“Es gab einen digitalen Push in der Branche”

Interview mit Katharina Metzger, Präsidentin des Deutschen Baustoff-Fachhandel (BDB)

Erstmalig in der über 117-jährigen Verbandsgeschichte hat mit Katharina Metzger eine Frau das Ruder beim Deutschen Baustoff-Fachhandel (BDB) übernommen. Ihre Amtszeit fällt in eine wirtschaftlich wie gesellschaftlich schwere Zeit, bei dem auch die Verbände vor zahlreichen neuen Herausforderungen stehen. 1200Grad unterhielt sich mit ihr über den aktuellen Status Quo der Branche – auch in Sachen Fliesen-Verbandsarbeit….

Frau Metzger: Ihre ersten 100 Tage im Amt sind schon etwas länger um. Wie ist Ihr erster Eindruck als BDB-Präsidentin?

Sehr positiv, vor allem wegen der vielen freundschaftlichen, sehr aufmerksamen Glückwünsche, die ich nach der Übernahme der Aufgabenstellung erhalten habe. Dafür möchte ich mich auch auf diesem Wege bedanken. Sehr positiv aber auch, was ich ja bereits wusste aus der Mitgliedschaft im Präsidium, was die Bandbreite der Themen anbelangt, die wir im BDB bearbeiten. Die Aufgaben im Fachhandel, Lagerung, Logistik, Refinanzierung des Handwerks oder ganz aktuell die Beschaffung sind wichtig und haben einen hohen Stellenwert in der Prozesskette Bau.

Erstmalig in der über 117-jährigen Verbandsgeschichte hat eine Frau das Ruder beim Deutschen Baustoff-Fachhandel übernommen. Zudem haben Sie die Nachfolge eines Vorgängers übernommen, der die Verbandsarbeit stark geprägt hat. Empfinden Sie das als Herausforderung oder als Belastung?

Und ich fühle mich zu Hause in der Welt des Bauens.

Warum soll ich das als Belastung empfinden? Verbandsarbeit ist Unternehmerarbeit, das war auch das Credo von Stefan Thurn und dem fühle ich mich in der gleichen Art verpflichtet. Und ich fühle mich zu Hause in der Welt des Bauens. Seit über 25 Jahren führe und entwickele ich mit meinem Team die Metzger Gruppe. Ich kann mich auf meine Mannschaft verlassen. Herausfordernd ist die Aufgabe auf jeden Fall und dem stelle ich mich in dem Bewusstsein nicht nur als Unternehmerin, sondern als eine wichtige Stimme für die Branche. Und die Sicht auf das Bauen ist vielfach dogmatisch. Weder im Verkehrs- noch im Umweltministerium hat der Bau die Aufmerksamkeit erhalten, die er gesellschaftspolitisch braucht. Wir sind nicht nur einer der größten Arbeitgeber in Deutschland – Bauen trägt auch zur Lösung wichtiger sozialer und gesellschaftspolitischer Fragestellungen bei und hat im Gegensatz zum Verkehr seine CO2-Einsparziele seit 1990 geleistet. Und wir brauchen mehr Pragmatismus in der Politik, keine Optimierung im energiepolitischen Elfenbeinturm. Wir brauchen weniger Ordnungsrecht und mehr Wettbewerb um gute Lösungen.

Und wir brauchen mehr Pragmatismus in der Politik, keine Optimierung im energiepolitischen Elfenbeinturm. Wir brauchen weniger Ordnungsrecht und mehr Wettbewerb um gute Lösungen.

Ihre Amtszeit fällt in eine wirtschaftlich wie gesellschaftlich schwere Zeit. In wie weit prägt die Corona Krise auch die Verbandsarbeit?

Wirtschaftlich muss man sagen, hat der Bau von Corona profitiert. Das letzte Jahr war für alle am Bau ein Jahr guter Zahlen. Noch heute sind die Straßen freier, leerer – laufen unsere Züge effizienter. Das Thema Corona hat sich niemand ausgesucht, aber es ist für Mitarbeiter besser zu leisten, wenn das Unternehmen oder die Branche, in der sie arbeiten, einen guten Lauf hat. Ansonsten geht es uns wie den meisten. Es fehlen die persönlichen Gespräche, der authentische Austausch, die Kontakte zwischen den Terminen, aber das gilt für alle und wir sind zuversichtlich, dass wir bald anknüpfen können an die Arbeitsweise vor der Pandemie. Der nächste Wohnungsbautag am 6. Mai wird auf jeden Fall digital stattfinden, d.h. die Verbände werden vor Ort sein, die Politiker auch, aber die Abgeordneten, die Medien und das Fachpublikum werden wir nur online treffen und das ist eine Herausforderung. Wir kommen zu einer ganz anderen Aufbereitung der Information, aber auch das ist eine Aufgabe, das ist spannend.

