
Cersanit/ Meissen: Starke Mutter, smarte Tochter
Polnische Produktion und Logistik für den deutschen Fliesenmarkt
Auf Einladung der Meissen-Keramik besuchten Mitte Juni rund ein Dutzend Fliesenleger und Mitarbeiter des Handelsunternehmens Mobau Wirtz & Classen das Werk Opoczno des polnischen Fliesenherstellers Cersanit. Der Mutterkonzern von Meissen Keramik, immerhin weltweit nach eigenen Angaben der sechstgrößte Fliesenproduzent, fertigt dort nach modernen Produktionsstandards Wand- und Bodenfliesen für den europäischen Markt, u.a. auch mit einer Continua+ Linie für großformatige Feinsteinzeugfliesen.
Unsere Video-News zu diesem Thema (Interview mit Frank Schulte, Vertriebsleitung nationaler Fachhandel, und Hakan Inaltekin, Geschäftsbereichsleitung Vertrieb & Marketing):
Vor dem Hintergrund, dass Meissen Keramik einige Wochen zuvor den Markt mit der Meldung überrascht hatte, seine Fertigung in Meißen (Jahreskapazität ca. 2,6 Mio. qm) zu schließen, gewann dieser Besuch sicherlich noch mehr an Bedeutung. Denn immerhin will Cersanit in Zukunft komplett mit der Produktion aus Polen auch den deutschen Markt versorgen, so dass die Fliesenfachleute aus Deutschland gespannt darauf waren, welche Leistungsfähigkeit die osteuropäische Fliesenindustrie aufweist und welche Qualität und Fertigung die Cersanit Werke bieten.
Schon nach der Landung in Warschau war bei der Fahrt durch die polnische Hauptstadt zu erkennen, dass sich Polen gerade ingesamt in einer Aufbruchphase befindet. Die polnische Wirtschaft boom, in Warschau wird an allen Ecken und Enden gebaut, überall ragen Baukräne in den Himmel.
Nach einer knapp zweistündigen Busfahrt erreicht man den kleinen Ort Opoczno im Südwesten der Hauptstadt. Hier fertigt Cersanit rund 27 Mio. Quadratmeter Wand- und Bodenfliesen im Jahr. Dazu gehören rotscherbige Wandfliesen in speziellen Größen und Designs für den lokalen Markt, technisches, unglasiertes Feinsteinzeug in 8 mm Stärke in den Formaten 30×30, 30×60, 60×60 matt und poliert von R9 bis R11, glasiertes und unglasiertes Feinsteinzeug in den Formaten 30×60, 60×60, 15×90, 22×90 von R9-R10/B, glasiertes Feinsteinzeug von der Continua+ Linie in diversen Formaten bis 20×180 matt, lappato und poliert in R10 und R10/B in modularen Abmessungen sowie Terrassenfliesen für den Outdoorbereich in 20 mm Stärke im Format 60×60 R10 bis R11/C.

Modulformate für vielfältige Gestaltungen
Damit deckt die Cersanit Fertigung dieses Werkes auch ein Großteil der Formatstrategie und Portfoliopositionierung der Meissen Keramik ab, die in modularen Formaten und Multiformat Kollektionen in verschiedenen Größen, Designs und Farben eine möglichst große Gestaltungsvielfalt bieten will – bei einer für Projektplaner und Vertriebsmitarbeiter noch übersichtlichen Kollektionsarchitektur. Die einheitliche Fliesenstärke beträgt 8 mm und wird mit der modernen Hochdruck-Presstechnologie gefertigt, so dass eine Gewichtsreduzierung bei geringer Konstruktionshöhe geboten werden kann. Bei der Preis- und Produktpositionierung will Meissen Keramik sowohl den Preieinstiegsbereich wie auch das Mittelpreis- und Hochpreissegment abdecken.
Gerade mit der Positionierung im Hochpreissegment hat Meissen Keramik bei den Abnehmern noch zu kämpfen. Jahrelang ist der klangvolle Name aus Ostdeutschland von der Deutschen Steinzeug, dem Vorbesitzer von Meissen-Keramik, als preiswerte DIY Linie positioniert worden. Nun muss erst einmal in den Köpfen der Händler, Verarbeiter und Planer die Erkenntnis wachsen, dass Meissen Keramik auch für hochwertige Keramik steht.
Interview mit Fliesenleger Peter Lippke:
Von seiner 150 Jahre umfassenden Tradition profitiert Meissen heute nur noch wenig. Zwar besteht beim Kunden durchaus der Anspruch nach deutscher Markenware und Markenprodukten, doch vielfach, so Hakan Inaltekin, Geschäftsbereichsleitung Vertrieb & Marketing bei Meissen Keramik, „sind die Kunden dafür aber nicht bereit mehr auszugeben.“
Investitionen in Produktion, Vertrieb und Marketing
Inaltekins Team ist seit Jahren darum bemüht, dem Fachhandel ein verlässlicher und konkurrenzfähiger Anbieter zu sein. Dafür ist auch der Mutterkonzern Cersanit bereit tief in die Tasche zu greifen, denn Deutschland ist für den Konzern laut Inaltekin ein überaus wichtiger und interessanter Markt. So flossen in den vergangenen Jahren erhebliche Investitionen in Produktion, Vertrieb und Marketing. Dazu Frank Schulte, der für den Fachhandel bei Meissen zuständig ist: “Inzwischen hat sich die Meissen Keramik mit einem Verkaufsvolumen von mittlerweile knapp 13 Mio. qm innerhalb der Gruppe zu einer der Top drei Vertriebsbereiche entwickelt und ist somit auch zu einem Hauptfokus für Produkt- und Designentwicklungen innerhalb der Cersanit-Gruppe geworden.”
Heute ist die Meissen Keramik GmbH als 100-prozentige Tochter der Cersanit-Gruppe S.A. verantwortlich für die Geschäftsentwicklung in Deutschland, Österreich, Schweiz, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden. Eine der Aufgaben der Meissen Keramik GmbH ist es, der „Mutter“ wertvolle Informationen über lokale Bedürfnisse, Standards und Anforderungen sowie individuelle Interessen der Kunden für die Geschäftsentwicklung zur Verfügung zu stellen.

