
Vor kurzem überraschte die Stark-Gruppe mit der Mitteilung, dass die Nexterio.de GmbH mit Wirkung zum 1. November 2024 das Fliesen-Einzelhandelsgeschäft der Stark Deutschland Gruppe, die Berliner Fliesen Discount GmbH, übernimmt. Nexterio, ein führender polnischer Einzelhändler im Bereich Fliesen und Badezimmerausstattung, übernimmt dabei das Standortnetzwerk von Fliesen Discount samt den Teams vor Ort. Der Kaufvertrag wurde am 5. August 2024 unterzeichnet, der Kaufpreis bleibt vertraulich.
Soweit, so gut. Handel übernimmt Handel, was logisch erscheint. Interessant wird es jedoch, wenn man einen Blick hinter die Firmenstrukturen wirft.
Nexterio ist nämlich Teil der Investmentgesellschaft MS Galleon, die dem polnischen Milliardär Michał Sołowow gehört. MS Galleon ist ein internationales Holding- und Managementunternehmen, das seit über 30 Jahren besteht und Vermögenswerte im Wert von über sieben Milliarden Euro verwaltet. Das Unternehmen ist in über 100 Ländern tätig und beschäftigt mehr als 15.000 Mitarbeiter weltweit. MS Galleon besitzt bedeutende Beteiligungen in verschiedenen Branchen, darunter auch beim polnischen Fliesenhersteller Cersanit.
Cersanit ist spezialisiert auf die Herstellung und den Vertrieb von Badezimmerausstattungen. Zu den Produkten gehören neben Keramikfliesen auch Badmöbel, Toiletten, Waschbecken und Duschkabinen – also das gesamte Portfolio für Badezimmer. Meissen Keramik fungiert dabei als Vertriebsgesellschaft der Cersanit-Gruppe in Westeuropa.
Fachhandel sieht erhebliches Konfliktpotenzial
Und nun wird es nicht nur interessant, sondern für den deutschen Fliesenhandel auch pikant. Denn wenn sich Fliesenhersteller, wie in diesem Fall, in die Handelsgeschäfte einmischen könnten, sieht der traditionelle Handel seine Position bedroht. Dies bestätigen auch zahlreiche Anrufe von Fliesenhändlern bei der Redaktion von 1200Grad sowie Kommentare auf unseren Social-Media-Kanälen. Viele sehen in der Übernahme von Fliesen Discount erhebliches Konfliktpotenzial.
Es scheint, dass sich Händler auch direkt bei Meissen beschwert haben, denn das Unternehmen reagierte prompt mit einer Pressemitteilung, die den Titel „Meissen Keramik unterstreicht die Bedeutung des Fachhandels“ trägt. Darin hebt Meissen Keramik die langjährige und erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Fachhandel hervor und stellt drei neue Markenkonzepte vor, die speziell dazu dienen sollen, den Fachhandelspartnern zusätzlichen Mehrwert und Unterstützung zu bieten. „Mit den neuen Konzepten wollen wir sicherstellen, dass der Fachhandel im Mittelpunkt unserer Aktivitäten bleibt“, erklärte Giuseppe Lombardo, der zukünftige Gesamtvertriebsleiter bei Meissen Keramik.
Weiter heißt es in der Pressemitteilung, dass die kürzlich erfolgte Übernahme von Fliesen Discount durch Nexterio, ein unabhängiges Unternehmen, keinen Einfluss auf die Strategie der Marke Meissen Keramik habe. „Ich verstehe die Bedenken unserer spezialisierten Handelspartner, die durch falsche Gerüchte geschürt wurden. Doch wir werden nicht durch Worte, sondern durch die konsequente Umsetzung unserer erfolgreichen Markenstrategie beweisen, dass diese Gerüchte unbegründet sind“, betonte Jurand Brzezinski, Geschäftsführer von Meissen Keramik und Mitglied der Geschäftsführung der Cersanit-Gruppe.
Da versucht Meissen wohl seine Marktpartner zu beruhigen. Doch das Kind ist erst mal in den Brunnen gefallen.
Ausländische Hersteller sind es längst gewohnt, eigene Showrooms und Verkaufsstellen in ihren Heimatländern zu betreiben. Dies ist in Spanien und Italien der Fall, aber auch in Frankreich und der Türkei. In Deutschland verfügen unter anderem Porcelanosa, die Iris Ceramica Group, die Florim Gruppe und Vitra über eigene Showrooms, die vor allem Architekten im Projektgeschäft ansprechen und unterstützen sollen. Doch auch das wird vom Handel kritisch beäugt, da man große und bekannte Marken lieber exklusiv führt.
Wie lange die Mauern halten, die den klassischen mehrstufigen Vertriebsweg in Deutschland vor Direktverkäufen der Hersteller schützen, bleibt abzuwarten. Der vertriebsaktive Fachhandel sollte dem genug entgegen zu setzen haben.