Mobile Generalisten: „Müssen als Hersteller über den ,Fliesen-Tellerrand` schauen“
Ströher orientiert sich an der „Faktenlage“ und lehnt eine „Futterneid-Diskussion“ ab
Für die einen sind sie schlichtweg „Pfuscher“, die Baumängel verursachen und eine ganze Branche in Verruf bringen. Für die anderen sind die so genannten „Mobilen Generalisten“ mittlerweile zu einer wichtigen Größe, zu einer neuen Zielgruppe geworden, die man nicht länger ignorieren kann. Für das qualifizierte Handwerk stellen sie ein klares Feindbild dar; der Handel arrangiert sich mehr oder weniger mit dieser Kundengruppe. Wie sieht es mit der bauzuliefernden Industrie, den Herstellern von Baumaterialien aus? Wie sehen die Unternehmen das immer stärkere Anwachsen dieser (potenziellen) Kundengruppe? Gibt es spezielle Herangehensweisen, diese Kleinstbetriebe einzubinden, sie für die Produkte zu begeistern, ihnen die zumeist erklärungsbedürftigen Produkte näherzubringen? Zu dieser sehr kontrovers geführten Diskussion befragten wir Patrick Schneider, Geschäftsführer der Ströher Gruppe und zuständig für den Vertrieb Inland. Seine Position in dieser Sache ist eindeutig und mit einem Satz auf den Punkt gebracht: „Es wäre fahrlässig, sich als Hersteller diesem Thema nicht zu stellen!“
Herr Schneider, als Hersteller hochwertiger Keramik stellt die Ströher Gruppe dem Markt – den Architekten, dem Handel und den Verarbeitern – Produkte zur Verfügung, deren fachgerechte Verarbeitung einer Qualifikation bedarf. Leider stellt sich die Situation heute so dar, dass es immer weniger ausgebildete Fliesenleger gibt, die Zahl der Meisterprüfungen stark zurückgegangen ist – und somit, nicht zuletzt auch aufgrund einer starken Nachfrage nach Bauleistungen, immer mehr unqualifizierte Kräfte auf den Markt drängen. Wie gehen Sie als Hersteller mit dieser Entwicklung im Verarbeiterbereich um?
Schneider: Diese strukturelle Entwicklung ist nicht neu, stellt aber sicherlich eine der wesentlichen Herausforderungen für Industrie und Handel in unserer Branche dar. Fakt ist, die mobilen Generalisten sind heute ein fester Bestandteil in unserer Branche. Und Fakt ist auch, dass, nicht zuletzt durch die baukonjunkturelle Entwicklung, es heute zu wenig Verlegerkapazitäten gibt. Die von manchen geführte „Futterneid-Diskussion“ kann ich hier so nicht ganz nachvollziehen. Viel wichtiger wird es sein, die vermeintlich „unqualifizierten Kräfte“ zu erreichen, zu qualifizieren und für unseren Baustoff und unser Handwerk zu begeistern. Denn machen wir uns nichts vor, wir stehen durch diese strukturellen Veränderungen, die sich zukünftig noch verstärken werden, mehr denn je mit anderen Belagsmaterialien im Wettbewerb. Wir wollen auch zukünftig unsere Fliesen an den Fachmann bringen, auch wenn wir einige erst zu diesem machen müssen.
„Wir müssen die vermeintlich ,unqualifizierten Kräfte’ erreichen, qualifizieren und für unseren Baustoff und unser Handwerk begeistern.“
Welche Erfahrungen haben Sie als Hersteller bislang mit den „Mobilen Generalisten“ gemacht?
Schneider: Unabhängig ob Fachverleger oder „Mobiler Generalist“, es geht um die Minimierung von Ausführungs- und Verarbeitungsmängeln. Grundsätzlich ist das Schadensrisiko auf Terrassen und Balkonen größer als in anderen keramischen Anwendungsbereichen. Verarbeitungsfehler werden witterungsbedingt kaum verziehen und führen meist zu Schäden und somit zu einer Reklamation. Deshalb ist hier eine qualifizierte Handwerksleistung unabdingbar. Es war schon immer unser Anliegen, gemeinsam mit unseren Markpartnern unsere Fachverleger speziell für diesen Anwendungsbereich zu qualifizieren und zu schulen. Mit den sogenannten „Allroundern“ kommen „neue“ Zielgruppen hinzu – mit ähnlichen Anforderungen, aber unterschiedlichen Voraussetzungen gegenüber einem Fachverleger. Es wäre fahrlässig, sich diesem Thema nicht zu stellen.
