Gradmesser: Italien bleibt vorerst gelassen

Die Italiener haben gewählt: Anfang Dezember haben sie die von Ministerpräsident Matteo Renzi vorgeschlagene Verfassungsreform mit einem klaren Nein von 59,11% Prozent abgelehnt. Das sehen viele Wahlbeobachter im zweiten Schritt auch als ein „no grazie“ zur EU und dem Euro.

Bei aller Skepsis, die die Ablehnung der Verfassungsreform auf politischer Ebene hervorruft, sollte man bei der wirtschaftlichen Interpretation die Kirche im Dorf lassen. Bis die Italiener den Euro womöglich gegen die Lira tauschen ist es noch ein langer Weg. Kein Wunder also, dass sich die italienische Keramikindustrie angesichts des Scheiterns von Renzi erst einmal gelassen gibt. Schließlich haben die Fliesenhersteller auf dem Stiefel bereits schadlos mehrere Legislaturperioden des verrückten Silvio Berlusconi überstanden. Da ist so ein gescheiterte Verfassungsreform in den Augen vieler Italiener das kleinere Übel.

Mindestens genauso entspannt dürfen sich die Kunden der italienischen Fliesenindustrie zurücklehnen. Außergewöhnliche Preiserhöhungen sind zunächst ebenso wenig zu erwarten wie schwerwiegende Marktturbulenzen, wie sie z.B. die spanische Fliesenindustrie nach der Binnenkrise des spanischen Marktes getroffen hat.

Dennoch darf man gespannt, wie es in Italien langfristig weitergeht, denn die italienische Wirtschaft befindet sich zweifellos seit Jahren in einer tiefgreifenden Krise. Diese könnt irgendwann auch die erfolgsverwöhnten italienischen Keramiker einholen. Die Fliesenproduzenten verdienen zwar ihr Geld vorwiegend auf florierenden Exportmärkten, aber eine Banken- oder Wirtschaftskrise im Heimatmarkt können sie so wenig gebrauchen wie der Italiener einen Sommertag ohne Sonnenbrille.

Aber die Rettung naht: Silvio Berlusconi hat sich schon als neuer Ministerpräsident angeboten.

Ralf Schanze
Chefredakteur 1200Grad

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