Was hat sich nach Ihrer Ansicht in einem Jahr Pandemie in der Branche geändert?

Uns fehlt der persönliche Austausch. Das Telefon und die indirekte Kommunikation per Videokonferenz beherrschen den Arbeitsalltag. Das spüren alle. Mir persönlich geht es so, dass die noch konzentriertere Aufbereitung der Inhalte, die Schwierigkeit, nonverbale Kommunikation wahrzunehmen, die Sitzungen anstrengender sein lassen. Viele freuen sich darauf, wieder persönlich in Sitzungen zusammenzukommen. Aber … ich bin sicher, einige Treffen, gerade wenn es um den sachlichen Austausch von Informationen geht, werden zukünftig keine Reisetätigkeit mehr erfordern und was viel wichtiger ist: Es gab einen digitalen Push in der Branche. Wir sind nicht nur in der Kommunikation, sondern auch in vielen Abläufen, Präsentationen und im Datenmanagement digitaler geworden. Das ist sicherlich ein Positiv-Aspekt der Pandemie. Vielleicht einige Gedanken zur Branche … In der Branche läuft der Wohnungsbau, laufen die öffentlichen Investitionen, aber im Wirtschaftsbau ist, zumindest im Hochbau, das Engagement verhalten. Tourismus, Gastronomie, Einzelhandel und andere Teilbranchen zögern mit Investitionen und das macht sich natürlich auch im Tagesgeschäft bemerkbar.

Es gab einen digitalen Push in der Branche.

Wie beurteilen Sie die Zukunftsaussichten für das laufende und das folgende Jahr?

Es ist Licht am Ende des Tunnels erkennbar – und das ist gut. Ich bin sicher, Deutschland wird wie 2009/2010 gestärkt aus dieser Krise hervorgehen. Wir werden Investitionen bekommen und manche Produktion in den eigenen Gefilden positionieren, weil uns deutlich geworden ist – in der Krise und mit der Krise – dass es wirklich systemrelevante Produkte und Produktionen gibt, über die man vor Ort, in unserem Kulturkreis und politischen Einflussbereich verfügen sollte. Global Sourcing ist wichtig, aber nicht in allen Punkten der Weisheit letzter Schluss. Die Fragen im Wohnungsbau müssen noch gelöst werden, die Aufgabenstellungen im Wirtschaftsbau drängen und insofern denke ich, dass der Bau auch nach der Krise zu den Bereichen gehören wird, an denen nicht gespart wird. Etwas skeptisch sehe ich allerdings die Positionierungen von Parteien in Meinungspapieren oder Bundestagsdrucksachen, in denen „Weltverzehrungstheorien“ beschworen werden. Ich halte es nicht für zulässig, unseren Baustandard und unsere Art der Organisation nach dem zweiten Weltkrieg mit allen klimatischen Bedingungen und der Art des verdichteten Lebens und Wirtschaftens mal eben mit dem Bevölkerungswachstum in Asien und Afrika zu korrelieren und dann zu Aussagen zu kommen, wieviel Rohstoffwelten man verbraucht. Es ist keine Frage, dass Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft ein wichtiges Thema für die Sicherung lebenswerter Rahmenbedingungen für die nächsten Generationen sind – aber bitte mit Augenmaß, mit dem Blick auf die Wissenschaft, undogmatisch und in Verantwortung gegenüber den Arbeitsplätzen in Wirtschaftsbereichen mit vielen qualifizierten Arbeitskräften.

Ich bin sicher, Deutschland wird wie 2009/2010 gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.

Sie wollten an die z.T. sehr politisch geprägte Arbeit ihres Vorgängers Stefan Thurn anknüpfen. Konnten Sie schon erste Drähte nach Berlin knüpfen?

