Januar 2017 in München. Es schneit und es ist „BAU“-Time. Die weltweit größte Baufachmesse zieht Schnee und Kälte anscheinend magisch an, wie ein Blick auf die letzten Jahre beweist. Am ersten Messetag haben die Wetter-Kapriolen dafür ausgereicht, um einige Besucher vom Besuch der Messe abzuhalten. Jedenfalls ging der Montag, je nach Halle, relativ gemächlich über die Bühne. So konnten die Aussteller noch einmal etwas Luft holen, bevor dann an den Folgetagen die große Besucherwelle über sie hinweg rollte. Selbst ohne jede Eintrittskarte gezählt zu haben ließ sich angesichts der Menschenmassen, die morgens auf das Messegelände zurollten, zweifelsfrei feststellen, dass die BAU ein echter Besucher-Magnet ist.
Der Besucherandrang hat inzwischen gewaltige Ausmaße erreicht, so dass das öffentliche Nahverkehrssystem der Stadt München, das sicher nicht das Schlechteste in Deutschland ist, nahe am Kollaps war. Jedenfalls berichteten viele Messebesucher von ausgefallenen oder verspäteten Bahnen, so dass sich die Massen auf den Bahnsteigen der Innenstadt stauten und viele Besucher zu spät kamen. Wer dann endlich die Hallen erreicht hatte, musste erneut Geduld aufbringen, denn dort warteten die nächsten Besucher-Staus. An den großen Ständen ging es oft zu wie auf dem Oktoberfest: Durchkommen unmöglich.
Die Aussteller freut das natürlich, obwohl die Zahl der Besucher noch nichts über deren Qualität aussagt. Wer aber mit den Ausstellern sprach bekam auch hier ein positives Feedback. Sprich: Die BAU ist und bleibt eine Erfolgsgeschichte. 1200Grad als Online-Magazin der Fliesen- und Zubehörbranche stellt sich natürlich die Frage, wieso die Fliesenbranche einer solchen Mega-Messe in den letzten Jahren den Rücken zugekehrt hat. Wir wollen das aber gar nicht mehr diskutieren, das ist müßig. Die Keramiker sind, von ein paar Ausnahmen mal abgesehen (Deutsche Steinzeug, Rako, Ströher, eine Handvoll Spanier und Italiener), an der Isar schlicht nicht mehr präsent. Punkt. Während das in den Vorjahren oft von einigen Marktteilnehmern beklagt wurde, stellen wir persönlich nun fest, dass wir das inzwischen sogar ganz gut finden. Die Fliesenhersteller treffen wir in Bologna und Valencia, da braucht es München nicht mehr.
Zudem hat man so wesentlich mehr Zeit, sich auf der BAU intensiver dem starken Zubehörmarkt zu widmen, der in München mit Mann und Maus am Start ist und zum Teil bemerkenswerte Messeauftritte aufs Parkett legte. Die Hersteller von Klebern, Schienen und Co. sind hochmotiviert, erfolgreich, innovativ und haben Spaß an ihrem Geschäft.
Bewegung im Bauchemie-Geschäft
Wobei dieser Zubehörmarkt, vor allem in der Bauchemie, in den letzten Monaten ordentlich in Bewegung gekommen ist.Mit Wirkung zum 1. Januar 2017 ist das westeuropäische Bauchemiegeschäft für professionelle Anwender unter den Marken Thomsit und Ceresit für Boden- und Fliesenverlegesysteme sowie Abdichtungen nun Teil des Portfolios der PCI-Gruppe, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft von BASF. Die Transaktion umfasst Henkels Fußbodengeschäft unter dem Markennamen Thomsit in Westeuropa sowie die globalen Markenrechte von Thomsit. Ebenfalls Bestandteil der Transaktion ist das Geschäft für Boden- und Fliesenverlegesysteme sowie Abdichtungen von Henkel in Westeuropa, das unter der einlizensierten Marke Ceresit betrieben wird (siehe auch Bericht hier). Auf der BAU präsentierte sich zum ersten Mal die neue Unternehmenskonstruktion dem breiten Publikum. Die neuen und alten Manager standen auf der Pressekonferenz am Messestand den Presseleuten Rede und Antwort, so mancher mit neuem Markenschild am Anzug. Dabei trat man gleich den Gerüchten über einen zügigen Weiterverkauf des neuen Portfolios entgegen und bekräftigte seinen Anspruch – vor allem im Fliesensegment – auf die Marktführerschaft in den DACH-Ländern. Eine Marktführerschaft, an der vor allem die Mapei-Gruppe mit seinem deutschen Sopro Ableger in den vergangenen Jahren mit enormen Zuwachsraten und einem erfolgreichen Marktauftritt entscheidend gekratzt hat.