Erfolgreiche Zwei-Marken-Strategie
Bei der Bearbeitung des deutschen Marktes bedient man sich einer Markenvertriebsstrategie, die Meissen Keramik als Fachhandelsmarke etabliert und Cersanit als Sortiment für DIY-Kunden, auf das aber auch der Fachhandel Zugriff hat. Diese klare Trennung kommt nicht nur durch zwei getrennte Kataloge zum Ausdruck, sondern auch eine klar gegliederte Vertriebsstruktur mit Gebietsverkaufsleitern und zwei Key Account Manager allein in Deutschland. Hier plant man laut Hakan Inaltekin das Team zeitnah noch weiter auszubauen, u.a. mit zwei eigenen Key Account Managern für die Architekten-Betreuung und einem neuen Außendienst im Rhein-Main Gebiet.
Neben der modernen Produktion und der klaren Markenstrategie sollen auch perfekte Logistikketten zur Verfügung stehen. So hatte sich die Meissen Keramik GmbH bereits Anfang 2018 dazu entschlossen den Logistikstandort Niederau bzw. das damit in Verbindung stehende Konsignationswarenlager ab Anfang März 2018 kontrolliert vom Logistiknetz zu nehmen (siehe Bericht hier). In diesem Zuge wurde das Waren- und Logistikgeschäft intensiver auf Direktlogistik aus den Produktionsstandorten umgestellt; die Prozessoptimierungen des letzten Jahres machten es möglich bereits unterjährig und ohne Qualitätsverlust im Servicelevel Warenströme neu zu gestalten.

Auch wurde – für alle ursprünglich in Niederau operierten Misch- und Kleinmengenlieferungen – ein Vollwarenlager am Produktionsstandort in Walbrzych/Polen (circa 120km hinter der deutschen Grenze und mit insgesamt 220km Entfernung zum ursprünglichen Standort Niederau/Deutschland) aufgebaut, von dem aus die Meissen Keramik GmbH seitdem seine Geschäftspartner in den angeschlossenen Ländern und Regionen bedient.
Beim abschließenden Werksrundgang konnte man sich einen persönlichen Eindruck von der Leistungsfähigkeit des Werkes Opoczno machen, das aktuell alle Facetten einer modernen Fliesenproduktion bietet, wie Continua+ Linie, Rektifizierung und Digitaldruck. Dazu gesellt sich in unmittelbarer Nachbarschaft ein modernes, acht Hektor großes Hochregallager, das 2015 seinen Betrieb aufnahm und sämtliche Warenströme (Fliesen und Sanitär) der gesamten Gruppen aus neun polnischen Produktionsstandorten und der Ukraine weiter vertreibt.
Dies sind beeindruckende Zahlen und Eindrücke aus Polen, die die Erkenntnis reifen lassen, dass sich Polen hinter Italien und Spanien inzwischen als Nummer drei der europäischen Fliesenindustrie etabliert hat.
Background Cersanit
Die Cersanit S.A. Group verfügt über 11 Produktionsstandorte für Fliesen und Sanitär und beschäftigt 8.500 Mitarbeiter. Mit einer Gesamtproduktion von 74 Mio. qm gilt das Unternehmen weltweit als Nummer sechs der Fliesenhersteller. Mit 6 Mio. Keramikteilen pro Jahr gehört Cersanit zudem zu den zehn größten Sanitärherstellern weltweit.
In Polen verfügt die Gruppe noch über ein weiteres Fliesenwerk in Walbrzych, das eine Produktionskapazität von 17 Mio. qm aufweist. Dort werden Wandfliesen sowie glasiertes und technische Feinsteinzeug hergestellt.
Neben den Marken Meissen Keramik und Cersanit operiert man noch mit der Marke Pilkington´s in Großbritannien.
