Zulieferer zahlreiche namhafte europäische Fliesenhersteller, wie z.B. Marazzi, Villeroy & Boch oder Cersanit. Eigenmarken gehören ebenfalls mit zum Portfolio. Karometro Seramik gilt als einziger namhafter Kleinformat-Anbieter der Türkei. Auf vier Produktionslinien werden jährlich ca. 3,2 Mio. qm hergestellt. 90 % davon gehen in den Export, vor allem nach Italien, UK, und USA, vorrangig in DIY-Kanäle.
Background Kütahya
Kütahya wurde 1970 gegründet und ist im Besitz der Familie Güral. Das türkische Familienunternehmen hat drei Sparten: Porzellan (100 Mio. Euro Umsatz), Fliesen (260 Mio. Euro Umsatz), Hotels (90 Mio. Euro Umsatz) sowie im Minengeschäft. Im Bereich Fliese sind 1.300 Mitarbeiter beschäftigt.
Video-Interview mit Tomas Mailart: