eBHB2020: Zweiter Kongresstag wagt den Blick in die „neue Normalität“ der Branche

Experten analysieren Veränderungen beim Käuferverhalten

Wenn die Ausnahmesituation Corona nicht mehr jeden Tag das Denken und Handeln beherrscht – wie geht es dann für die DIY-Branche weiter? Dieser Grundgedanke stand im Besonderen über dem zweiten Tag des eBHB2020, der in diesem Jahr rein digitalen Version des Internationalen Baumarkt-Kongresses. Dem geben die über 340 Teilnehmer in ersten Feedbacks schon jetzt mehrheitlich sehr gute Noten.

Nach dem Begrüßungs-Networking, das für die Teilnehmer eigens vor dem offiziellen Programbeginn freigeschaltet war, ging Moderator Dr. Peter Wüst zunächst in die kurze Rolle rückwärts: Eine große Menge an Themen hatte sich in den vielen Diskussionen der Handels-Breakouts vom ersten Kongresstag angesammelt. Hieraus hatten die Moderatoren interaktive Teilnehmervotings vorbereitet, die eine spannende digitale Abstimmungsrunde einleiteten. So ergab sich ein sehr detailliertes Stimmungsbild der Branche. So sieht ein Großteil der Teilnehmer aus Handel und Industrie die Umsätze auch 2021 gleichbleibend auf dem sehr hohen Niveau des laufenden Jahres.

BHB-Hauptgeschäftsführr Dr. Peter Wüst. Foto: BHB

Beratungsqualität wird künftig einer der entscheidenden Faktoren – und so muss die Branche in geeignete Schulungsformen für die Mitarbeiter investieren, sagten nahezu alle Kongressteilnehmer. Die Mehrheit sprach sich zudem dafür aus, dies im engen Verbund von Handel und Industrie organisatorisch anzugehen. Auch über die entscheidenden ToDo’s abseits „von Corona“ waren sich die Kongressteilnehmer weitgehend einig: die weitere Optimierung der Lieferkette, der Ausbau der Cross-Channel-Exzellenz und die Verbesserung der Customer Journey sind die ausschlaggebenden Faktoren.

„Mut des Handelns“

„Mut des Handelns“ stand dann sehr passenderweise als Schlagzeile über den Ausführungen des bekannten Management-Beraters Prof. Dr. Guido Quelle. Die deutliche Botschaft: Ein einfaches „Weiter so“ und blindes Vertrauen, dass sich die augenblickliche Verbraucherstimmung automatisch weiter positiv auf die Bau- und Gartenfachmärkte auswirken wird, wäre naiv, so Quelle. Mit Blick auf ihre derzeitig guten Zahlen müssten sich deshalb Unternehmen von Handel und Industrie gleichermaßen fragen, wie volatil der Erfolg tatsächlich sei. Wachstum sei nur gut, wenn es intelligent und gesund angelegt sei – weder durch Rabatte noch durch kurzfristige Bedarfsdeckung erkauft. Quelle definierte die Handlungsfelder, in denen sich die Unternehmen auf ein Abflauen des Umsatzhochs vorbereiten sollten: Zum einen dürfe man eine Strategische Weiterentwicklung auf in Zeiten operativen Erfolges nicht ruhen lassen, besonders das ständige Hinterfragen der eigenen Marke sei zwingend notwendig – sei es in Bezug auf Produkte, Vertrieb oder Zielgruppen. Führung bleibt wichtig – das Vorleben der Unternehmenslenker und die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen sei ebenso entscheidend wie der stetige Blick auf die Prozesse im Vertrieb und die gesamte Lieferkette. Quelle: „Behalten Sie vor allem die Schnittstellen im Blick – Sie kosten oft viel Geld , Zeit und Nerven“.

Das Jahrzehnt des Zuhauses ist angebrochen

Mathias Gehrckens und Nicole Steinmetz vom Beratungsnetzwerk Accenture zielten in ihrem Doppelvortrag auf die These, die sich schon vor, aber mit der Verstärkung von Corona immer deutlicher herauskristallisiert: Das Jahrzehnt des Zuhauses ist angebrochen. Derzeit erlebe man weltweit eine Art „Corona-Biedermeier“, in dem Sicherheitsstreben daheim sowie der Rückzug ins Private und das familiäre Nest elementare Werte seien. Wichtig sei deswegen, welche Ansätze aus der entstandenen Dynamik die Branche nutzen kann, um auch nach dem Ende des Hypes langfristig erfolgreich sein zu können Zwei bedenkenswerte Ansätze warfen sie in ihren Vorträgen besonders auf – da sich die Onlineshopping-Affinität der Kunden weiter stark erhöhe, seien die Baumaktbranche gut beraten, hier Kompetenz und Beratung auf diesen Kanälen deutlich zu verstärken. Der Megatrend Nachhaltigkeit sei weiterer erfolgversprechender Ansatzpunkt, den schon einige Unternehmen mit durchaus positiven Entwicklungen in ihren Umsätzen verfolgten. „Entwickeln Sie ihr Unternehmen vom Produktanbieter zum Lösungsanbieter“, so ihre Botschaft.

