Die Goldmedaille fest im Blick

Die besten Nachwuchshandwerker trainierten in München für die WorldSkills 2019 in Kazan

Als „Schande von Kazan“ hatte sich im vergangenen Sommer das Ausscheiden der deutschen Edel-Kicker in der Vorrunde der Fußball-Weltmeisterschaft schmerzlich in das kollektive Bewusstsein der nationalen Fan-Gemeinde eingebrannt. Löw und seine Truppe hatten mit der Zielvorgabe ihre Reise nach Russland angetreten, dort den Weltmeistertitel zu verteidigen – und hatten in vermeintlich schwachen Gegnern ihre Meister gefunden. Bei der Niederlage gegen Südkorea gab es die endgültige Demütigung für die jungen Millionäre und somit das Ticket nach Hause.

In Kazan, der 800 Kilometer östlich von Moskau gelegenen Millionenstadt, werden im kommenden Sommer wohl deutlich stärker motivierte Könner ihres Fachs zum fairen Wettstreit antreten: Deutschlands beste Nachwuchshandwerker aus dem Zimmerer-, Fliesenleger-, Stuckateur- und Maurerhandwerk haben Ende August in Russland ein Ziel klar vor Augen: Weltmeister zu werden. Und dafür geben sie richtig Gas. Bei den Fliesenlegern waren es Cedrik Knöpfle, Janis Gentner, Manuel Söhner und Julian Kersting, die in München unter den kritischen Blicken ihres Fliesen-Nationaltrainers Roland Filkorn und den interessierten und fachkundigen Augen der Messebesucher einen Einblick dessen gaben, was sie fachlich „drauf“ haben.

Das Trainingscamp des Nationalteams des Deutschen Baugewerbes auf der BAU hat schon Tradition. Bereits zum vierten Mal trainierte das Team auf der BAU, diesmal für die Berufsweltmeisterschaft „WorldSkills 2019“.

Die Trainingsphase für Kazan wurde somit bereits eingeläutet, nicht im Trainingslager eines Südtiroler Luxushotels, sondern auf der vor wenigen Tagen zu Ende gegangenen BAU 2019. Das Nationalteam Deutsches Baugewerbe war während der gesamten Öffnungszeit der Weltleitmesse auf dem Stand des ZDB direkt am Eingang Ost vor Ort. Unter den zahlreichen Beobachtern war auch Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB). „Das Team erbringt Bestleistungen und ist ein perfekter Botschafter für die Bauberufe. Die jungen Gesellen verkörpern die hohe Qualität einer Ausbildung am Bau in Deutschland und zeigen, was das duale Ausbildungssystem in der Bauwirtschaft leistet“, so Pakleppa.

Konzentriertes Arbeiten im Messetrubel

Selbstbewusst und absolut fokussiert gaben – ungeachtet der Lärmkulisse und der ständigen Beobachtung durch die vorbeilaufenden Fachbesucher – Cedrik Knöpfle (Deutscher Meister 2016) und Janis Gentner (Deutscher Meister 2017) an den ersten drei Messetagen eine Kostprobe ihres Könnens, bevor sie von Manuel Söhner (Deutscher Meister 2018) sowie dem Drittplazierten des letzten Jahres, Julian Kersting, abgelöst wurden. Welche Zwei von den Vieren letztlich in Kazan das deutsche Fliesenlegerhandwerk vertreten werden, ist noch nicht entschieden. Gute Karten für die Nominierung hat Cedrik Knöpfle, der im vergangenen Sommer mit seinem Ersatzmann Janis Gentner bei den EuroSkills 2018 in Budapest Bronze holte. Nationaltrainer Roland Filkorn hat alle vier Schützlinge unter Beobachtung: „Welche beiden letztendlich in Russland dabei sein werden, wird im April auf den Handwerkertagen bei Karl Dahm bekannt gegeben“, sagte Filkorn.

Für den Auftritt in München hat sich Roland Filkorn (r.) wieder ein besonderes Motiv zur keramischen Umsetzung einfallen lassen. Inmitten der nervenden Lärmkulisse und des nicht nachlassenden Gewusels gegenüber dem Eingang Ost der Münchener Messehallen fertigen Cedrik Knöpfle und Janis Gentner das Bild der Moskauer Basilius-Kathedrale.

Roland Filkorn arbeitet als Ausbildungsmeister im Ausbildungszentrum Bau Geislingen im Bereich Fliesen-, Platten- und Mosaikleger und ist seit 2014 Co-Nationaltrainer und seit 2017 Nationaltrainer. „Ich bin mit zehn Jahren in einen Mörteleimer getreten, habe die ersten Fliesen verlegt und bin seitdem nicht mehr davon losgekommen“, sagte er einmal in einem Interview. „Für mich ist Fliesenleger der schönste Beruf der Welt, denn man erstellt ein Werkstück das man mit seiner Handarbeit erbracht hat und am Abend sieht man, was man geleistet hat und kann stolz darauf sein. Und: unser Beruf ist so alt wie die Menschheit, Keramik wird es auch in Zukunft geben.“

Für den Auftritt in München hat sich Filkorn wieder ein besonderes Motiv zur keramischen Umsetzung einfallen lassen. Inmitten der nervenden Lärmkulisse und des nicht nachlassenden Gewusels gegenüber dem Eingang Ost der Münchener Messehallen fertigen Cedrik Knöpfle und Janis Gentner das Abbild der Moskauer Basilius-Kathedrale. Und sie ließen sich nur schwer ablenken von den neugierigen Blicken der Vorbeieilenden oder auch durch Kommentare von außen. Und wenn einmal ein Zuschauer mit Kennerblick und Sachverstand innehielt, unterbrachen sie gern ihre Arbeit und ließen sich auf ein Fachgespräch ein.

