Die Fliese muss stärker für ihre Vorteile werben
Studie des VDF legt Ansatzpunkte für langfristiges Branchen-Marketing offen
Am 11. September 2019 trafen sich Vertreter von Industrie und Handel beim Raab Karcher Baustoff- und Fliesenhandel/ Keramundo in Frankfurt, um sich die Ergebnisse einer Studie von Prof. Dr. Markus Beinert von der Universität Weihenstephan anzuhören zum Thema „Entscheidungsfindung und Kriterien von Wand – und Bodenbelägen“. In dieser Studie ging es vorrangig darum, was Endverbraucher zum Kauf von Fliesen oder alternativen Belägen bewegt. Fazit: Die Fliesen hat viele Vorteile beim Kunden, spielt aber nicht alle ihre Stärken adäquat aus.
Die Fliesennachfrage stagniert oder wächst nur marginal und konnte bisher von der boomenden Hochbauentwicklung nicht profitieren. Im Gegensatz hierzu wächst die Nachfrage nach elastischen Bodenbelägen, hier vor allem nach den sogenannten „Designböden“ zweistellig.
Wie ist die starke Nachfrage nach elastischen Bodenbelägen und die Wachstumsschwäche der Fliese zu erklären? Ist es die Distribution, das Marketing, das Produkt, Design, die Verarbeitung, der Preis?
Der Verband der Deutschen Fliesenfachhändler (VDF) hatte zusammen mit seinen Hersteller-Partnern die Initiative zu einer systematischen Analyse ergriffen und eine repräsentative Endverbraucherbefragung in Auftrag gegeben. Die Konzeption und der Inhalt der Fragen wurden seitens des VDF mit Werner Altmayer erarbeitet.
Kern der Studie waren u.a.folgende Themen:
– Customer Journey- wie sieht der Kaufprozess heute und zukünftig aus?
– Kauf Funnelanalyse für Beläge- Stärke Schwächen der unterschiedlichen Wand und Bodenbeläge?
– Welche Digitalisierungskonzepte nutzen dem Endverbraucher im Kaufprozess?
– Welche Erwartungen haben die Endverbraucher an den Handel und das Handwerk?
Der VDF hat 2018 bereits bei Prof. Dr. Markus Beinert eine Studie unter dem Titel „Zusammenarbeit von Großhandel und Handelskunden“ in Auftrag gegeben, aus der man viele interessante Schlüsse zog. Wie der VDF in Frankfurt ankündigte, soll demnächst noch eine Studie mit der Zielgruppe der Architekten und Planer folgen.
1600 repräsentative Käufer
Für die Endverbraucher-Studie hat Prof. Beinert insgesamt 1600 repräsentative Käufer aus diversen Altersschichten befragt, die allesamt gerade Bodenbeläge gekauft hatten oder kaufen wollten bzw. einen Badrenovierung planten. Diese relativ hohe Anzahl an Befragten wurde zusätzlich mit rund 20 face-toface Interviews verknüpft. Selbstverständlich wurden dabei auch alle Postleitzahlgebiet und Haus- bzw. Wohntypen berücksichtigt (Mieter, Einfamilienhaus etc.).
Prof. Beinert ging dabei auf die Suche, wie die sogenannte „Customer Journey“ aussieht, also wie verläuft der Prozess von der Inspiration über die Suche bis hin zum Kauf. Dabei wurden jeweils auch relevante Vergleiche zu konkurrierenden Materialien gezogen, wie z.B. Vinyl, Naturstein, Parkett oder Teppich.
Viele der Ergebnisse, die dabei zutage kamen, haben Brancheninsider nicht sonderlich überrascht. Die bekannten Vor- bzw. Nachteile des Baustoffes Fliesen sind auch beim Endverbraucher entsprechend präsent. Andere Ergebnisse ließen dagegen aufhorchen und bieten vielleicht Ansätze für das eigene Marketing von Industrie und Handel. So wurde z.B. festgestellt, dass die Informationsquelle „Freunde und Bekannte“ für alle Käufer einen hohen Stellenwert einnimmt. Fakt ist demnach, dass das persönliche Empfehlungsmanagement für den Käufer extrem wichtig ist. Darüber hinaus sind moderne Informationsquellen, wie z.B. Internetauftritte oder social media Kanäle, besonders bei jüngeren Zielgruppen interessant beim Fliesenkauf bzw. der Fliesenauswahl.
Gute Noten für den Fliesen-Fachhandel
Gute Noten erhielt der Fachhandel für seine ausführliche, kompetente und freundliche Beratung. Viele Käufer sind vor dem Auswahlprozess jedoch schon sehr gut über die Ware informiert und haben klare Vorstellungen, bevor sie die Ausstellungen besuchen. Professor Beinert: „Das Geschäftsmodell des Fachhandels mit seinen Ausstellungen ist nach wie vor aktuell und vor allem bei älteren Käufergruppen relevant, auch wenn es langsam erodiert.“
Interessant fanden die Teilnehmer, dass die Käufer für ihren Fliesenkauf auch neue Medien einbinden. Vor allem die Google Bildersuche sowie das Portal Pinterest wurden dabei genannt.
Intensiv diskutiert wurde auch das Thema, wieso bei den Käufer in der Relevanz der Kaufkriterien die Fliesen nicht alle Vorteile gegenüber anderen Materialen ausnutzen kann. Zwar lobten die Käufer die klassischen Tugenden wie Pflegeleichtigkeit, Langlebigkeit, Strapazierfähigkeit, doch andere Kaufargumente, wie Design, Nachhaltigkeit oder Wohngesundheit, werden der Fliese im Vergleich zu anderen Materialien nicht so stark zugeordnet. Relevante Argumente gegen den Fliesenkauf waren für viele Käufer z.B. Argumente wie kalt, teuer, aufwendig zu verlegen, schwierig zu entfernen etc.
Fazit: Die Suche vieler Kunden nach dem passenden Material beginnt bereits im Internet. Die Fliese könnte ihre Stärken noch besser herausarbeiten und positionieren. Besonders letzteres Thema sorgte noch für reichlich Diskussionsstoff in Frankfurt. Viele Teilnehmer waren der Meinung, dass man aus den Ergebnissen der Studie auch konkrete Schlüsse ziehen müsste und Aktivitäten ableiten sollte, wie intelligente Kampagnen. Als Beispiel für den Erfolg eines solchen Kampagnenmodells wurden die PVC-Beläge genannt, denen es in den letzten Jahren gelungen ist sich als Designware zu positionieren und ihre augenscheinlichen Nachteile, z.B. in Sachen Nachhaltigkeit, dadurch beim Kunden in den Hintergrund zu lenken.