“Die Expo1200Grad war sicher ein Appell an uns alle”
Interview mit André Steiner, Marketing-Leiter der Steuler Fliesengruppe, zur Expo1200Grad
André: Wie beurteilst Du in der Nachbetrachtung die Expo1200Grad?
Erstmal Respekt, dass Du und Ulrich so eine Veranstaltung umgesetzt habt. Wir wissen natürlich, was für ein Aufwand dahinter steckt, auch wenn es „nur“ online war.
Der Entwicklungszyklus in der Steuler Fliesengruppe zielt immer auf Oktober, weil wir ab dann die neuen Kollektionen von Steuler Design, Grohn, Nordceram und Kerateam sowie Zwei Outdoor unseren Handelspartnern vorstellen. Das war gerade in 2020 Gold wert. Der Zeitpunkt der Expo1200Grad war perfekt um die Kunden zu erreichen, denen wir die Sortimente bis dahin noch nicht zeigen konnten. Wir haben extrem viel positive Resonanz auf unsere Videos bekommen. Gut gefallen hat, dass da eben nicht nur Räume im Motion und Headlines mit Musik gezeigt werden, sondern eine reale Person die Serien kurzweilig erklärt.
Der Zeitpunkt der Expo1200Grad war perfekt um die Kunden zu erreichen…
Was hat Dir besonders gut gefallen, was fandest Du nicht so toll?
Zusammenstellung der Teilnehmer und die unkomplizierte Abwicklung beim Standbau war außergewöhnlich gut. Auch am ersten Messetag war es noch möglich, etwas virtuell umzudekorieren. Größter Kritikpunkt ist die späte Introduction der Mitarbeiter in das Chat-System und auch der Live-Test einen Tag zuvor. Unsere Mitarbeiter sind wirklich sehr stark in der Präsentation von Fliesen, allerdings ist eine virtuelle Messe etwas ganz anderes. Wir erzählen von Fliesen und halten bisher unser Produkt in der Hand. Das geht online eben nicht und hierauf hätten wir uns gerne mit mehr Vorlauf vorbereitet. Ich schließe mich da selbst nicht aus, obwohl ich mit BTX, also sowas wie dem Urvater des Internet, angefangen habe.
Zusammenstellung der Teilnehmer und die unkomplizierte Abwicklung beim Standbau war außergewöhnlich gut.
Unsere Mitarbeiter waren an allen drei Tagen präsent, die Resonanz im Chat war aber sehr gering. Für mich war es unheimlich toll zu sehen, wie unsere Leute sich mit der Thematik Onlinemesse auseinandergesetzt haben. Wir haben einige sehr konkrete und konstruktive Anmerkungen erhalten. Eine davon war, das es gut wäre, wenn man sieht wer gerade auf dem Stand ist und diejenige bzw. denjenigen virtuell ansprechen kann. Ein anderer hat vorgeschlagen, dass die nächste Messe ohne die Hürde der Anmeldung betreten werden soll.
Glaubst Du, dass die Zielgruppe in Sachen digitaler Anwendungen, z.B. mit dem Chat, noch etwas reifen muss? In anderen Branchen werden solche Tools sehr erfolgreich angenommen.
Ich bin fest der Überzeugung, dass so eine Messe mit mehr Live-Vorträgen und Interaktion stattfinden muss. Das Video von Sopro in deinem Youtube Kanal ist ein sehr gutes Beispiel dafür. Und wir müssen die Besucher damit animieren, sich an Diskussionen zu beteiligen. Fliesen sind die Welt zwischen Baustoff und Interieur. Dadurch ist die Affinität zu digitalen Anwendungen natürlich eine andere, als bei einem Event für Smartphones oder E-Sports.
Schon seit Jahren stellen wir Bilddaten, Texte und Artikelinformationen unseren Kunden in einem DAM zur Verfügung. Darüber hinaus verringern wir intern permanent die E-Mail-Flut, in dem wir die viele Informationen, Produktdokumentationen und andere Ressourcen in unserem Intranet aufbereiten. Weil die Steuler Unternehmensgruppe weltweit agiert, haben wir schon lange vor März 2020 Skype, Teams und Cloudserver genutzt. Wir sind da also wirklich technisch Up to date. Eine Digitalmesse ist aber dennoch wieder eine neue Umgebung. Die Expo1200Grad war sicher ein Appell an uns alle, die Möglichkeiten auch für unser Produktdarstellung mehr zu nutzen. Denn da sind unbestritten viele Vorteile. Darüber muss man nun sprechen und dem offen gegenüberstehen.
