Gradmesser: Wird die Baupolitik zum großen Wahlkampf-Thema?

„Das Thema birgt sozialen Sprengstoff“, so die Einschätzung von Parteien, Wirtschaft und Verbänden vor der Wahl. Doch wirksame Weichenstellungen für die künftige Baupolitik vor dem Bundestagswahlkampf erwartetet niemand. Eine solche durchgreifende Weichenstellung wäre zum Beispiel, dem Bund per Grundgesetzänderung mehr Mitsprache beim sozialen Wohnungsbau zu sichern. Diesen Plan hatte Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) allerdings schon aufgegeben.

„Gutes und bezahlbares Wohnen“ hatten die GroKo-Koalitionäre in ihrem Koalitionsvertrag von 2013 vereinbart. Die Bilanz ist fast vier Jahre später ernüchternd. Der längst auch von seriösen Quellen wie dem Hannoveraner Pestel-Institut als gesichert geltende Bedarf an jährlich 400 000 Wohnungen in Deutschland war nach Einschätzung von Bauwirtschaft und Mieterbund 2016 erst zu Dreivierteln gedeckt. In den „Schwarmstädten“, so bezeichnet Professor Harald Simons vom Forschungsinstitut Empirica die stark wachsenden Metropolen und Universitätsstädte, steigen die Mieten überproportional. Eigentumswohnungen oder Einfamilienhäuser seien damit für Normalverdiener in Städten wie München, Hamburg und inzwischen auch Berlin unerschwinglich.

Die Wohnungsbaupolitik ist inzwischen zu einem Experimentier-Feld für Themen wie Wohngeld, Bundeszuschüsse für die Länder zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus oder staatliche Förderprogramme für die energetische Sanierung von Gebäuden geworden. Man könnte auch sagen: Es herrscht eher das Gebot der Beliebigkeit und des parteipolitisch Machbaren. Politische Detailversessenheit an fragwürdigen Stellen statt Einigung auf eine große Linie in der Wohnungsbaupolitik bei Themen wie:
der soziale Wohnungsbau ist seit 2006 Angelegenheit der Länder, nicht des Bundes.

Experten in Wirtschaft, Verbänden und Parteien machen sich längst dafür stark, dass die lineare Abschreibung für die Abnutzung von Immobilien (AfA) von derzeit zwei auf drei Prozent der Anschaffungskosten erhöht wird. Ein Vorstoß der Bundesregierung, speziell den Mietwohnungsbau durch eine Sonderabschreibung zu fördern, scheiterte im Sommer 2016 kurz vor Verabschiedung im Bundestag. Die Idee des an die Zahl der Kinder eines Bauwilligen geknüpfte Baukindergeldes verpuffte. Unterschiedlich sind auch die Vorstellungen über Höhe und Ausgestaltung der Förderung.

Im nächsten Gradmesser gehen wir der Frage nach: Welche wichtigen Themen bestimmen die aktuelle baupolitische Diskussion?

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