Der Meister stirbt aus – Nachwuchs dringend gesucht

VDF-Mitgliedersammlung diskutiert die Weichenstellungen für die Zukunft

Mitte März fand in Berlin wieder die Mitgliederversammlung des Verbandes Deutscher Fliesengroßhändler (VDF) statt. Das Treffen ist ein who-is who der deutschen Fliesenhandels-Szene. Wie in jedem Jahr gab es wieder ein abwechslungsreiches Programm mit interessanten Referenten. Ein Schwerpunkt drehte sich in diesem Jahr in Berlin um die schrumpfende Zahl von qualifizierten Fliesenlegern. In der Branche geht die Angst um, dass es schon bald nicht mehr genügend Verleger gibt, um die anstehenden Aufträge abzuarbeiten. Doch ein Vortrag zeigte in Berlin für die Zukunft eventuell einen interessanten Lösungsweg auf.

Zunächst standen die Regularien auf dem Programm, wie Vorstandswahlen und der Bericht des Vorstandes. Michael Zink wurde als Vorsitzender wiedergewählt, erster stellvertretenden Vorsitzenden bleibt Peter Erfeling. Zum neuen zweiten stellvertretenden Vorsitzenden wurde Uwe Scherer gewählt, der das Amt von Daniel Sandersfeld übernommen hat. Auch bei den Besitzern gab es zahlreiche Neubesetzungen: Für Burkhard Aschendorf, Hans-Henrich Tintelnot und Uwe Scherer sind jetzt Petra Lehmann und Björn de Myn dabei.

Im internen Teil der Mitgliederversammlung gab es darüber hinaus in diesem Jahr eine lebhafte Diskussion über die Zukunft des VDF. Zur Sprache – und auch Abstimmung – kamen dabei u.a. die Vorschläge, Kooperationen mit jeweils einer Stimme pro Unternehmen mit in den Verband aufzunehmen. Desweiteren wollte der VDF Industriepartner als Fördermitglieder in den Verband integrieren. Beide Vorschläge scheiterten allerdings an der dafür notwendigen Dreiviertel-Mehrheit. Ebenso abgelehnt wurde der Vorschlag einiger Mitglieder den VDF in den BDB (Bundesverband Deutscher Baustoffhändler) zu integrieren oder gar ganz aufzulösen. Michael Zink: “Der VDF hat auf jeden Fall eine Zukunft. Wir haben viele neue Ideen, die wir engagiert umsetzen möchten und dafür auch die Unterstützung der bestehenden Mitglieder.“

Deutsche, italiensiche und spansiche Verbandsvertreter auf einem Foto. Uumindestens den südländischen Besuchern (rechts im Bild) ist anzumerken, was sie vom kalten Frühlingswetter in Berlin halten….

Die Vorträge der VDF-Versammlung sind jedes Jahr ein interessanter Pool an Know how und Anregungen. Über die meisten Präsentationen ließen sich eigene, ausführliche Beiträge schreiben, so spannend sind die Themen und Inhalte. Aus Platzgründen können wir hier jedoch nur einige Auszüge und Thesen aus den Beiträgen wiedergeben. Auf die interessantesten Themen werden wir gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt noch ausführlicher zurückkommen.

Die große Konkurrenz Vinylböden

Werner Altmayer

Werner Altmayer eröffnete die Vortragsreihe des ersten Veranstaltungstages mit einem Referat über die Untersuchungsergebnisse einer Studie über Vinylböden (siehe auch unser ausführlicher Bericht hier), die inzwischen unter dem Titel „Deutscher Markt für elastische Bodenbeläge (Vinyl-LVT, PVC, Laminat)“ veröffentlicht wurde. „Es ist wichtig über den Tellerrand zu schauen und auch die alternativen Bodenbeläge im Auge zu behalten“, so der Marketingfachmann. Altmayer hatte dem Fliesengroßhandel in Kooperation mit dem VDF einen Fragebogen zugeschickt, in dem er Details zum Geschäft mit den elastischen Bodenbelägen abgefragt hatte.