Aufgrund Ihres Produktportfolios setzen Sie auf die „Könner ihres Fachs“ – nicht zuletzt auch bei anspruchsvollen Fassaden- und Terrassengestaltungen. Wie nähern Sie sich dieser Zielgruppe der Kleinstbetriebe, der Allrounder, der „Mobilen Generalisten“ an?
Schneider: Selbstverständlich sind nach wie vor die qualifizierten Verlege- und Fachbetriebe von großer Bedeutung. Daran wird sich auch nichts ändern. Aber aus den bereits geschilderten Gründen müssen wir auch „über den angestammten Fliesen-Tellerrand“ schauen. Für eine effektive Bearbeitung der „Mobilen Generalisten“ ist vor allem die Zusammenarbeit von Industrie und Handel von besonderer Bedeutung. Im Speziellen geht es hier um Bündelung der jeweiligen Kompetenzen, um auf Effizienz ausgerichteter, zielgruppengerechte Servicepakete, Zugang zu Online-Angeboten und Webshops und bedarfsgerechte Informationsausgestaltung.
„Für eine effektive Bearbeitung der ,Mobilen Generalisten` ist vor allem die Zusammenarbeit von Industrie und Handel von besonderer Bedeutung.“
Bieten Sie spezielle Informationen für diese Zielgruppe an, eventuell auch Schulungen oder Seminare?
Schneider: Das bieten wir an und das haben wir in der Vergangenheit immer getan. Klassische Schulungs- und Informationskonzepte sind heute nur bedingt zeitgemäß. Moderne Schulungskonzepte orientieren sich am Informationsverhalten dieser Zielgruppen. Hier sehen wir digitale Formate und Konzepte wie z. B. Webinare, Verarbeitungs- und Anwendungsfilme etc. von besonderer Bedeutung. Informationen müssen heute einfach verständlich, jederzeit und ortsunabhängig verfügbar sein. Darin befinden wir uns auf verschiedenen Ebenen in der Umsetzung.
Wie lokalisiert man als Hersteller diese „vagabundierenden Dienstleister“? Ist es nicht grundsätzlich schwierig, sie zu fassen, mit ihnen in den Dialog zu treten?
Schneider: Wenn man klassische Vertriebs- und Kommunikationswege betrachtet, ist dies sicherlich der Fall. Aber auch hier gilt es, alte Pfade ein Stück weit zu verlassen und neue Wege einzuschlagen. Der Informationsbedarf dieser Handwerkergeneration ist hoch, aber die Informationsbeschaffung und die Wahl der Kommunikationsmittel haben sich komplett verändert. Hier gilt es für uns über den Fachhandel hinaus, über digitale Angebote und Instrumente relevante Touchpoints aufzubauen. Digitalisierung heißt nicht nur einseitige Information, sondern Interaktion und Austausch mit der Zielgruppe. Unser Ziel ist es, diese Zielgruppe in ihrer Entwicklung zu fördern, damit aus “mobilen Generalisten” moderne Fachhandwerksunternehmen werden.
Gibt es von Seiten dieser Kunden-Gruppe überhaupt einen Bedarf nach Informationen über Ihre Produkte?
Schneider: Natürlich ist die Auswahl einer Fliese die Entscheidung des Endkunden. Aber die Rolle des Verlegers als Multiplikator ist hierbei enorm, unabhängig ob Fachverleger oder Generalist. Vor allem in einem so anspruchsvollen Anwendungsbereich wie Terrassen und Balkone. Ströher steht hier nicht umsonst als die Marke für sichere und dauerhafte Keramikbeläge. Eine Marke ist immer ein Argument. Auch für den „Mobilen Generalisten“. Denn eine Marke steht für Sicherheit. Sicherheit, die auch diese Kundengruppen schätzen.
“Unser Ziel ist es, diese Zielgruppe in ihrer Entwicklung zu fördern, damit aus ,mobilen Generalisten` moderne Fachhandwerksunternehmen werden.”
Kann man diese – doch recht heterogene – Zielgruppe „über einen Kamm scheren? Gibt es hier nicht auch diejenigen, die nur minimal in der Lage sind, die einfachsten Verlegetätigkeiten zu erledigen – und diejenigen, die sich an anspruchsvollere Lösungen (mit Ihren Materialien) herantrauen – auch ohne Gesellen- oder Meisterbrief?
Schneider: Es gibt eine Menge fachlich qualifizierter Handwerker, die vor allem eine äußerst hohe Motivation und Zuverlässigkeit auszeichnet. Schauen Sie, was ist existenziell für diese Zielgruppe? Die Kundenzufriedenheit, denn die sichert eine Weiterempfehlung durch den Kunden und damit neue Aufträge. Das ist das simpelste Marketinginstrument. Gute Arbeit spricht sich rum. Das gilt für Fachbetriebe und „Mobile Generalisten“ gleichermaßen.