Steuler: “Wir können positiv in die Zukunft schauen”

Steuler-Geschäftsführer Peter Wilson erläutert im Interview den Verkauf und die Zukunft

Der Verkauf der Steuler-Gruppe Ende September sorgte in der Fliesen-Welt für Schlagzeilen – und für eine Menge Gesprächsstoff und Gerüchte, wie es weitergeht. Wir haben uns dazu noch einmal mit Steuler-Geschäftsführer Peter Wilson unterhalten.

Mit dem Einstieg der Panaria-Gruppe bestätigen sich Berichte diverser Medien, die bereits in der Mitte September kursierten. Wie bewerten Sie die nun abgeschlossene Akquisition?

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung Anfang Juli, haben wir uns direkt auf die Suche nach möglichen Investoren bzw. Käufern gemacht. Nach langen Verhandlungen mit mehreren potentiellen Investoren ist es jetzt zu einer Entscheidung gekommen, die uns gestärkt aus den letzten schwierigen Monaten herausgehen lässt.

Die Verhandlungen waren schwierig und intensiv und wir standen unter enormen Zeitdruck, aber trotz allem haben wir den M&A Prozess zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht und können positiv in die Zukunft schauen.

Die Marke Nordceram wird weitergeführt!

Die Panariagroup hat den höchst effizienten Produktionsstandort in Leisnig mit allen Mitarbeitenden akquiriert und alle Marken der Steuler Fliesengruppe ebenfalls mit übernommen. Es ist Bestandteil der Strategie, die Marken weiterzuführen. An diese Stelle eine Anmerkung: Irrtümlicherweise haben Sie neulich berichtet, dass die Marke NordCeram nicht weitergeführt wird, was nicht zutreffend ist.

Auch entscheidend für die Akquisition war unsere starke Vertriebsmannschaft, die beinah komplett übernommen wird.

Auch entscheidend für die Akquisition war unsere starke Vertriebsmannschaft…

Panaria ist ein Top-Player am Markt, führend in Technologie, Design und Vertrieb – jedoch speziell im deutschen Markt bisher noch unterrepräsentiert. Um meinen Vorstandskollegen Alexander Lakos zu zitieren: Die herausragende Produkt-Kompetenz Panarias, gepaart mit unserer extremen Vertriebspower, ist quasi wie einen Ferrari mit Raketentreibstoff zu betanken.

Der Verkauf des Standortes in Bremerhaven an MetaWolf ermöglicht eine neue positive Perspektive für das Werk, was uns sehr freut.

Wir haben beinah 85% der Arbeitsplätze retten können…

Insgesamt haben wir, abgesehen von der Schließung des Werkes in Mühlacker, beinah 85% der Arbeitsplätze retten können. Unter Berücksichtigung der schwachen Marktsituation, des Zeitdrucks und der erheblichen Kostenprobleme bewerten wir das Ergebnis positiv. Bedauerlich ist es, dass nicht mehr Mitarbeitenden ihre Arbeitsplätze haben erhalten können.

Was sind die kurz- und langfristigen Ziele dieser neuen Konstellation?

Panaria möchte sofort an den Unternehmenserfolg der Steuler Fliesengruppe in 2022 anschließen und glaubt fest daran, dass der deutsche Markt sich bald erholen wird. Gleichzeitig sieht man Chancen, kurzfristig einen signifikanten Marktanteil in Deutschland für sich zu gewinnen. Die Akquisition hilft außerdem dabei, die vorhandenen Wachstums- und Internationalisierungsziele des Unternehmens zu erreichen.

Panaria glaubt fest daran, dass sich der deutsche Markt bald erholen wird…

Der Standort in Leisnig spielt dabei eine wichtige Rolle. Zum einen soll dieses bereits jetzt höchst leistungsfähige Werk mit einer Jahreskapazität von über 6 Mio. qm und somit das größte Fliesenwerk Deutschlands mit Investitionen und Sortimentsausbau weiterentwickelt werden. Darüber hinaus sieht Panaria Möglichkeiten zu modernisieren und expandieren. Größere Grundstücke unmittelbar am Werk liegend bieten Expansionspotential.

Die starke Vertriebsmannschaft, die jahrelang für die Kunden eine Berechenbarkeit verkörpert hat, bleibt unverändert und wird durch zusätzliche Produkte auf einen neuen Wachstumspfad gebracht.

Die starke Vertriebsmannschaft … bleibt unverändert…

Durch die Zusammenarbeit und die Synergien mit den anderen europäischen Geschäftseinheiten der Panariagroup soll auch die Internationalisierung des Absatzes gesteigert werden. Langfristig will Panaria nachhaltig profitabel wachsen und der deutsche Markt spielt dabei eine wichtige Rolle.

Haben Sie aus dem Kreis Ihrer Kunden bereits ein Feedback bekommen zum Einstieg der Panariagroup?  