Hintergrund ist, dass immer mehr Fliesengroßhändler auch in das Geschäft mit alternativen Bodenbelägen eingestiegen sind und es nur wenig Daten und Fakten über das Geschäft mit diesen Materialen gibt. 80 % der befragten Händler erwarten demnach ein starkes Wachstum dieses Marktes, so dass sich auch für den VDF die Frage stellt, in wie weit man z.B. Lobbyarbeit für diese Produkte machen soll.

Detlef Börner

Detlef Börner, stellvertretender Vorsitzender des FFN, referierte anschließend über den Status der Fliesenleger-Ausbildung. Er zeigte auf, wie dramatisch sich der Markt der Handwerksbetriebe in den letzten Jahren verändert hat. So hat sich die Anzahl der Betriebe zwar durch die „werkstattlosen Generalisten“ enorm erhöht, meistens handelt es sich jedoch um Ein-Mann-Unternehmen mit einer mangelhaften Ausbildung.

Verleger sind das Nadelöhr für mehr Wachstum

Dagegen stirbt der klassische Meister anscheinend aus. So gab es 2004 noch 423 Meisterprüfungen, 2007 nur noch 97. Auf diesem Stand hat sich die Meisterprüfung eingependelt. Bei den Azubis ist das Bild ähnlich: Von 3029 Azubis in 2004 sank die Zahl auf 2258 in 2009 und ist seitdem konstant niedrig. Zudem ist die Ausbildungsqualität laut Börner bei weitem nicht mehr so hoch wie früher. Viele Azubis fallen durch die Prüfung.  „Die Entwicklung ist traurig, aber wir müssen weiter am Ball bleiben“, so Börner. Die „Zert Fliesen“-Initiative soll zumindest die Qualität der Betriebe wieder auf ein höheres Niveau heben.

Prof. Dr. Markus Beinert

Prof. Dr. Markus Beinert von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf sprach über die „Zusammenarbeit von Großhandel und Handelskunden“. Er zeigte, wie sich Großhändler in anderen Branchen aufstellen und gab einen Ausblick auf eine Studie, die er ab April 2018 zu diesem Thema erstellen will.

Dabei lenkte er den Blick auf die aktuellen Trends im Handel. Hier sieht er u.a. dass die digitale Bestellplattformen immer mehr in den Großhandelsbereich hineindrängen. Manager aus Industrie und Handel sehen das als Gefahr. Als Konsequenz verfolgt die Branche die Stärkung der Pull-Aktivitäten bei Investoren, Architekten und Planern sowie die Intensivierung der Verarbeiter-Betreuung. Darüber hinaus wird die Produktpräsentation zunehmend digitaler, die Multi-Channel Kommunikation ist der neue Standard.

Kampagne für die Zukunft: „König der Baustelle“

Einer der Höhepunkte der diesjährigen VDF-Versammlung war sicherlich der Vortrag von Peter Blanke. Der geschäftsführenden Gesellschafter der Firma Blanke aus Iserlohn stellte sein Konzept „König der Baustelle“ vor (siehe dazu auch hier unser Kommentar Gesucht: Könige der Baustelle). Er skizzierte dabei eine schlüssige Werbe-Kampagne, mit der sich in Zukunft junge Leute für den Beruf des Fliesenlegers motivieren lassen sollen.

Daniela Keim von der Objektentwicklung der Firma Palette CAD referierte über die „Digitalisierung von Betriebsabläufen im Fliesenhandel – von der virtuellen Ausstellung, über Cloud bis zu BIM“. Sie machte deutlich, wie schnell die digitale Entwicklung bei der Planung in den letzten Jahren vorangeschritten ist.

