Am Sonntag erhielt ich per WhatsApp ein Foto von meinem Neffen Johannes. Es zeigt den frischgebackenen Meister im Installateur- und Heizungsbauer-Handwerk nach dem Erhalt des Meisterbriefes. Im Rahmen der 70. Meisterfeier der Handwerkskammer Düsseldorf mit rund 2500 Gästen im Messekongresszentrum der Landeshauptstadt würdigte Präsident Andreas Ehlert 846 Jungmeisterinnen und Jungmeister als „Leistungselite der deutschen Wirtschaft“. Es war aber nicht nur der selbstbewusste Auftritt des jungen Mannes, der mich begeisterte. Es waren auch die prägnanten Zeilen auf dem Plakat im Hintergrund, die besser nicht hätten gewählt werden können und der Veranstaltung auf NRW-Landesebene gewissermaßen eine globale Dimension verliehen: „Die ganze Welt beneidet uns. Um Euch“ hieß es da. Und das bedeutet nichts anderes, dass Deutschland nach wie vor führend ist in der Ausbildung von Fachkräften und künftigen Führungspersönlichkeiten – und diese Tatsache auf der Veranstaltung auch mit gebührender Wertschätzung den Akteuren gegenüber zum Ausdruck brachte.
„Sie sind als Meister und Gründer bedeutende Innovatoren und Leistungsträger in unserem Land“, würdigte Armin Laschet die Absolventen der Meisterschulen an Rhein, Ruhr und Wupper. „Auch ein Meister, der einen Malerbetrieb eröffnet, gründet ein Start-up“, so der NRW-Ministerpräsident. „Das Handwerk ist und bleibt eine der wichtigsten Stützen unserer Wirtschaft, es ist die `Wirtschaft von nebenan´“. An die Adresse der Bundesregierung richtete Laschet die bildungspolitische Forderung, „in allen Handwerken, bei denen es fachlich geboten und europarechtlich möglich ist, den verpflichtenden Meisterbrief wiedereinzuführen.“
Laschet fordert Wiedereinführung der Meisterpflicht
Absolut angebracht ist diese Forderung auch im Fliesenlegergewerbe. In diesem Bereich ist die Quote der Meisterschulabsolventen seit Abschaffung der Meisterpflicht ins Bodenlose gesunken, immer mehr (und zum Teil fragwürdig oder gar nicht qualifizierte) Einzelunternehmer haben weite Teile des Terrains übernommen. Womöglich liefern einige von ihnen bei anspruchsloseren Aufgabenstellungen eine durchaus passable Arbeit ab. Aber Spitzenleistungen kann man von den so genannten „Mobilen Generalisten“ kaum erwarten. Da sind die „Meister ihres Faches“ gefragt, und das sind neben den „Meistern auf dem Papier“ häufig auch erfahrene Altgesellen. Aber all das ändert nichts an der Tatsache, dass diese Berufsgruppe keine (offizielle) Qualifikation besitzt, um die nächste Generation von Fliesenlegern auszubilden. In der Konsequenz haben wir in Zukunft nicht nur noch weniger Meister, sondern auch deutlich weniger ausgebildete Gesellen.
„Jeder einzelne hat mit dem Meisterbrief die schönste Form des Eigentums erworben, die man sich nur vorstellen kann: Bildung!“
„Sie haben bewiesen, dass Sie etwas können und dass sie etwas wollen und durch Ihre Ausbildung alle Fähigkeiten erworben, um Ihre Ideen Wirklichkeit werden zu lassen und bleibende Werte zu schaffen,“ zollte HWK-Präsident Andreas Ehlert den 846 Jungmeisterinnen und Jungmeistern des Prüfungsjahrgangs 2018 Lob und Respekt. „Jeder einzelne hat mit dem Meisterbrief die schönste Form des Eigentums erworben, die man sich nur vorstellen kann: Bildung! – Bleiben Sie hungrig, bleiben Sie tollkühn!,“ motivierte Ehlert die neue Führungsgeneration, die frisch erworbene Spitzenqualifikation zur Übernahme von Verantwortung an der Spitze eines Unternehmens und in der Gesellschaft zu verwerten.
Bildungspolitischer Prioritätenwechsel vonnöten
Ehlert attestierte der Landesregierung „greifbare Fortschritte“ bei der Umsetzung der zwischen Parlament und Land verabredeten Ziele der Enquetekommission zur Stärkung des Handwerks, und nicht zuletzt in der Bildung: bei der Gleichstellung von beruflichem und akademischem Qualifizierungsweg durch Investitionen in Schulen und Lehrer. Es bleibe allerdings noch viel zu tun, denn es sei „niemandem damit gedient, dass wir Tausende von manchmal fragwürdigen Studiengängen für lau anbieten und dass andererseits Tausende von Fachkräften in der Wirtschaft fehlen,“ mahnte Ehlert einen bildungspolitischen Prioritätenwechsel auch auf Bundesebene an.
Überwiegende Mehrheit der jungen Meister will ausbilden
An der Düsseldorfer Meisterschule bestanden im vergangenen Jahr 846 Handwerkerinnen und Handwerker in 26 Meisterberufen eine Meisterprüfung – weniger als in früheren Jahren. Die Kammer erklärt das Minus als Folge der in den letzten Jahren zwischenzeitlich verminderten Ausbildungszahlen, die sich beim Gesellen-Nachwuchs und jetzt bei den Teilnehmerzahlen an der Meisterfortbildung fortsetzten. Um fast sieben Prozentpunkte auf einen Anteil von 54,3 % angestiegen ist im Vergleich zum Vorjahr die Bereitschaft im aktuellen Meister-Jahrgang, auf Basis der erlangten Spitzenqualifikation einen eigenen Betrieb gründen oder übernehmen zu wollen. Ebenfalls um rund sieben Prozentpunkte höher als ein Jahr zuvor lag die Zahl der Befragten, die bekannten, künftig selbst Nachwuchs ausbilden zu wollen. Die Qualifizierungskette Lehrling – Geselle – Meister – Unternehmer und Ausbilder wird mit wieder größerer Selbstverständlichkeit durchlaufen als in früheren Jahren.
Als einzige Branchengruppe übrigens freut sich das Bauhauptgewerbe auf einen im Vergleich zum Vorjahr sogar etwas zahlreicheren Meister-Nachwuchs. Neben einer reinen Kosten-Nutzen-Abwägung im Vorfeld einer Anmeldung zum Meisterkurs stehen aber auch Argumente wie Berufsstolz und die Definition der eigenen Rolle innerhalb der Gesellschaft. Wie sagte es Kammerpräsident Ehlert: „Jeder einzelne hat mit dem Meisterbrief die schönste Form des Eigentums erworben, die man sich nur vorstellen kann. Und das ist Bildung.“ Und hierbei handelt es sich um Bildung, die sich nicht zuletzt wegen des Fachkräftemangels auch im wörtlichen Sinn „auszahlt“ und den leicht abgedroschenen, aber dadurch nicht weniger wahren Satz bestätigt, dass das Handwerk nach wie vor “goldenen Boden” hat.