Das Trainingscamp des Nationalteams des Deutschen Baugewerbes auf der BAU hat schon Tradition. Bereits zum vierten Mal trainierte das Team auf der BAU, diesmal für die Berufsweltmeisterschaft „WorldSkills 2019“. Qualifiziert durch die Deutschen Meisterschaften oder andere Wettbewerbe führten die Teammitglieder des (noch) vorläufigen WM-Kaders die für die  Wettbewerbe typischen Tätigkeiten aus. So erstellten die Maurer Wände mit unterschiedlichen Steinen und bilden dabei verschiedene Motive ab; die Stuckateure erstellten Trockenbaukonstruktionen u. a. mit Stuckelementen und die Zimmerer bauten eine  Holzkonstruktion mit Dachstuhl. In allen Gewerken kommt es auf Präzision an, denn am Ende entscheidet millimetergenaues Arbeiten über Gold, Silber und Bronze. Der Träger des Nationalteams des Deutschen Baugewerbes ist der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB).

In diesem Jahr gibt es eine Änderung im Reglement, denn die Aufgabenstellung wird den Kandidaten erst unmittelbar vor dem Wettkampf mitgeteilt. „Dies bedeutet einen Vorteil für unser Team“, so Rudolf Voos, Geschäftsführer des Fachverbandes Fliesen und Naturstein (FFN). „Denn wir sind, was die Fähigkeiten angeht, deutlich breiter als viele unserer internationalen Wettbewerber aufgestellt.“ Früher sei es so gewesen, dass sich gewisse Nationen bereits Monate vor dem Wettbewerb auf die eine zu lösende Aufgabe spezialisieren konnten. Dies sei nun nicht mehr möglich. Insgesamt werden ins Kazan 28 Nationen ihre Nachwuchs-Handwerker ins Rennen schicken. Bis zum Termin Ende August stehen den deutschen Teilnehmern insgesamt 36 Trainingstage zur Verfügung.

Pakleppa: „Chancen für die Rückvermeisterung so gut wie nie“

Die jungen Handwerker wollen in Kazan nicht „nur dabei sein“, sondern als Weltmeister in ihrer Disziplin aus Russland heimkehren. Und dass sie alle auch den Meisterbrief in ihrem Handwerk anstreben, versteht sich von selbst. Im Jahre 2004 hatte die damalige Bundesregierung für 53 der 94 Handwerksberufe die Meisterpflicht abgeschafft. Nach den Zahlen des Zentralverbands des deutschen Handwerks (ZDH) hat sich in diesen Gewerken die Zahl der Betriebe seitdem deutlich erhöht, während die Zahl der Auszubildenden gesunken ist. Viele der neuen Betriebsinhaber sind die so genannten “Solo-Selbständige” oder “Mobile Generalisten” ohne Angestellte, was der Verband kritisch sieht. Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Carsten Linnemann nannte in der FAZ die Abschaffung der Meisterpflicht in Dutzenden Handwerksberufen im Jahr 2004 einen Fehler. Die Qualität der Arbeit habe sich in diesen Gewerken teilweise deutlich verschlechtert, außerdem werde weniger Nachwuchs ausgebildet, sagte der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung von CDU und CSU (MIT). Und auch in der SPD drängt man auf eine Änderung der Handwerksordnung. Jetzt wartet man auf einen Vorschlag seitens des  Wirtschaftsministeriums, wie man diese ändern könne, ohne vor dem Bundesverfassungsgericht und bei der Europäischen Kommission zu scheitern. „Zum ersten Mal sehe ich seit vielen Jahren eine Chance von deutlich über 50 Prozent, dass wir den Meisterbrief im Fliesenlegerhandwerk zurückbekommen“, sagte Felix Pakleppa in München im Gespräch mit der Redaktion. „Ich habe das Gefühl, dass der Zeitpunkt unter der jetzigen Regierung günstig ist, wir haben eine gute Lobby und die Verantwortlichen in den Regierungsparteien stehen einem Rückvermeisterungsgesetz positiv gegenüber”, so der ZDB-Hauptgeschäftsführer. Brüssel halte sich dabei heraus und betrachte dies als rein nationale Frage. „Alles wird hier wohl nicht zurückgedreht, aber die Fliesenleger haben gute Karten.“

Die Liste der Sponsoren der Fliesen-Nationalmannschaft ist lang. V. l. Roland Filkorn, Cedrik Knöpfle, Janis Gentner
und Rudolf Voos (Geschäftsführer Fachverband Fliesen und Naturstein) freuen sich über die Unterstützung.

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