Viúva Lamego: Alte Witwe mit Keramikgeschmack
Portugiesischer Hersteller verschmelzt Tradition und moderne Kreativität
In den Werkstätten und den kleinen Produktionshallen des portugiesischen Herstellers Viúva Lamego vor den Toren Lissabons scheint die Zeit für Keramikliebhaber auf wohltuende Weise stehen geblieben zu sein. Wie eh und je sitzen die Frauen im Fliesen-Atelier und bemalen mit ruhiger Hand, Begabung und viel Geduld eine Dekorfliese nach der anderen. Im Nachbar-Atelier werden historische Keramikfiguren und Keramikornamente für Kirchen, alte Paläste und kostbare Stadthäuser liebevoll nachgefertigt. So bewahrt Viúva Lamego ein wichtiges Stück portugiesischer Kultur, ohne dabei den Blick in die Zukunft zu vergessen. Denn die architektonischen Wandbilder des Unternehmens zieren heute auf der ganzen Welt renommierte Objekte bekannter Architekten und Künstler.
Video-Interview mit Catarina Morais Cardos, Verkaufsleiterin Viúva Lamego:
Das 1849 in Lissabon gegründete Unternehmen Viúva Lamego war ursprünglich die Töpferwerkstatt von António Costa Lamego, später wurde es zu einer Fabrik. Als die Frau von António Lamego nach dem Tod ihres Mannes 1876 die Leitung übernahm, bekam die Firma den ungewöhnlichen Namen Viúva Lamego – übersetzt „Witwe Lamego“.
In den Anfängen stellte die Fabrik hauptsächlich Gebrauchsgegenstände aus rotem Ton, weiße Tonfliesen und einige Fayencen her. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Fliese zum Hauptprodukt von Viúva Lamego, das bereits eine auf Künstler ausgerichtete Fabrik war, die ihnen Werkstätten zur Verfügung stellte. In den 1930er Jahren wurde der industrielle Teil nach Palma de Baixo verlegt. Dort blieb sie bis 1992, als sie nach Abrunheira in Sintra verlegt wurde, wo sich auch die aktuelle Fabrik befindet. Das Gebäude am Largo do Intendente ist heute für die Öffentlichkeit zugänglich und dient der Ausstellung und dem Verkauf von Fliesen.
Zusammenarbeit mit renommierten Künstlern
Die in Portugal handgefertigten Fliesen von Viúva Lamego sind weiterhin die erste Wahl für nationale und internationale Künstler. Seit 1930 fördert das Unternehmen künstlerische Aufenthalte, die auch als “Kokons” bezeichnet werden und bekannte Namen der portugiesischen und internationalen Kunstszene dazu bringen, Seite an Seite mit den Handwerkern der Fabrik zu arbeiten, die auch ein Industrieatelier ist. Alves de Sá, Jorge Barradas, Querubim Lapa und Maria Keil haben bereits den Weg dieses historischen Hauses gekreuzt, das sich seit seinem Gründungsjahr 1849 im Auftrag der Kunst immer wieder neu erfunden hat.
Derzeit hat Viúva Lamego vier ständige Künstler-Referenzen, zu denen große Namen wie Mestre Manuel Cargaleiro, der 2022 seinen 95. Geburtstag feierte, Maria Emília Araújo, Hervé di Rosa und Bela Silva gehören. Die deutsche Künstlerin Isa Melsheimer, die ihren ständigen Wohnsitz in Berlin hat, arbeitet auf Anregung von Luísa Jacinto als Artist-in-Residence in Viúva Lamego: Die Ausstellung “It’s the scenery that moves” war in der Brotéria in Lissabon zu sehen.
Die jahrhundertealte Manufaktur, in der Innovation und handwerkliche Produktionsverfahren in einem einzigartigen Savoir-faire koexistieren, ist keineswegs in der Zeit stehen geblieben, sondern hat eine führende Rolle in der Arbeit großer Namen der Architektur, des Designs und der bildenden Künste gespielt, und die jüngsten Projekte tragen dazu bei, ihr Erbe zu verbreiten.
Ein Beispiel dafür ist das Werk der Künstlerin Deb Chaney, die eng mit der portugiesischen Fabrik zusammenarbeitete, um vier Wandbilder als Teil eines Immobilienprojekts für die Crest Adera Development Corporation im Norden von Vancouver, Kanada, zu schaffen. Viúva Lamego half bei der Umsetzung von Chaneys abstrakter Kunst in Fliesen.
Das Jahr 2021 brachte auch andere wichtige Kollaborationen mit sich. Dies gilt für Jon One, der in Zusammenarbeit mit der Underdogs Gallery das Wandbild “Back To Life” signierte, aber auch für den chinesischen Künstler Ai Weiwei, der weltweit als einer der einflussreichsten, aktivsten und kreativsten Vertreter der zeitgenössischen Kunst bekannt ist und dessen Auftrag zu dem Werk “Odyssey” führte. Die Tafel mit 1800 Fliesen, die von Kunsthandwerkern aus Viúva Lamego handbemalt wurden, war von Juni 2021 bis November desselben Jahres in der Cordoaria Nacional in Lissabon im Rahmen der Ausstellung “Ai Weiwei – Rapture” zu sehen.
Weltweite Referenz-Objekte
Einer der Architekten, der sich am meisten für die Integration der Fliese in die Architektur einsetzt, ist Siza Vieira. Der portugiesische Pavillon für die Expo 98, die U-Bahn-Stationen Baixa-Chiado (Lissabon) und S. Bento (Porto) zeigen, wie sich zeitgenössisches Design und traditionelle Fliesen gegenseitig ergänzen können.
Inzwischen haben über 50 international renommierte Künstler von Viúva Lamego individuelle Fliesen für ihre Wandbilder fertigen lassen, vorwiegend in Frankreich, Belgien, der Schweiz und Großbritannien. Mit einer Teilnahme an der letzten Euroshop Messe setzte man nun auch einen Impuls für den deutschen Markt – mit überaus positiver Resonanz, wie Catarina Morais Cardos, Verkaufsleiterin Viúva Lamego, gegenüber 1200Grad zu berichten wusste.
Die Fliesen des Unternehmens bestechen übrigens nicht nur durch die handbemalten Dekorationen, sondern auch durch ihre beeindruckendes Glasur. Viúva Lamego produziert Fliesen mit tiefem Glanz und Farbe, die sich mit modernen Massenanfertigen in dieser Qualität und Einzigartigkeit nicht herstellen lassen.
Weitere Infos und Impressionen unter www.viuvalamego.com.