Expressiver Minimalismus mit großzügigen Formen
Liquid, die erste Badkollektion von Tom Dixon und Vitra Bad
Inspiriert von viktorianischen Badwelten, Pop Art und Kinderzeichnungen: Liquid, die erste Badkollektion von Tom Dixon, sorgt für einen unverwechselbaren Look in Privathäusern ebenso wie in Hotels.
Mit der Serie „Liquid“ baut der türkische Sanitärkeramikhersteller Vitra Bad seine Zusammenarbeit mit international renommierten Designern weiter aus. So ergänzt ganz aktuell der Name Tom Dixon die Liste der Vitra Bad Designer, die von Ross Lovegrove, Sebastian Conran, Arik Levy, Mattheo Thun, Terri Pecora bis Claudio Bellini reicht. Insgesamt sieben individuelle Designer-Serien umfasst das Portfolio bisher. Dass jetzt auch der britische Designer Tom Dixon dazu gehört, begründet Vitra mit dem optimalen Zusammenspiel. Denn beide Partner würden eine Vision teilen: Beide würden nach innovativen, einzigartigen Designs streben, die ihre Attraktivität über viele Jahre hinweg bewahren, was man gern auch als zeitlos bezeichnet. Ihr Ziel: Die gemeinsame Badkollektion sollte modern, aber nicht flüchtigen Trends unterworfen sein. In wie weit sich dies langfristig bestätigt, bleibt abzuwarten.
Immerhin präsentiert sich Dixons Entwurf einigermaßen unverwechselbar, was in der übervollen Welt der Designer-Produkte für das Bad an sich schon nicht selbstverständlich ist. Sie ist weitgehend frei von formalen Spielereien, mit denen sich Designer gern profilieren wollen, was aber kaum ein Verbraucher nachvollziehen kann. Auf jeden Fall ist die neue Kollektion vollumfassend und reicht von der Keramik über Fliesen, Möbel und Armaturen bis hin zu Accessoires. Für Erdem Akan, Design Direktor von Vitra Bad, gilt auch im Fall Dixon, dass die einzelnen Elemente im Zusammenspiel ebenso perfekt funktionieren müssen wie als Einzelstücke.
Viktorianische Handwerkskunst trifft „expressiven Minimalismus“
Dixon ließ sich vor allem von viktorianischen Bädern inspirieren: „Mit ihren massiven Armaturen vermitteln sie ein Gefühl der Beständigkeit, das mag ich sehr. Ihre Ästhetik ist eng mit britischer Ingenieurs- und Handwerkskunst verbunden, die die Entwicklung moderner Bäder stark beeinflusst hat.“ Die Tatsache, dass der Werkstoff Porzellanton leicht verfügbar und extrem haltbar ist, hat den Designer besonders unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit überzeugt. Ebenso begeisterte ihn das Material in seiner Wandelbarkeit: „Es ist faszinierend, wie sich ein Stück graue, schmierige Erde in etwas so Weißes, Sauberes und Glänzendes verwandeln kann“, begeistert sich der Designer. Immerhin ist es seine erste gestalterische Begegnung mit dem „Stück graue, schmierige Erde“.
Wer genauer hinschaut, entdeckt aber nicht Elemente aus der Zeit der Regentschaft der britischen Königin Victoria von 1837 bis 1901 (daher der Name „victorianisch“). Auch Spuren der Pop Art, wie etwa von Jeff Koons „Balloon Dog“, leugnen Dixons Entwürfe ebenso wenig wie die organischen Formen der Bildhauerin Barbara Hepworth. Entgegen dem aktuellen Trend zu schlanken Designs hat Tom Dixon seiner Serie weichere, voluminösere Formen verliehen und auch gleich den passenden Namen: „expressiver Minimalismus“. „Ich wollte, dass die Kollektion aussieht wie eine Kinderskizze von einem Waschbecken oder einem Wasserhahn“, umreißt er sein Gestaltungsprinzip, „mit klarer Logik und Einfachheit in Aussehen und Anwendung.“ Optimaler Funktionalität ist daher das Credo: Die Armaturen lassen sich intuitiv bedienen, die abgerundeten Kanten sorgen für Sicherheit im Bad. Gleichzeitig sind die glatten Konturen der Keramikelemente leicht zu reinigen.