Ja, wir haben erste Pressekonferenzen und Gespräche geführt und sind aktuell dabei, den 12. Wohnungsbautag vorzubereiten. Der BDB ist hier in koordinierender Funktion tätig. Ich werde diese beiden Tage vor Ort in Berlin sein. Ich halte es für sehr zielführend, sich auf der „Makroebene“ für unsere Branche einzusetzen. Der Bau braucht einen hohen Stellenwert in Deutschland, weil wir mehr Menschen beschäftigen als die Mobilität; weil wir Einspareffekte bringen, die anderen Bereichen – wie der Energiewirtschaft – zugerechnet werden, z.B. wenn wir Fernwärme in unseren Gebäuden einsetzen und weil wir für Produkte arbeiten, die nachhaltig unser Leben begleiten. Das muss kommuniziert werden. Gebäude, zumal Wohngebäude, haben einen längeren Lebenszyklus als vier bis zehn Jahre, sie begleiten uns über Jahrzehnte, im Extrem über Jahrhunderte und mehr – und tragen maßgeblich zur Identität und Organisation gesellschaftlichen Lebens bei. Deshalb müssen wir besonders verantwortlich mit diesen Aufgaben umgehen und den Stellenwert unterstreichen. Aber es gibt natürlich auch genügend tagespolitische Ereignisse und Themen, bezüglich derer es gut ist, den richtigen Ansprechpartner in Berlin zu haben.

Seit einiger Zeit gibt es mit der Arbeitsgruppe Fliese im BDB neben dem VDF eine zweite Interessensvertretung für die Fliesenhändler in Deutschland. Wäre es nicht positiver, wenn der Fliesenhandel gegenüber den internationalen Herstellern mit einer Stimme sprechen würde?

Ohne Zweifel ist es für Außenstehende immer besser, wenn man einen Ansprechpartner als mehrere hat. Keine Frage. Manchmal entwickeln sich Themen anders, als man es sich wünscht. Es waren nicht Branchen-Außenstehende, die hier das Zepter des Handelns ergriffen haben, sondern Unternehmer, die mitten drin waren im Geschehen. Unternehmer, die allen Respekt vor langjährig aktiven Personen und der Art und Weise, wie Organisationen gewirkt haben, hatten. Und wenn sich Mitglieder dann nicht mehr vertreten fühlen, kann es durchaus Sinn machen, über neue Konstellationen nachzudenken. Wir sind im Gespräch. Unsere Angebote stehen und wir haben dem VDF sowohl bei den vergangenen Studien – jetzt im Nachhinein – als auch bei der neuen Studie eine finanzielle Beteiligung im Sinne der Sache zugesagt. Unser Interesse ist es, die Fliese als wirklich nachhaltigen Baustoff zu fördern und zu positionieren. Die anderen Themen werden sich ordnen – da bin ich überzeugt.

Und wenn sich Mitglieder dann nicht mehr vertreten fühlen, kann es durchaus Sinn machen, über neue Konstellationen nachzudenken.

Wie ist der Status Quo der Zusammenarbeit mit dem VDF? Eine Zeit lang stand einmal zur Diskussion, dass auch die restlichen VDF-Mitglieder in die BDB-Arbeitsgruppe Fliese wechseln wollten… Gibt es sonst Berührungspunkte zwischen den beiden Handelsgruppen bzw. eine Zusammenarbeit?

Wie andere Unternehmen denken und was Sie tun, das steht nicht in meinem Einflussbereich. Unseren Mitgliedern, Fachhandel im BDB und Industrie im Gesprächskreis, bieten wir mit der AG Fliese im Gesprächskreis eine Plattform zum Austausch. Wir sind im Gespräch mit der VDF Geschäftsführung. Es gab ein Konzept, das im Namen des BDB und des VDF erarbeitet wurde und zu dem das BDB Präsidium sich offen gestellt hat. Die VDF Geschäftsführung wird uns signalisieren, wie man zu den Themen steht; so sind wir offen und konstruktiv miteinander verblieben. Und wir sind auch mit anderen Gruppen in Gesprächen – das ist einfach unsere Aufgabe – im Sinne der Fliese und für den Baustoff-Fachhandel.

Es gab ein Konzept, das im Namen des BDB und des VDF erarbeitet wurde und zu dem das BDB Präsidium sich offen gestellt hat.

Vita Katharina Metzger

Katharina Metzger, Jg. 1965 geb. in Dortmund, in einer festen Partnerschaft lebend,
1 Tochter, Studium in Halifax und Frankfurt am Main, seit 1999 in der Metzgergruppe, zunächst als Prokuristin, seit 2004 alleinvertretungsberechtigte geschäftsführende Gesellschafterin, ehrenamtliche Richterin am Arbeitsgericht, Sprecherin der Eurobaustoff Fachgruppe Trockenbau, seit 2020 Präsidentin des BDB.

 

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