Die Shopper-Perspektiven 2021

Diese und andere Ansätze konnte Zahlenspezialist Martin Langhauser, Direktor GFK Consumer Panels, mit konkreten Daten belegen: Die Shopper-Perspektiven 2021 – eine spannende Mischung aus Statistiken und Zahlentrends paarte Langhauser mit Live-Votings, bei denen sich die Antworten der Teilnehmer live in den Vortrag einspielten. Einige Kernzahlen: Dass das Corona-Jahr sich positiv auf die Bau- und Gartenfachmärkte auswirkt, belegen auch die jüngsten Umfragen der GFK. Dem ersten Halbjahr ordnen die Zahlenforscher der DIY-Branche ein Wachstum bei allen relevanten Werten zu. Die Frequenz der Baumarktbesuche steigt beim Befragungspanel auf 8,1, der Durchschnitts-Warenkorb auf 378 Euro (2019: 337 Euro). Der Marktanteil der großflächigen Baumärkte erhöht sich auf 36%. Allerdings bekommen mit sonstigem Fachhandel (18%)und dem LebensmittelEinzelhandel (12%) auch andere Vertriebsformen Rückenwind bei DIY-relevanten Sortimenten. Der Blick auf die den Online-Anteil am Umsatz über alle Vertriebsformen (auch reine Online-Händler) steigt im Corona-Jahr deutlich von 16% auf jetzt 22% – hier sagt die GFK in den nächsten Jahren ein Wachstum auf über 25 % voraus. Amazon als relevanteste Online-Größe wächst bei den DIY-Sortimenten weiter – und baut seinen Anteil allein auf 7,1% aus. Nachhaltigkeit ist das große Mega-Thema, belegt auch die Zahlenforschung. Demnach setzen bereits 32 % der Baumarktkunden konsequent auf Nachhaltigkeit und kaufen ihre Produkte nach diesen Kriterien, auch wenn dies teurer ist. Langhauser lenkte den Blick auf ein weiteres drängendes Thema: Noch dominiert die Generation der Baby-Boomer die Baumarkt-Kundschaft – mit hohem Warenkorb. Doch hier steht eine „Wachablösung“ durch die Millennials-Generation an – mit noch nicht abschätzbaren Folgen. Besonders deren Online-Affiniät und bereits jetzt weniger StationärKontakten erzeugen für die Branche einen gewissen Handlungsdruck.

Umgang mit der „unerwarteten Zukunft“

Gespannt warteten die Teilnehmer auf den Online-Auftritt von Erich Harsch. Der erfahrene Manager hatte im Vorjahr das Amt des Vorstandsvorsitzenden der Hornbach Baumarkt AG übernommen und musste das Großunternehmen quasi nahtlos durch die CoronaHerausforderung lenken. Sein Kernsatz, eine solche Krise als Chance zu nutzen, fand viel Beachtung unter den Zuhörern. Es komme immer auf die Menschen an, betonte der Manager. Denn sie seien es, die den Umgang mit der „unerwarteten Zukunft“ letztendlich für das Unternehmen bewältigten. Wie sie das tun (können), richte sich stark nach der geltenden Unternehmenskultur. Wenn die anstatt eines engen Regelwerks die Menschen nach ihren Fähigkeiten und der eigenen Urteilsfähigkeit agieren lasse, gewinne das Unternehmen sehr deutlich. Harsch fügte als Beispiel den Erfindungsreichtum der Teams in den Hornbach-Märkten zu Beginn der Corona-Beschränkungen an. Aus vielen Maßnahmen vor Ort habe sich blitzschnell ein „Best Practice“ entwickelt, das man durch zentrale Vorgaben so nie hätte erreichen können. Ein ganz entscheidender Punkt dabei sei das Zutrauen, das man den Mitarbeitern entgegenbringe. Das Vertrauen in eine „Selbstorientierungskompetenz“ der Menschen müsse dabei ebenso geübt werden wie die Mitarbeiter ihren größeren Handlungsspielraum üben müssten. Das habe sich für Hornbach sehr gut ausgezahlt, das Unternehmen performe sogar über dem Branchenschnitt. Das sei dem hohen Engagement der Mitarbeiter zu verdanken, die man über zwei Sonderprämien am derzeitigen Erfolg beteiligt hätte. Besonderheit: Man bitte darum, das Prämien-Geld im lokalen Handel auszugeben, um die Branchen, die von der Krise stärker betroffen seien, zu unterstützen. Mit Blick auf die herausfordernde nächste Zeit betonte Harsch, dass man sich weiter am echten Kundennutzen orientieren werde. Dies sei letztendlich erfolgreicher als ein profitgetriebenes Management-Denken.

Der 22. BHB-Kongress findet am 24./ 25. November 2021 im World Congress Center Bonn (ehemaliger Bundestag) statt.

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