Friedrich Höltemeyer, Geschäftsführer der Säurefliesner-Vereinigung, stellte dann den Zuhörern die Säurefliesner-Vereinigung aus Großburgwedel vor. Ein Verbund, der sich vielfältig die Aufgaben der Fliesenbranche engagiert und in dem viele Großhändler bereits Mitglied sind.

Danach wurde es juristisch: Alexander Kolodzik, Geschäftsführer beim Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistung (BGA), sprach über einige rechtliche Fragestellungen, wie z.B. die Ein- und Ausbaukosten, die Datenschutzverordnung, die Insolvenzanfechtung und die Digitalisierung.

Der digitale Fliesenschrank

Zum Abschluss zeigte die Firma Hauff ihre Ideen für die digitale Fliesenpräsentation. Bei Hauff heißt das MACH Fliesenschrank. Es handelt es sich um einen Fliesenschrank für Bodenbeläge, der je nach ausgeklappter Schublade auf einem kopfseitig angebrachte Großdisplay die dazu passenden Raumsituationen zeigt. Dazu werden von Hauff die Schnittstellen zu den passenden Planungssoftware-Systemen angeboten. Zusätzlich stellte das Unternehmen einen Online Budget-Rechner für das Internet vor, mit dem sich die Kunden schon vor dem Ausstellungsbesuch qualifizieren und einordnen lassen (www.baugenius.com). Für Hauff sind diese „intelligente Fliesenschränke“ Schritte zu einem smarten Showroom im Fliesenhandel. Übrigens sind auch bestehende Fliesenschränke mit dem System nachrüstbar.

Vittorio Borelli

Den zweiten Veranstaltungstag eröffnet der Vorsitzende Präsident des italienischen Hersteller Verbandes Confindustria Ceramica, Vittorio Borelli. Er erläuterte den Zuhörern die aktuellen Zahlen des italienischen Herstellerverbandes. Nach seinen Angaben sind die Investitionen der italienischen Fliesenindustrie in den vergangenen Jahren gestiegen: Sie betragen nun 7,4 % des Gesamtumsatzes, das entspricht ca. 400 Mio Euro. Das Geld soll vorrangig für Verbesserungen der Qualität, neue Designs sowie in innovative Techniken, wie z.B. in die 2 cm dicke Outdoor Keramik, verwendet werden

Im Vergleich zu anderen Bodenbelagsmaterialien ist Keramik laut Borelli nach wie vor Gewinner auf fast allen europäischen Märkten im Vergleich zu Parkett, Laminat und Teppich, Vinyl. Dennoch sind die Kunststoffböden auf allen Märkten ein ernst zu nehmendes Konkurrenzprodukt für Keramikfliesen geworden. Confindustria Ceramica will deshalb jetzt mit Werbemaßnahmen gegensteuern und vor allem die Vorteiler der Keramik gegenüber Vinyl herausstellen.

Ismael Garcia

Ismael Garcia, stellvertretender Vorsitzender des spanischen Herstellerverbandes ASCER, unterstrich in einem Grußwort die Bedeutung des deutschen Marktes für die spanischen Fliesenhersteller und lobte die gute Zusammenarbeit mit dem VDF.

Anna Martinez von der Promotionabteilung der ASCER, gab einen Überblick über die Situation der spanischen Industrie und erläuterte die Bedeutung der spanischen Fliesenindustrie für die einheimische Wirtschaft. Sie stellte dann die aktuellen Produktionszahlen der spanischen Fliesenindustrie für 2017 vor (wir berichteten bereits hier).