Weiße Badkeramik und markante Armaturen
Die bewusst ausschließlich in Weiß gehaltene Badkeramik hat Dixon mit verschiedenen Materialien kombiniert: etwa mit geriffeltem Glas und Metallgewebe. Armaturen und Duschköpfe sind wahlweise in Chrom oder in einem ungewöhnlichen glänzenden Schwarz erhältlich. Zum Sortiment gehören auch markante Wandfliesen, die in Deutschland allerdings nicht zum Portfolio gehören.
„Liquid by Tom Dixon” ist eine sanitäre Ausstattungsserie von Vitra Bad. Der Badausstatter ist als Vitra Bad Teil der türkischen Eczacıbası Bauprodukte Gruppe. Mit der neuen Kollektion setzt sich der Designer Tom Dixon bewusst von den immer dünner und filigraner werdenden Sanitärprodukten ab und entwarf Armaturen und Sanitärobjekte mit markanten Konturen. Tom Dixon, Jahrgang 1959, hat mit Marken wie Adidas, Asplund, Cappellini, Foscarini, Habitat oder Ikea zusammengearbeitet. Bislang waren seine zentralen Themen außergewöhnliche Produkte fürs tägliche Leben: Möbel, Leuchten und Accessoires. Das Thema Fliesen war für ihn bislang lediglich in Form von Zementfliesen präsent, die er für den italienischen Hersteller Bisazza entworfen hat.
Interview mit Tom Dixon: „Ich sehe keinen Sinn darin, Funktionalität zu verstecken“
Mit „Liquid by Tom Dixon” hat der britische Designer erstmals eine Badkollektion entworfen. Wir haben mit ihm über den Entstehungsprozess, seine Ansprüche an gutes Design im Badezimmer und seine ganz persönliche Leidenschaft für Keramik gesprochen.
„Liquid“ ist die erste Badkollektion, die Sie gestaltet haben. Wie entstand die Idee?
Es war das Arbeiten mit Ton in der Schule, das mich zum Design gebracht hat. Tatsächlich ist meine einzige offizielle Qualifikation für meinen Beruf ein Advanced Level im Töpfern, deshalb wollte ich schon lange mit Keramik arbeiten. Bis heute bin ich davon fasziniert, wie sich ein Klumpen graue und schmierige Erde in etwas so Weißes, Sauberes und Glänzendes verwandeln kann. In den letzten 20 Jahren habe ich viele verschiedene Dinge von Möbeln und Leuchten bis zu Textilien entworfen, aber eine Badkollektion ist noch einmal eine völlig neue Herausforderung, auch deshalb, weil Bäder einen anderen Lebenszyklus haben als die meisten meiner Produkte. Ein zusätzlicher Antrieb war die Art und Weise, wie die Rolle des Bads sich verändert: Menschen nutzen es anders und weniger funktionsgebunden als früher. Ähnlich wie die Küche entwickelt es sich zu einem Raum, in dem Menschen gerne Zeit verbringen und in den sie sich zurückziehen können, die Pandemie hat hier als Turbo gewirkt.
Und wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem türkischen Sanitärhersteller Vitra Bad?
Eigentlich war ich auf der Suche nach einem Hersteller, mit dem ich meine Ideen umsetzen kann. Ich hatte ein integriertes System im Kopf, bestehend aus Fliesen, Armaturen, Sanitärobjekten, Möbeln und Accessoires. Es gibt aber nur sehr wenige Hersteller, die in der Lage sind, all das nicht nur anzubieten, sondern auch zu produzieren. Und nicht viele haben den Mut oder die Vision, diese Elemente in einer Kollektion zusammenzufassen. Das meinte ich, bei VitraBad gefunden zu haben und so hat sich die Zusammenarbeit zu einer Kooperation mit dem internen Designteam weiterentwickelt.
Was war der Grundgedanke hinter der Kollektion?
Für mich war das die Frage, wie man es Menschen leichter machen kann, ein wirklich schönes Bad zu planen. Das ist nicht immer einfach, weil die Räume oft relativ klein sind. Am Anfang war ich besessen von der Idee, dass sich alles an der Fliese ausrichtet, und habe mit einem modularen Raster gearbeitet. In der Realität hat das nicht funktioniert, dafür sind die Anforderungen zu komplex. Die Fliesen als zentrales Element sind allerdings geblieben. Es gibt sie in fünf Farben und fünf Mustern, und sie erlauben eine sehr individuelle Gestaltung des Bades. Im Ende sind wir mit der Serie ganz woanders gelandet als da, wo wir angefangen haben, aber ich liebe es, naiv zu sein und unbedarft an eine neue Sache heranzugehen, denn nur so findet man originelle Lösungen. Ich will gar kein Superexperte sein.
