Portugal: Keramikperlen abseits des Mainstreams

Portugiesische Hersteller interessieren sich zunehmend für den deutschen Markt

1200Grad war zusammen mit anderen Journalisten aus Europa vor kurzem auf Einladung von Portugal Ceramics zu einer Rundreise zu diversen portugiesischen Fliesenherstellern zwischen Lissabon und Porto unterwegs. Dabei haben wir nicht nur interessante Hersteller von Massenware mit einem breiten und innovativem Produktangebot getroffen, sondern auch traditionelle Unternehmen, in denen noch per Hand liebevoll Fliesendekore aufgemalt werden.

Alle Beiträge über Fliesen im Überblick.

1200Grad-Chefredakteur Ralf Schanze zu seinen Eindrücken der Fliesenindustrie in Portugal:

Portugal Ceramics ist eine vom portugiesischen Verband der Keramik- und Glaswarenindustrie (APICER) entwickelte Werbemarke zur Förderung des Sektors, die im Rahmen des INTERCER-Projekts – Förderung der Internationalisierung der portugiesischen Keramik – geschaffen wurde. Portugal Ceramics ist eine Werbemarke, die den Wert der portugiesischen Keramik auf den internationalen Märkten fördern soll, indem sie für Sichtbarkeit sorgt und die Wahrnehmung der nationalen Keramik auf dem Markt verbessern will – vergleichbar mit den Marken Tile of Spain oder der Ceramics of Italy. Bei den German Design Awards wurde die Marke Portugal Ceramics übrigens kürzlich sogar mit einer lobenden Erwähnung in der Kategorie ‘Excellent Communication’ ausgezeichnet.

Portugal mit langer Keramik-Tradition

Keramik hat in Portugal in vielerlei Hinsicht ein lange Tradition. Die berühmten portugiesischen „Azulejos“, wie Fliesen auf Portugiesisch genannt werden, sieht man nicht nur in Lissabon, sondern in ganz Portugal an Häuserwänden, in Metrostationen und auf Parkbänken.

Solche traditionellen keramischen Wandbilder findet man in Portugal in fast jeder Stadt zu hauf.
Solche traditionellen keramischen Wandbilder findet man in Portugal in fast jeder Stadt zu hauf.

Kein Wunder also, dass die Ursprünge vieler portugiesischer Fliesenbetriebe bis in das 19. Jahrhundert zurückreichen, wie z.B. bei der Firma Viúva Lamego. Die meisten dieser Unternehmen haben in den vergangenen Jahrzehnten jedoch die Metamorphose zu modernen Industrieunternehmen vollzogen. Einige davon haben dabei – zum Glück – ihre keramischen Wurzeln bewahren können und fertigen noch heute sehr liebevoll in Handarbeit wunderschöne Fliesenbilder und Dekorfliesen.

Hier ist eine ruhige Hand und viel Erfahrung gefragt.
Hier ist eine ruhige Hand und viel Erfahrung gefragt.

Bei der neuzeitlichen Fliesenproduktion liefern die Hersteller aus Portugal den modernen Standard, wie man in fast überall in Süd-Europa antrifft. Die Einbrand-Öfen stammen überwiegend aus Italien. Die Tone kommen fast alle aus heimischen Gruben, das Gas aus Spanien oder Algerien. Insofern haben die Portugiesen die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Energiekrise durch ihre autarke Versorgungssituation fast unbeschadet überstanden. Nur die modernen Laminam-Anlagen zur Produktion der populären XXL-Fliesen sucht man bislang in Portugal vergebens. Wie wir bei unseren Gesprächen in Portugal zwischen den Zeilen herausgehört haben tragen sich aber einige Hersteller bereits mit dem Gedanken, hier zeitnah in die Produktion zu investieren. Auch die aktuell so populären 2-cm Platten sind selten in den Werkshallen in Portugal anzutreffen.

Einbrandöfen mit Inkjet-Technologie stammen in Portugal aus vorwiegend italienischer Produktion .
Einbrandöfen mit Inkjet-Technologie stammen in Portugal aus vorwiegend italienischer Produktion.

Deutsche Markt wird immer wichtiger

Wie bei den spanischen Herstellern ist bei den Portugiesen die Logistik in die mittel- und nordeuropäischen Märkte das größte Nadelöhr. Kein Wunder also, dass man sich in der Vergangenheit vorwiegend auf den naheliegenden französischen Markt konzentriert hat oder auf Übersee-Absatzgebiete, wie die USA.

Immerhin findet sich Deutschland unter den wichtigsten Exportländern der Portugiesen wieder. Viele große Kooperationen und Einkaufsverbände in Deutschland führen bereits portugiesische Anbieter im Portfolio. Auch für die Eigenmarken-Produktion stehen die Südländer gerne zur Verfügung.

Moderne Testmethoden, wie hier zur Formatüberprüfung mittels Laser, sind in Portugal selbstverständlich.
Moderne Testmethoden, wie hier zur Formatüberprüfung mittels Laser, sind in Portugal selbstverständlich.

Vielfach wurde uns berichtet, dass man gerne noch stärker mit dem deutschen Markt in Kontakt kommen möchte. Wie uns die besuchten Unternehmen mitteilten, empfinden sie den deutschen Markt zwar als schwierig und anspruchsvoll, aber auch als sehr lukrativ.

Die entsprechenden Produkte für den deutschen Markt haben fast alle Portugiesen in ihren Kollektionen, die wir durchweg gelungen und vielseitig aufgestellt fanden. Überraschender Weise hatten zahlreiche Hersteller neben der klassischen Feinsteinzeug-Ware in zig Varianten auch interessante Architektur-Programme im Angebot, die sich durch eine breite Farbpalette und technische Oberflächen auszeichnen und den Architektur-Programmen deutscher Hersteller in nichts nachstehen.

Moderne Architekturprogramme mit einer großen Auswahl an Farben.
Moderne Architekturprogramme mit einer großen Auswahl an Farben.

Handgemalte Unikate für den besonderen Touch

Fast ein Alleinstellungsmerkmal haben die Portugiesen aber bei ihren handgemalten Dekorfliesen und Wandbildern. In mühevoller Handarbeit werden diese keramischen Schmuckstücke noch in zahlreichen Werke für großformatige Wandbilder gefertigt. Dabei geht es nicht nur um traditionelle Motive, sondern auch um interessante und lukrative Objekt-Aufträge von renommierten Architekten aus der ganzen Welt, die mit modernen Wandinstallationen ihren Bauten aufwerten und schmücken wollen.

Immer mehr Architekten wollen ihre modernen Bauten mit zeitgemäßen Wandbildern eine besondere Note verleihen.
Immer mehr Architekten wollen ihre modernen Bauten mit zeitgemäßen Wandbildern eine besondere Note verleihen.

Fazit: Portugal ist ein Keramik-Reise wert. Nicht nur um sich die schöne Keramik in Lissabons Altstadt oder den Hauswänden von Porto anzuschauen, sondern auch um auf die Suche nach Anbietern zu gehen, die ein Portfolio etwas abseits dem herkömmlichen Mainstreams bieten.

Wir werden in den nächsten Wochen noch ausführlich über mehrere portugiesische Fliesenhersteller bei 1200Grad berichten.

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