1200Grad Video zur BAU 2017
Auch über die Positionierung der Marken ist man sich, jedenfalls bei PCI, einig. Fast alle Mitarbeiter und Vertriebsleute konnten zudem im Rahmen der Übernahme gehalten werden. Die bestehenden Verträge mit dem Handel will man ebenfalls wie bisher erfüllen. Dennoch hätten einige Markt-Insider eventuell eine andere Aufteilung des Portfolios erwartet, z.B. die klare Trennung nach Vertriebskanälen (PCI für den Fachhandel, Ceresit für den Baumarkt). Auch die Wertigkeit der Marken wird branchenintern recht unterschiedlich bewertet. Jedenfalls munkelte man in München, dass auch Mapei vor einiger Zeit am Erwerb des Henkel-Geschäftes interessiert gewesen sei. Da aber damals die Marke Thomsit nicht mit zum Verkauf stand zogen sich die Italiener wieder vom Deal zurück.
Konzentrationsprozess verschärft den Wettbewerb
Egal mit welcher Marke oder in welchem Vertriebskanal: Angesichts des Konzentrationsprozesses wird sich auch der Wettbewerb bei den Bauchemikern verschärfen. Schon heute berichten Händler hinter vorgehaltener Hand darüber, dass ihnen jede Palette Kleber mit einer weiteren Palette an Give-aways, wie wertvoller Berufsbekleidung, versüßt wird. Man darf gespannt sein, ob und wann es den Preisen richtig an den Kragen geht, um neue Kunden zu erreichen.
Auch die anderen Marktteilnehmer schlafen nicht. Sopro drückt mit Vollgas auf seine Ausbildungsinitiativen. Die firmeneigene Akademie genießt inzwischen in der Branche einen ausgezeichneten Ruf. Über die Kurse erwirbt sich das Unternehmen zudem in der Branche viele neue Kundenkontakte. Erstmals wird im Rahmen der hauseigenen Akademie sogar ein Zertifizierungslehrgang zur Fliesenleger-Führungskraft mit IHK-Zertifikat angeboten. Der 10-tätige Lehrgang endet mit einer Abschlussprüfung vor der IHK und ist wohl der endgültige Beweis dafür, dass die Ausbildungskompetenz beim Handwerk angesichts der abgeschafften Meisterpflicht immer mehr zur Industrie verlagert wird. Hier entstehen ständig neue Schulungszentren, Akademien und Kursangebote, mit denen die Zubehörindustrie die Teilnehmer über aufwendige Weiterbildungsangebote an sich binden möchte. Letztes Beispiel dafür ist das neue Schlüter Schulungszentrum, das im letzten Jahr in Iserlohn fertiggestellt wurde (siehe Bericht hier). Auch Codex kann inzwischen bei seinem jährlichen Netzwerk-Event über 500 Teilnehmr begrüßen.
Die Zubehörindustrie dreht auch sonst jeden Stein um, um neue Potentiale zu erschließen. Neben einer Flut von Innovationen sind das kostspielige Anstrengungen im Bereich Vertrieb, Marketing und Werbung. Das ist mal mehr, mal weniger gelungen. Es zeigt aber auch, dass es heute nicht mehr ausreicht allein ein gutes Produkt herzustellen.
Besonders gut hat uns der neue Marktauftritt von Schomburg gefallen. Das Firmenlogo, eine rote Burg, wurde im Rahmen einer neuen Kampagne in aufmerksamkeitsstarke Fotos montiert. Zudem wurde das Angebot nach Anwendungsbereichen logisch sortiert. Dieser neue Auftritt tut den Detmolder sichtbar gut und wird sicherlich auch im Markt positiv wahrgenommen.
Fazit: Es lohnt sich – trotz Schnee, Verkehrsproblemen und Massenandrang – auf die BAU zu gehen – ob als Aussteller, Besucher oder Journalist.
Mitte der 4. KW präsentieren wir Ihnen die interessantesten Neuheiten der BAU in München in einem 1200 Grad Sonder-Newsletter. Wenn Sie auch Interese haben mit einer Ihrer Innovationen daran teilzunehmen, so kontaktieren Sie uns unter c.schiffer@1200grad.com.