Wie verlief die Zusammenarbeit mit Vitra?
Wenn Amateure, in diesem Fall also ich, auf Profis treffen, ist es ganz normal, dass es unterschiedliche Meinungen und Auffassungen gibt, was geht und was nicht geht. Und natürlich gibt es einige Aspekte, die vor allem aus technischen Gründen einfach gesetzt sind. Was ich an meinem ursprünglichen Schwung bei einem Projekt wie diesem vielleicht verloren habe, habe ich an echtem Verständnis für die Komplexität des Themas hinzugewonnen. Wir haben mit vielen Ideen und Moodboards gespielt, und dann habe ich zusammen mit Erdem Akan, dem Design Director, und Boğaç Şimşir, dem Innovation Director von Vitra, die Produktion in der Türkei besucht. Das Innovationszentrum verfügt über eine wirklich beeindruckende Anlage zur Herstellung von Prototypen in Originalgröße. Die Armaturen werden im 3D-Druckverfahren hergestellt, aber die Keramik wird gefräst. Die Formen werden praktisch von Robotern geschnitzt. Die so gefertigten Prototypen unserer Serie wurden dann in einer Badezimmerumgebung in Istanbul aufgestellt. Ich liebe es zu wissen, wie Dinge funktionieren und zu sehen, ob ich einen neuen Blickwinkel finden kann.
Der Hocker ist sicherlich das ungewöhnlichste Element der Serie „Liquid“. Welche Inspiration steckte hinter seiner Gestaltung?
Es gab hier ganz verschiedene und auf den ersten Blick sicherlich konträre Einflüsse. Einer davon war der skulpturale Stil der viktorianischen Ära. Heute ist Keramik oft dünn, viereckig, kantig. Ich dagegen mag das Gefühl der Beständigkeit in viktorianischen Badezimmern, die großen, klobigen Armaturen, voluminösen Konturen und dicken Rohre. Es ist eine Ästhetik, die eng mit der Tradition britischer Ingenieurskunst verbunden ist. Die Hygiene-Infrastruktur und die Abwassersysteme haben die Entwicklung des modernen Badezimmers maßgeblich beeinflusst, und viel davon wird heute noch genutzt. Andererseits ist die Serie auch von Pop Art inspiriert, unter anderem durch Werke wie den „Balloon Dog“ von Jeff Koon oder Claes Oldenburg. Ich wollte, dass die Kollektion aussieht wie eine Kinderskizze oder eine Cartoon-Version von einem Waschbecken oder einem Wasserhahn.
Welchen Einfluss hat das auf die Funktionalität?
Neben der Formensprache waren mir Einfachheit, Funktionalität und Robustheit wichtig. Die Armaturen lassen sich intuitiv bedienen – wahrscheinlich haben wir alle schon einmal die Erfahrung gemacht, dass wir in einem Hotelbadezimmer lange gebraucht haben, um herauszufinden, wie man die Dusche einstellt und uns am Ende doch verbrannt. Genau das wollte ich nicht. Ich sehe keinen Sinn darin, Funktionalität zu verstecken. Die Rohre der Kollektion zeigen genau, was sie machen, die Bedienelemente sind groß und ein bisschen knorrig. Die abgerundeten Kanten schaffen eine sichere Umgebung im Bad, auf so etwas achte ich mehr, seitdem ich selbst Kinder habe. Die glatten, runden Konturen sorgen für einen guten Wasserfluss und leichte Reinigung. Mein Ziel war eine klar erkennbare Funktionalität und ein reduziertes visuelles Grundrauschen – nicht zu kompliziert und intuitiv bedienbar.
Ist Liquid eher eine exklusive Objektserie, beispielsweise für Hotels, oder auch für normale Bäder geeignet?
Ich glaube, es ist eine Kollektion, die in vielen Umgebungen funktioniert. Früher haben sich Sanitärprodukte für Hotels deutlich von denen für Privathaushalte unterschieden, aber heute verschwimmen die Grenzen immer mehr, genauso wie die klare Abgrenzung zwischen Räumen. Hotelzimmer oder Restaurants sind Inspirationsquellen, und wenn Menschen dort etwas sehen, was sie dann auch in ihrem Zuhause haben wollen, ist das großartig. Für mich ist die Kollektion eine Art multifunktionales Schweizer Taschenmesser.
Ihr Lieblingsstück aus der Serie?
Das ist ein bisschen wie die Frage nach dem Lieblingskind – ich kann darauf keine Antwort geben.
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