Die Reaktionen sind durchweg positiv, denn die Bedienung des Marktes mit den bereits erfolgreich eingeführten Produkten und Serien wird durch die Akquisition sichergestellt. Um ehrlich zu sein, ist das teilweise Erleichterung, die wir gespürt haben – es war den Kunden wichtig, dass es weitergeht.

…es war den Kunden wichtig, dass es weitergeht.

Teil des Kaufvertrages ist es, weiterhin in Bremerhaven zu produzieren, bis die im Sortiment verbleibenden Produkte umentwickelt und in den bestehenden Panaria-Werken produktionsbereit sind. Dadurch ist die Verfügbarkeit der bemusterten Serien sichergestellt. Auch unser zukünftiges Sortiment wird aufgrund der hohen Produktionskompetenz Panarias und den Ergänzungen aus Italien kurz-, mittel- und langfristig profitieren. Das ist eine gute Nachricht für die Kunden.

Da schon seit nahezu 10 Jahren eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Panaria und Steuler besteht – wir kennen und schätzen uns gegenseitig – erwarten wir auch eine sehr kurze Übergangszeit und keine wesentlichen Störfaktoren in der laufenden Marktbearbeitung.

Vielleicht an diese Stelle nochmals mein Dank an die Kunden, die mich mit ihrer Hilfsbereitschaft und ihrem Verständnis sehr beeindruckt haben.

Warum wird der Produktionsstandort in Mühlacker nicht weitergeführt?

Wir haben in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen und auch in neue Fertigungstechnologien investiert, um diesen kleinen Standort trotz seiner relativ restriktiven Entwicklungsmöglichkeiten wettbewerbsfähig zu machen. Wettbewerbsfähig kann ein derartiger Standort letztlich nur sein, wenn er zum einen Produkte mit besonders hoher Wertschöpfung herstellt und zweitens ausgelastet ist.

Dies bedeutet, dass der Standort Mühlacker somit besonders von der aktuellen anhaltenden Baukrise betroffen ist: dort wurden höherwertige Wandfliesen und Dekorationen produziert, deren Nachfrage signifikant gesunken ist. Diese Produkte kommen überwiegend im Renovierungsmarkt zum Einsatz. Durch das Heizungsgesetz sind zu viele Hausbesitzer aktuell verunsichert, eventuell geplante Badrenovierungen z.B. werden lieber zu Gunsten einer Rücklage für potentiell notwendige Investitionen in Wärmepumpen zurückgestellt. Darunter leidet der gesamte Markt und besonders dabei die hochwertige Wandfliese. Kein einziger der potentiellen Investoren hat eine Perspektive für den Standort gesehen.

Kein einziger der potentiellen Investoren hat eine Perspektive für den Standort gesehen.

Es klingt hart, aber es ist so: Bei einer Marktbereinigung, wie wir sie derzeit im Zuge der in der Nachkriegszeit in Deutschland und auch teilweise in Europa einmaligen Nachfragekrise erleben, trifft es Produktionsstätten wie die in Mühlacker leider als erstes.

Was sind nun die nächsten Schritte und wie sieht der Zeitplan dazu aus?

Nachdem nun der Vertrag unterzeichnet ist, arbeiten wir auf das sogenannte Closing hin. Wir müssen zwar noch die Genehmigung des Kartellamts abwarten, mit welcher wir in den nächsten 4-6 Wochen rechnen. Danach beginnt die Post Merger Integration.

Abschließend möchte ich gerne noch einige persönliche Worte loswerden: Die letzten Wochen waren nicht einfach. Wir haben wortwörtlich Rund um die Uhr gearbeitet, um so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten und das Unternehmen auf ein solides Fundament zu stellen – was uns denke ich größtenteils gelungen ist.

Die letzten Wochen waren nicht einfach.

Dennoch waren die zeitgleich abgehaltenen Betriebsversammlungen letzte Woche in den Standorten Ereignisse mit gemischten Gefühlen. Einerseits konnte das Werk in Mühlacker nicht gerettet werden. Dieses Werk war die Keimzelle der Fliesenaktivitäten der Familie Steuler seit 1917, aus der viele innovative und mutige Produkte entsprungen sind, die oftmals ihrer Zeit voraus waren.

Als wir letzte Woche die Schließung bekannt geben mussten, hatten viele der Kollegen und Kolleginnen – auch in Leisnig, Bremen und Bremerhaven – Tränen in den Augen. Solche Entscheidungen zu treffen und diese Nachrichten zu übermitteln fällt niemals leicht, zumal es Menschen traf, die mit Herz und Leidenschaft für Steuler gearbeitet haben.

Durch Gründung einer Transfergesellschaft versuchen wir hier beim (hoffentlich schnellen) Übergang in neue Arbeitsverhältnisse zu unterstützen, so gut es geht. Bei allen ehemaligen und aktuellen Mitarbeitenden möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Auch in den schwierigen letzten Wochen standen alle an unserer Seite und haben einen tollen Job gemacht.

Als wir letzte Woche die Schließung bekannt geben mussten, hatten viele der Kollegen und Kolleginnen Tränen in den Augen.

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