Keramikindustrie 4.0. ist schon Realität

David Portales

David Portales von der Handelsabteilung des spanischen Generalkonsulates in Düsseldorf, gab einen Ausblick auf die zukünftige Organisation der Fabriken unter dem Titel “Keramikindustrie 4.0”. Ein Teil der Zukunft ist heute schon Realität. „Ceramic Brain“ von der Firma Coloker ist ein Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit spanischen Forschungsinstitut AICE, das bereits einen hohen Anteil an Digitalisierung in der Produktion umgesetzt hat. Die Prozessoptimierung senkt die Herstellungskosten, steigert die Qualität und ermittelt zahlreiche Daten zur Rückverfolgung jeder einzelnen Fliese im Produktionsprozess. Zentraler Bestandteil des Systems ist ein QR-Code, der auf der Rückseite jeder Fliese angebracht wird und eine vollständige Kontrolle über den Fertigungsprozess ermöglicht.

Davon profitiert auch der Kunde bzw. der Handel. Durch die Rückverfolgbarkeit können z.B. Reklamationen einfacher bearbeitet werden. Bei einer Verknüpfung der Daten mit Systemen des Handels lassen sich zudem weitere Informationen über die Lieferfähigkeit, Lagerhaltung und Logistik erfassen.

Carlo Cit

Schon traditionell stellte im Anschluss dann Carlo Cit von der Hansa Unternehmensberatung seine Zahlen des deutschen Fliesenmarktes vor. Nach seinen Recherchen lag das gesamte Absatzvolumen für Keramikfliesen in Deutschland 2017 bei insgesamt 132,5 Mio. qm. Der Gewinner sei auch der Fliesenhandel, der seine Position weiter ausbauen konnte. Carlo Cit: „Allerdings ist das Fliesenhandwerk  vollkommen ausgebucht. Das ist eindeutig eine große Absatzbremse. Es wird immer schwieriger Fachhandwerker zu bekommen.“

Fliesen-Wettbewerber agieren aggressiv

Jens Fellhauer vom Bundesverband Keramische Fliesen gab ein Einblick in die Verbandsarbeit der deutschen Fliesenwerke. Er berichtete vom Kampf für fairer Produktionsbedingungen, die Arbeit in der Normung etc. Er stellte die Frage, warum trotz des guten bauwirtschaftlichen Umfeldes die Entwicklung der Fliese nicht so positiv sei wie erhofft. Ein Grund sieht auch Fellhauer bei der fehlende Anzahl von Verlegern, aber ebenso beim Wettbewerb mit anderer Materialien. Fellhauer: “Hier befinden wir uns in einem Verdrängungswettbewerb und viele Wettbewerber sind dabei extrem aggressiv auf dem Markt unterwegs.“

Eine der Aktivitäten des Verbandes für das Produkt Fliese ist die Pressearbeit in Endverbrauchermedien. Insgesamt wurden damit in jüngster Vergangenheit über 250 Mio. Leser erreicht. Fellhauer appellierte zum Abschluss seiner Ausführungen an das gemeinsame Vorgehen aller Marktpartner, auch im Schulterschluss mit den anderen ausländischen Herstellerverbänden.

Frank Schmied

Frank Schmied, Geschäftsführer der Firma Esign und damit an der Entwicklung Software pixmo (wir berichteten bereits hier) beteiligt, und Berthold Hellmann von der Unternehmensberatung market1st, hatten dann das Thema „Multi Channel Marketing“ auf ihrer Agenda.

Berthold Hellmann skizzierte zunächst einmal, wie die Digitalisierung das Konsumverhalten verändert hat und wie der Kunden beim Kaufverhalten heute überhaupt denkt. Schmied demonstrierte datengestützte Marketinglösungen für ein leistungsfähiges Multi-Channel-Marketing, wie z.B. pixmo. Diese Systeme eignen sich zur innovativen Produktpräsentation und konfiguration.

Den Abschluss des zweiten Veranstaltungstages machten Franz Leitner mit seinem Vortag über die Stelzlager- und Terrassensysteme „Terra Level“ (siehe unser Bericht hier), Klaus Winkels, Gechäftsführer der Gemeinschaft Emissionskontrollierter Verlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte sowie ein Beitrag über BIM (Building Information Modeling).

Hier noch ein paar Impressionen von der VDF-Versammlung in Berlin:

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