Die Expo1200Grad war sicher ein Appell an uns alle, die Möglichkeiten auch für unser Produktdarstellung mehr zu nutzen.
Kannst Du Dir vorstellen, dass eine solche Digitalmesse auch in zukünftigen Zeiten neben den traditionellen Messen eine Daseinberechtigung haben könnte?
Unser Produkt kann vieles besser als andere Belagsmaterialien, nur für eine ausschließliche digitale Vermarktung eignet es sich nicht. Eine Fliese muss angefasst werden. Es geht um Farben, Fühlen, Struktur und Reflektionen. Das funktioniert nicht am Bildschirm. Auch wollen wir ja mit unserem Gegenüber sprechen. ABER ich glaube, dass eine Digitalmesse zwar die momentane Lücke nicht füllen kann, aber sie kann als Brücke dienen. So sehe ich übrigens auch die Expo1200Grad. Wir müssen nur aufpassen, dass es keine inflationäre Entwicklung gibt. Eine, vielleicht zwei, solcher Veranstaltungen pro Jahr werden eine riesige Unterstützung für den Handel und Handwerker sein, um Informationen über Innovationen zu erhalten.
ABER ich glaube, dass eine Digitalmesse zwar die momentane Lücke nicht füllen kann, aber sie kann als Brücke dienen.
Nach dem Ihr den Startschuss für eine digitale Fliesenmesse gegeben habt, gilt es nun die Vorteile auch nachhaltig darzustellen. Wie viele Einkäufer haben aufgrund von mangelnder Zeit, Reisebeschränkungen oder anderen Gründen nicht die Möglichkeit, auf eine Cersaie zu fahren? Auf einer Digitalmesse können sich alle rasch und mit minimalen zeitlichem Aufwand eine Übersicht über die Angebote machen. Der größte Benefit ist, dass damit jedem Mitarbeiter im Fliesenfachhandel so neue Produkte aus 1. Hand vorgestellt werden können.
Der größte Benefit ist, dass damit jedem Mitarbeiter im Fliesenfachhandel so neue Produkte aus 1. Hand vorgestellt werden können.
Würdet Ihr bzw. Eure Marken in Zukunft wieder an einer solchen Digitalmesse teilnehmen, auch wenn es wieder normale Messen gibt?
Ja, denn wie vorhin gesagt ist eine Digitalmesse eine weitere Plattform neue Produkte zu zeigen. Eins hat uns das vergangenen Jahr gelehrt: Face2Face ist nicht immer notwendig. Das Angebot der Deutschen Fliesenhersteller endet ja auch nicht bei der Lieferung der Palette. Umfangreiche Dienstleistungspakete stehen den Fachhändlern zur Verfügung. Auch das sind Themen, die man auf digitalen Veranstaltungen gezielter darstellen kann.
Wenn wir die Erfahrung der Expo1200Grad 2021 offen diskutieren, Gutes ausbauen und die Schwächen beheben, sehe ich keinen Grund, warum die Steuler Fliesengruppe nicht wieder ein Teil davon sein sollte. Wir haben, glaube ich, alle einige Todos mitgenommen und sollten diese objektiv gemeinsam bewerten.
Welche digitalen Vermarktungskonzepte plant Ihr selber für 2021?
Stichwort: Digitalität. Dabei geht es um die Verbindung von Digital und Materialität oder Realität. Für mich bedeutet das: Produktschulungen online werden in Zukunft üblich sein, also gut gemachte Webinare. Neue Materialarten wie das Kerbon Wandelement sind perfekt für virtuelle Präsentationen und auch Diskussionen geeignet. Bei 2 cm Outdoor-Platten bietet sich an, damit Galabauer zu erreichen. Vorteil ist eben die Information direkt und nicht aus einem Prospekt oder einer Website zu bekommen, so gut manche Filme auch gemacht sind. Das ist auch eine Generationsfrage. Alle profitieren der Anatomie eines Onlineevent als Ergänzung zur klassischen Messe.